Ein Tropfen, noch ein Tropfen, viele weitere Tropfen: Unermüdlich klatscht der Regen auf die Skulpturen entlang des Kunstangers, der sich durch Langenleiten zieht. Die Straße glänzt vor Nässe, die Blumen auf den Blühstreifen weht hin und her im rauen Rhöner Wind. Brigitte Meffert zieht die Kapuze ihres Regenmantels fest über ihren Kopf und lächelt – von schlechter Laune wegen des trüben Wetters keine Spur.
"Das macht mir nichts aus. Ich bin ein Naturmensch, bei Wind und Wetter gerne draußen. Das ist wohl auch ein Grund, warum es mich hierher verschlagen hat", sagt sie. Den Großteil des Monats lebt sie mitten in Frankfurt am Main, wo sie die "Karekla Stuhlflechterei & Restauration" führt. Die restlichen Tage verbringt sie in der Rhön, richtet kaputte Stühle her und betreibt eine Ferienwohnung.
In Frankfurt könnte sie bei Regen in eines der Geschäfte flüchten. In Langenleiten gibt es nicht allzu viele Läden. Das letzte Gasthaus hat vor längerer Zeit seine Türen geschlossen, ebenso die Bankfiliale. Aber die Café-Ecke im Edeka-Markt Metz ist auch ein trockener Zufluchtsort.
Brigitte Meffert aus Frankfurt mag die Ruhe in der Rhön
Doch Brigitte Meffert will nicht gleich ins Trockene flüchten. Lieber führt sie weiter durch den 700-Einwohner-Ort, an den sie 1997 ihr Herz verloren hat. "In Frankfurt wohne ich in einer der größten Straßen, da ist Tag und Nacht Remmidemmi. Hier in Langenleiten mag ich die Einfachheit. Und die Ruhe, die Ruhe, die Ruhe", erzählt Meffert. "Außerdem ist die ganze Dorfstraße voll mit Kunstwerken", sagt sie und zeigt eine Bronzeplastik der Künstlerin Heike Metz und Holzskulpturen von Herbert Holzheimer.
"Da hinten gibt es sogar noch eine Fabrik, die Klappläden herstellt. Und die Kirche mag ich auch, obwohl ich evangelisch bin", schwärmt sie. Dann blickt sie zum Begegnungszentrum "Haus für alle". Die Location biete eine spektakuläre Aussicht, Leute aus dem ganzen Umland würden dorthin zum Feiern kommen. Davon würden auch der Edeka und ihre Ferienwohnung profitieren, erzählt die Städterin.
So gut kennt Meffert sich aus mit Langenleiten und seiner Geschichte, dass man beim Spaziergang fast denken könnte, sie sei eine Einheimische. Wenn nicht ihr "Gudde Mosche" sie als Hessin entlarven würde. Im Ort fühle sie sich gut integriert, so Meffert. "Inzwischen verstehe ich sogar den Dialekt der Ureinwohner", fügt sie hinzu und lacht. Ihre braunen Augen blitzen verschmitzt.
Was führt eine Frankfurterin ausgerechnet nach Langenleiten? "Das war Zufall. Ich suchte etwas im Grünen und habe in einer Annonce in der Frankfurter Rundschau ein Haus in Langenleiten entdeckt", erinnert sich Brigitte Meffert. Obwohl sie es ein wenig zu weit weg von Frankfurt findet, beschließt sie, sich das Anwesen anzusehen.
"Es war im Winter, das werde ich nie vergessen. Als ich durch Wildflecken hochgefahren bin nach Langenleiten und diese Landschaft gesehen habe, war es um mich geschehen", beschreibt Meffert. Sie kauft das Haus und pendelt von da an jedes Wochenende mit ihren Kindern in die Rhön.
Städterin erlebt in Langenleiten den "Albtraum ihres Lebens"
Später verkauft Brigitte Meffert das Haus in Langenleiten und erwirbt 2014 ein anderes im Ort, um es zu sanieren, zu vermieten und im Nebengebäude eine Stuhlwerkstatt einzurichten. Doch als die Wohnung hergerichtet ist und die Mieter bereits auf ihren Einzug warten, erreicht Meffert in Frankfurt der Anruf einer Nachbarin: "Brigitte, in deinem Haus kommt es wie ein Wasserfall herunter".
Als sie am nächsten Tag ankommt, fallen schon die Tapeten von den Wänden. "Das war der Albtraum meines Lebens", erinnert sich Meffert. Alles ist durch den Wasserschaden kaputt: Böden, Decken, Einrichtung. Die Versicherung zögert ein Jahr mit der Zahlung und erstattet nur die Hälfte des Schadens. "Ich hatte fast mein ganzes Geld in das Haus gesteckt. Vor lauter Ärger bin ich auch noch schwer krank geworden. Trotzdem habe ich noch einmal von vorne angefangen", sagt Brigitte Meffert.
Woher sie den Mut nimmt? "Das weiß ich nicht, ich bin halt so. Ich gebe nicht auf. Wenn ich mir etwas in den Kopf gesetzt habe, mache ich es auch". 2016 ist alles wieder neu hergerichtet. Seitdem vermietet sie das Haus als Ferienwohnung und pendelt zwischen Frankfurt und Langenleiten. Dann bringt sie Flechtaufträge für ihre externen Stuhlflechter in der Rhön mit und nimmt Stühle zum Bearbeiten und Flechtmaterial aus dem Lager mit in ihren Laden nach Frankfurt.
Brigitte Meffert erneuert Stuhlgeflechte mit Wiener Geflecht, Binsen- und Kordelgeflecht. Auch die Geflechterneuerung bei den begehrten Thonet-Stühlen mit Fertiggeflecht gehört dazu. Außerdem repariert sie Stühle. "Fürs Stuhlflechten braucht man Geduld, und die habe ich. Je nach Typ entspannt man bei dieser Arbeit oder rastet aus", fasst Brigitte Meffert zusammen.
Das KissSalis in Bad Kissingen und der Garten in Langenleiten bereiten ihr Freude
Zurück an ihrem Anwesen zeigt sie, wie sie selbst lebt, wenn sie in der Rhön ist. Den ehemaligen Ziegenstall hat sie als Appartement für sich gestaltet. "Auf den 23 Quadratmetern habe ich alles, was ich brauche. Bad, Bett, Fernseher, Tisch, eine kleine Küche. Nur wenn ich Fleisch brate, nehme ich meine Herdplatten mit auf die Terrasse, das riecht sonst zu stark", verrät die Teilzeit-Rhönerin mit einem Schmunzeln.
Wenn sie in der Rhön ist und nicht gerade Stühle repariert, trinkt sie mit Freunden Kaffee oder bummelt durch Bad Kissingen oder Bad Neustadt. "Oder ich gehe in die Sauna in der KissSalis-Therme in Bad Kissingen. Früher war ich in Bad Brückenau in der Sintflut. Die Nachricht von der Schließung hat mir das Herz gebrochen", erzählt sie. Auf einem kleinen Stück Acker baut sie Kartoffeln an und werkelt in ihrem Naturgarten. "Das ist meine Welt", sagt Meffert. Ein echter Naturmensch eben – Langenleitner Regen und rauer Rhöner Wind hin oder her.