Landwirte und Landwirtinnen erkranken einer Studie zufolge sehr viel häufiger an Angststörungen, Burnout und Depression als die Durchschnittsbevölkerung. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie. Auch Christoph Rothhaupt, Landwirt aus Bad Neustadt (Lkr. Rhön-Grabfeld), ist vor einigen Jahren an einer schweren Depression erkrankt. Um andere Landwirte zu warnen hat er seine Erkrankung öffentlich gemacht und klärt immer wieder bei Veranstaltungen über das Thema auf.
Auf Einladung des unterfränkischen Grünen-Landtagsabgeordneten Paul Knoblach, der selbst Landwirt ist und lange als Pfleger in der Psychiatrie gearbeitet hat, spricht Rothhaupt an diesem Dienstag, 16. Mai, in Schweinfurt erneut über seine Erkrankung. Wie geht es dem Landwirt heute?
"Alles soweit gut", sagt der 39-Jährige am Telefon. Mit seiner Frau und ihren zwei kleinen Söhnen lebt er noch immer am elterlichen Hof in Lebenhan, einem Ortsteil von Bad Neustadt. Fast 100 Milchkühe wie früher gibt es dort nicht mehr, dafür stehen sechs Mutterkühe auf einer Weide in der Nähe.
Lange habe er nicht wahrhaben wollen, dass irgendetwas mit ihm nicht stimme, meint der frühere Milchbauer. Im letzten Moment habe er die Reißleine gezogen. "Es wusste niemand, was ich hatte oder wie es mir ging. Man wusste nur: Der Rothhaupt hört mit den Kühen auf." Es sei die schwerste Entscheidung seines Lebens gewesen, sagt der Rhöner. Gleichzeitig aber auch die beste.
Verantwortung, Druck, Abwärtsspirale - und heute Landwirt im Nebenerwerb
Mittlerweile teilt sich Rothhaupt seinen Bio-Ackerbaubetrieb mit zwei anderen Landwirten im Nebenerwerb. Das sei eine enorme Entlastung: "Ich muss wichtige Entscheidungen nicht mehr alleine tragen." Als Vollerwerbslandwirt und alleinverantwortlich sei er irgendwann in ein Hamsterrad hineingeraten. "Ich hab nur noch funktioniert. Mir war irgendwann alles egal."
Nach dem Tod seines Vaters habe er sich so sehr selbst unter Druck gesetzt, dass er in eine Abwärtsspirale geraten sei, sagt Christoph Rothhaupt. Sie endete in einer schweren Depressionen. Auch heute habe er hin und wieder mal depressive Phasen, berichtet der 39-Jährige. Wie im vergangenen Winter, als seine Oma starb. "Heute weiß ich, dass es dann Zeit ist, mich besser um mich zu kümmern." Und im Notfall würden ihm auch Medikamente in solchen dunklen Phasen helfen.
Ohne die Verantwortung für die Tiere geht es ihm heute viel besser. "Wichtig ist immer wieder die Einsicht, dass man ernsthaft krank ist", sagt Rothhaupt. Und dass man sich Hilfe suchen muss. Er selbst fand Hilfe bei der Ländlichen Familienberatung in Würzburg. Dort hat er inzwischen selbst eine Ausbildung zum ehrenamtlichen Berater angefangen: "Ich möchte anderen Landwirten helfen und ihnen Mut machen."
Wie Christoph Rothhaupt Landwirte unterstützen will
In den Städten gebe es mittlerweile gute Infrastrukturen und Hilfsmöglichkeiten für Menschen mit einer psychischen Erkrankung, sagt der 39-Jährige. Auf dem Land sehe das noch anders aus, hier fehlten oft Angebote. "Landwirte sollte schon in der Schule lernen, besser auf sich aufzupassen", sagt Rothhaupt. Gerade in den ländlichen Gegenden seien psychische Erkrankungen immer noch ein Tabuthema.
Das Ansehen der Landwirtschaft in der Gesellschaft sinke seit Jahren, sagt Wolfgang Scharl, Leiter der Ländlichen Familienberatung in Würzburg.: "Landwirte haben oft das Gefühl, dass sie zum Sündenbock für alles gemacht werden, ihre Arbeit wird nicht anerkannt und kaum wertgeschätzt." Was oft in den Köpfen der Bevölkerung bleibe, sei die Annahme, "dass Landwirte Tiere quälen und die Umwelt schädigen", sagt Scharl. Er wird am Dienstag in Schweinfurt mit auf dem Podium sitzen.
Psychische Gesundheit: Oft noch Tabuthema in Gesellschaft und Familie
"Das Thema psychische Gesundheit wird oftmals als Tabuthema behandelt, obwohl es längst zur Volkskrankheit geworden ist", sagt Paul Knoblach, Grünen-Landtagsabgeordneter und selbst Landwirt, der zur Diskussion eingeladen hat. Knoblach möchte für das Thema sensibilisieren und den Landwirtinnen und Landwirten Möglichkeiten zur Früherkennung und Hilfe aufzeigen. "Psychische Erkrankungen sind ein ernstes Thema und verdienen mehr Aufmerksamkeit – in der Gesellschaft, aber auch im familiären Kreis."