
Die 15 Minuten Ruhm des Fronhofs: Bad Neustadts Gefängnis feierte 1997 seinen Glanzmoment, als fast eine Million Menschen hinter die Gefängnismauern des Saalestädtchens blickten. Wobei die Zuschauerschar natürlich nicht persönlich durchs Gefängnistor linste, sondern vermittelt über Kinoleinwände durchs Gefängnisgitter starrte. Einige Szenen des Kultfilms "Bandits" wurden nämlich in Bad Neustadts Fronhof gedreht.
Regisseurin Katja von Garnier verbuchte mit ihrem Kinofilm "Bandits" Ende der 90er gleich zwei Erfolge: auf der Kinoleinwand und in den Musikcharts. Die Schauspielerinnen Katja Riemann, Jasmin Tabatabai, Nicolette Krebitz und Jutta Hoffmann spielen in dem Roadmovie vier Banditinnen, die im Gefängnis eine Band gründen und während eines Auftritts auf einem Polizeiball ausbrechen. Fast eine Million Menschen lockte die Story in die deutschen Lichtspielhäuser. Für den rund 700.000 Mal verkauften Begleit-Soundtrack, der in großen Teilen von den Hauptdarstellerinnen selbst komponiert wurde, gab es eine Goldene Schallplatte.
Bandits ist ein Film über Freundschaft, Freiheit und die Macht der Musik
"Bandits" ist ein Film über Freundschaft, Liebe und Tod. Über die Macht der Musik und den Einfluss der Medien. Er erzählt von vier sich befreienden Frauen, von Menschen, deren Lebensentwurf die Flucht ist. Das Roadmovie hat Drive, haut als Musikfilm ordentlich auf die Pauke –rebellisch, exzessiv, unbeschwert. Wunderbar 90er blitzt das Lebensgefühl zwischen den Takes: Der Kalte Krieg ist vorbei, die Zwillingstürme noch nicht eingestürzt. Nur Kurt Cobain ist tot. Irgendwie aber auch nicht. Zumindest nicht in den Songs.

Doch zurück nach Rhön-Grabfeld: Die Story, die mit einem grandiosen, schnellen Tod am Hamburger Hafen enden wird, nimmt ihren Anfang in Bad Neustadts Gefängnis. Einige Knast-Szenen entstanden dort, ein paar weitere in der Justizvollzugsanstalt Nürnberg. In Münnerstadt im Landkreis Bad Kissingen wurde Filmszenen gedreht, ebenso wie in Hamburg und München.
"Bandits"-Regisseurin Katja von Garnier verwandelte Bad Neustadts Gefängnis zum Frauenknast
Dass Regisseurin Katja von Garnier einen Kinohit landen würde, war am 4. September 1996 nicht absehbar. An jenem Mittwoch nahm die Filmcrew das erst wenige Wochen zuvor verwaiste Gefängnis in Bad Neustadt für die Dreharbeiten in Beschlag. Die letzten waschechten Ganoven waren im Juni nach Würzburg verlegt worden. 200 Jahre hatten im Fronhof nahezu ausschließlich Männer eingesessen. Mit Riemann, Tabatabai und Co verwandelte sich die Örtlichkeit erstmals zum reinen Frauenknast.
Drei Tage waren ursprünglich für die Dreharbeiten von "Jailbirds - Knastvögel" – so lautete der Arbeitstitel – in Bad Neustadt angedacht. Am Ende wurde nur einen Tag lang im Fronhof produziert. Der Grund: Hauptdarstellerin Katja Riemann erkrankte. Dass das per Aushang publik gemacht wurde, verwundert im Rückblick: Prinzipiell blieb die Öffentlichkeit nämlich weitgehend von den Dreharbeiten ausgesperrt.

Ein Anschlag gab es bekannt: "Bandits"-Hauptdarstellerin Katja Riemann war erkrankt
"Fast wie zu Zeiten, als noch echte Knackis einsaßen", beschrieb die damalige Freie Mitarbeiterin der Main-Post, Eva Kreisel, die Atmosphäre, "das Haupttor blieb die meiste Zeit geschlossen." Nichtsdestotrotz wurde Riemanns Erkrankung per Aushang öffentlich gemacht: Wie hätte sie in der Kleinstadt auch verborgen bleiben können? "Dass Katja Riemann mit Blinddarmentzündung im Krankenhaus Bad Neustadt lag, hatte sich da schon bis zum Bäcker herumgesprochen", schrieb diese Redaktion am Tag nach den Dreharbeiten.
Vermutlich weil die großen Stars unnahbar waren, richteten die Journalisten ihren Fokus auf die Statisten: Gemeinsam mit der nostalgischen Einrichtung des früheren Café Bach in Münnerstadt standen die Münnerstädter Annette und Oliver Schlegelmich sowie Heini Hochrhein vor der Kamera.

Auch den "immensen Aufwand an Technik und Equipment" nahm Journalist Gerhard Fischer unter die Lupe. Vor der früheren Bäckerei Kraft in Münnerstadt beispielsweise wurde eigens eine Telefonzelle aufgestellt und Gleise für einen Kamerawagen verlegt.
In Bad Neustadt wiederum blickte die Berichterstatterin auf die Verpflegung. Dem 45-köpfigen Filmteam seien 25 Liter Kaffee, 30 Lammhaxen, 5 Kilo Lammrücken, 10 Kilo Roastbeef und 30 Mal Blumenkohl-Aufläufe serviert worden. Gereicht wurde das Essen aus dem Imbisswagen von Caterer Ulli Schneider, einem Wahl-Berliner, der ursprünglich aus Aura an der Saale im Landkreis Bad Kissingen stammte. Schneiders Eltern steuerten aus dem heimischen Garten Bohnen als Beilage zu.
Jasmin Tabatabai auf einer Wiese in Bad Neustadt: "Das große Abenteuer beginnt."
Was in den 90ern der verstohlene Blick durchs angelehnte Gefängnistor war, ist dieser Tage das neugierige Scrollen durch Social-Media-Accounts. Rückwirkend kann man so Eindrücke gewinnen, die damals verwehrt blieben: Schauspielerin Jasmin Tabatabai beispielsweise postete vor einigen Jahren auf Facebook als "Bandits"-Flashback ein Polaroid von sich, Gitarre spielend auf grüner Wiese: "Der erste Drehtag von Bandits. Ich sitze irgendwo in der Nähe von Bad Neustadt auf einem Feld und singe 'Another Sad Song'. Und das große Abenteuer beginnt."
Auf Tabatabais Instagram-Account sieht man sie während der Dreharbeiten im Innenhof des Bad Neustädter Gefängnisses: "King Luna" alias Tabatabai lässig mit Zigarette in Anstaltskleidung.
Sie und die Truppe müssen durchaus authentisch gewirkt haben. Glaubt man dem Archiv der Main-Post, stoppte eine Passantin, die in der Bad Neustädter Spitalgasse auf Komparsen in Häftlingskleidung traf, erschrocken. Da wolle sie lieber außen herum gehen! "Die Gefangenen treten schon zur Seite", warf eine als Vollzugsbeamtin verkleidete Komparsin ein. Die Frau hatte da bereits kehrtgemacht.
Alles andere als ehrfürchtig begegnete eine Münnerstädter Passantin den Dreharbeiten: "Lasse se mich durch!", rief sie im unpassendsten Augenblick. Ihretwegen musste ein ganzer Take wiederholt werden. So kultig die "Bandits" am Ende werden sollten, in Münnerstadt und Bad Neustadt war davon im Sommer 1996 wenig zu spüren.