Verbrechen machen nicht vor den Toren Bad Neustadts halt. Das wurde mit dem gewaltsamen Tod eines 26-Jährigen auf dem Radweg nach Hohenroth auf erschreckende Weise vor Augen geführt. Nach wie vor laufen die Ermittlungen zum Motiv der oder des Täters. Unter anderem klopfen die Ermittler ab, ob Rauschgift eine Rolle spielte. Da stellt sich die Frage: Gibt es hier eine Drogenkriminalität? Wie schätzt die Polizei die Lage ein?
"Wir leben nicht abgeschottet von der Welt. Auch bei uns sind illegale Drogen im Umlauf", erklärt Jan Schubert, Leiter der Polizeiinspektion Bad Neustadt, gegenüber dieser Zeitung. Zum Tötungsdelikt könne er nichts sagen, da die Ermittlungen noch laufen. Aber zur allgemeinen Drogenlage in Bad Neustadt gab er Auskunft. "Unser Niveau der Drogenkriminalität liegt insgesamt im Schnitt vergleichbarer Städte. Es gibt weder Ausschläge nach oben noch nach unten." Am meisten dürften in der Region THC-haltige Rauschgifte wie Cannabis oder Marihuana konsumiert werden, also eher weniger harte Drogen.
Ein Blick in die Drogenstatistik der Region
Diese Zahlen beruhen auf dem sogenannten polizeilichen "Hellfeld", also auf allen Verstößen, über die die Polizei Kenntnis erlangt. Dazu zählen Diebstahl, Gewalt oder Aufgriffe im Straßenverkehr. Dennoch ermittele die Polizei auch regelmäßig beispielsweise im Zusammenhang mit der harten Droge Crystal Meth. Gut zwei Drittel der in Bad Neustadt begangenen Straftaten zwischen 2019 bis 2021 stünden aber klar im Zusammenhang mit illegalen Drogen auf Basis von Cannabisprodukten, so Schubert.
Die Aufklärungsquote bei Drogendelikten befinde sich in Bad Neustadt und Umgebung im sehr hohen zweistelligen Bereich. Dem Polizeirat ist es wichtig zu betonen: "Wir haben hier keine fest etablierte Drogenszene mit bandentypischen Strukturen und den klassischen Erscheinungen einer Großstadt." Auch gebe es in und um Bad Neustadt keine offenen Drogen-Hotspots.
Dennoch ist nicht alles rosarot. Nicht wenige Menschen würden Rauschgift nehmen, darunter auch harte Drogen. Viele Drogendelikte würden im Verborgenen stattfinden. Aufgrund der Dunkelziffer seien deshalb statistische Zahlen nicht so aussagekräftig. Man müsse davon ausgehen, dass der Konsum von Rauschgift weiter verbreitet ist, als man denkt, sagt Jan Schubert. "Die Polizei Bad Neustadt investiert aber wie die gesamte unterfränkische Polizei viel Manpower und Ressourcen, um ihren Beitrag zur Lösung dieses gesamtgesellschaftlichen Problems zu leisten." Der Fokus liege hier vor allem auf der Präventionsarbeit.
Was sagt die Suchtberatung der Rhön-Grabfelder Caritas?
Was sagt die Suchtberatung des Caritasverbandes Rhön-Grabfeld zu dem Thema? Deren Leiterin Susanne Till sieht zwar ebenfalls keine Anzeichen für eine kriminelle Drogenszene. Dennoch dürfe der Rauschgiftkonsum nicht unterschätzt werden. "Wir haben durchaus eine Drogenproblematik." Es sei so ziemlich alles erhältlich, was es überall sonst auch gebe. Dieser Umstand sei nicht neu. In ihrer Beratungsstelle seien die Klientenzahlen und auch die Drogenarten seit vielen Jahren gleichbleibend. Wie die Polizei, so ist auch Till der Ansicht, dass die Drogenlage von Bad Neustadt der anderer Städte der Größenordnung ähnelt. Die meisten Klienten würden Cannabis nehmen oder auch einen Mischkonsum betreiben - einerseits zum Chillen und andererseits zum Aufputschen.
Was geschieht, wenn sich Kriminalitätsschwerpunkte herauskristallisieren? "Wenn die Polizei diese erkennt, werden sie bekämpft. Wir tolerieren keinen Ort, an dem illegale Drogen genommen oder gehandelt werden", sagt Jan Schubert dazu. Keinesfalls lasse man wie in der ein oder anderen Großstadt illegale Räume unter Beobachtung zu. "Wenn die Sicherheit und Ordnung in Gefahr ist, werden gezielte Maßnahmen ergriffen." Dazu gehöre auch die Ermittlung der Strukturen hinter den erkannten Personen, um mit der Kripo dem Handel und den Nachschubwegen auf die Spur zu kommen.
Welche Auswirkungen hat die Corona-Pandemie?
Mit Beginn der Corona-Pandemie haben Experten erwartet, so Schubert, dass die Zahl der Drogendelikte zurückgehen würde. Durch den Lockdown und den zum Erliegen gekommenen Personenverkehr werde auch der Drogenhandel erschwert, nahm man an. Das habe sich jedoch als Fehlschluss erwiesen. "Es wurden andere Wege gefunden." Sei es über das Darknet oder die Eigenproduktion von Cannabis oder synthetischen Drogen. Europol beispielsweise verzeichnet neue Höchstwerte bei den polizeilich festgestellten Mengen an Kokain. Die europäische Polizeibehörde warnt davor, dass die organisierte Kriminalität die mit der Pandemie aufgekommenen Ängste der Menschen auf Jahre ausnutzen könnte.
Welche Rolle spielen Abwasser-Untersuchungen?
Will man einen genaueren Aufschluss über die Menge und die Art des Drogenkonsums einer Region erhalten, so sind Abwasser-Untersuchungen derzeit der belastbarste Weg. Diese werden jedoch zumeist nur in größeren Städten durchgeführt und bedürfen sorgfältiger Interpretation, erläutert Jan Schubert. Erst kürzlich wurden interessante Ergebnisse der TU Dresden von Wasserproben in Bayern veröffentlicht. Demnach gibt es im Osten Bayerns mehr Crystal Meth - wegen der Nähe zu Tschechien. In München ist die am häufigsten konsumierte Droge Kokain. In Aschaffenburg und Ochsenfurt hat man sehr hohe Werte für Amphetamin ("Speed") festgestellt.
Für Rhön-Grabfeld zieht Polizeichef Jan Schubert dieses Fazit: "In und um Bad Neustadt gibt es objektiv keine Angsträume, keinen Platz, den man bei Dunkelheit besser meiden sollte." Dennoch sei die Polizei bemüht, auch die subjektiven Ängste der Bürger ernstzunehmen. "Wir leben nicht im Land der Glückseligen, aber die Bürger können hier sicher leben. Das Tötungsdelikt bildet eine traurige Ausnahme."
Bad Neustadt
Amphetamin in Wohnung sichergestellt
Mellrichstadt
Mit Marihuana und Amphetaminen unterwegs