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Mellrichstadt
Betriebe in Rhön-Grabfeld suchen Nachwuchs: Wie man junge Menschen für das Handwerk begeistern will
Betriebe suchen händeringend Azubis, Jugendliche ihren Traumberuf. Wie kommen beide Seiten zusammen? Rhön-Grabfelds Kreishandwerksmeister Bruno Werner hat da eine Idee.
Hannes Eckert aus Mellrichstadt hat bei der Firma Maler Fischer in Unterwaldbehrungen ins Berufsleben hineingeschnuppert. Nun strebt der 14-Jährige eine Ausbildung zum Maler an.  
Foto: Simone Stock | Hannes Eckert aus Mellrichstadt hat bei der Firma Maler Fischer in Unterwaldbehrungen ins Berufsleben hineingeschnuppert. Nun strebt der 14-Jährige eine Ausbildung zum Maler an.  
Simone Stock
 |  aktualisiert: 15.07.2024 10:09 Uhr

Wer einen Handwerker braucht, kann sich derzeit meist auf Wartezeiten einstellen. Die Auftragsbücher in den Betrieben sind voll, was oftmals fehlt, sind ausreichend Fachkräfte. Das Handwerk braucht Nachwuchs. Und junge Schulabgänger suchen einen Ausbildungsplatz. Aber wie bringt man beides zusammen? Wie findet der Nachwuchs die passende Lehrstelle? Und machen die Betriebe genug auf sich aufmerksam?

Nein, sagt Kreishandwerksmeister Bruno Werner, und meint damit vor allem kleine Firmen, die meist nicht öffentlichkeitswirksam in Erscheinung treten. Und bei der Suche nach Lehrlingen oftmals leer ausgehen. Daher rührt Werner nun die Werbetrommel. Seine Idee: Zu Beginn des neuen Schuljahres will er allen Achtklässlern an den fünf Mittelschulen im Landkreis eine Holzkiste überreichen, gefüllt mit Infomaterial über Berufsmöglichkeiten im Handwerk, Ansprechpartner in Ausbildungsbetrieben und Tipps für den Start ins Berufsleben. "Die künftigen Schulabgänger können sich in der Region in über 130 Handwerksberufen ausbilden lassen", sagt Bruno Werner. Da sollte sich doch der passende Job aus dem Hut zaubern lassen, oder?

Was beinhaltet ein Betriebspraktikum?

Die Berufswahl ist nicht einfach. Wer weiß mit 14 schon genau, was er werden möchte? Ein gutes Instrument, um Vorlieben und Geschick auszuloten, ist ein Betriebspraktikum. 150 Schülerinnen und Schüler, die in den achten Klassen der Mittelschulen in Bad Neustadt, Bad Königshofen, Mellrichstadt, Bischofsheim und Hohenroth unterrichtet werden, schnuppern derzeit schon in das Berufsleben hinein. Eine Woche Vollzeitpraktikum in einem Betrieb steht auf dem Stundenplan, anschließend erfahren die jungen Leute über mehrere Monate bei einem Praxistag in der Woche, wie der Arbeitsalltag im jeweiligen Beruf aussieht. Für die Schüler eine wertvolle Erfahrung, um zu testen, ob der vermeintliche Traumjob auch wirklich passt. Oder ob es besser ist, eine Alternative zu suchen. 

Wie nutzt Schülern das Hineinschnuppern in den Beruf?

Hannes Eckert freut sich über die praktische Erfahrung beim Praktikum. 'Das ist besser als Schule', sagt der 14-Jährige.
Foto: Simone Stock | Hannes Eckert freut sich über die praktische Erfahrung beim Praktikum. "Das ist besser als Schule", sagt der 14-Jährige.

Hannes Eckert aus Mellrichstadt hat seine Berufung schon gefunden. Er hat ein Betriebspraktikum bei der Firma Maler Fischer aus Unterwaldbehrungen absolviert und an seinen Praxistagen Spaß an der Arbeit gefunden. "Das ist besser als Schule", sagt der 14-Jährige, "man sieht und hilft mit, wie etwas praktisch gemacht wird." Dies könne im Unterricht gar nicht vermittelt werden. Sein Bruder Marvin, der gerade eine Ausbildung bei der Malerfirma Fischer macht, hat ihn auf den Geschmack gebracht, ebenfalls diesen Berufsweg einzuschlagen. Eine Ausbildungsstelle im Malerberuf hat der 14-Jährige jedenfalls schon fest im Visier. 

Welche Vorteile sieht Firmenchef Martin Fischer?

Martin Fischer, Chef der Firma Maler Fischer in Unterwaldbehrungen, sieht in Betriebspraktika eine Win-win-Situation für Betriebe und Schüler.
Foto: Stefanie Fischer | Martin Fischer, Chef der Firma Maler Fischer in Unterwaldbehrungen, sieht in Betriebspraktika eine Win-win-Situation für Betriebe und Schüler.

Chef Martin Fischer freut sich, wenn Praktikanten aus verschiedenen Schulen in seiner Firma ins Arbeitsleben hineinschnuppern. "Praktika bieten jungen Leuten gute Möglichkeiten, um sich über den späteren Beruf klarzuwerden", sagt der Malermeister. "Das ist eine Win-win-Situation für beide Seiten." Der Schüler lernt die Arbeitsabläufe kennen und bekommt einen Vorgeschmack auf das Berufsleben, der Betriebsinhaber kann schnell beurteilen, ob der Praktikant handwerkliches Geschick besitzt, ob er zuverlässig ist und wie er sich im Umgang mit Kollegen und Kunden verhält.

Auch für Martin Fischer wird es immer schwieriger, gute Nachwuchskräfte für seinen Malerbetrieb zu finden. "Es gibt insgesamt weniger Lehrlinge. Handwerksbetriebe müssen heute im Vergleich zu früher gezielt Werbung für sich machen", sagt er. Für die Verankerung von Betriebspraktika im Lehrplan der Mittelschulen vergibt der Malermeister die Note eins – und würde sich das ebenfalls für andere Schulen wünschen. "Es ist wichtig für die Schüler, zu sehen, wie man später sein Geld verdient. Und dass solch ein Arbeitstag auch anstrengend ist", so Fischer. Vielleicht motiviert das den einen oder anderen auch dazu, ein bisschen mehr Zeit ins Lernen zu investieren. 

Was tun Betriebe, um Nachwuchs zu finden?

Kreishandwerksmeister Bruno Werner (links) mit Schulrätin Inga Palma und Schulamtsleiter Karl-Heinz Deublein
Foto: Simone Stock | Kreishandwerksmeister Bruno Werner (links) mit Schulrätin Inga Palma und Schulamtsleiter Karl-Heinz Deublein

Hier setzt auch die Aktion von Bruno Werner an. "Das Beste an der Schule? Die Zeit danach. Entdecke über 130 Handwerksberufe" steht in großen Lettern auf der Holzkiste, deren Inhalt einen umfassenden Überblick bietet, welche Ausbildungsmöglichkeiten es im Landkreis Rhön-Grabfeld und im angrenzenden Bad Kissingen gibt und wo die entsprechenden Betriebe zu finden sind. Schließlich spielt auch die Erreichbarkeit der Lehrbetriebe für die jungen Leute, die noch keinen Führerschein haben, eine Rolle.

Drei bis dreieinhalb Jahre dauert es in der Regel bis zur Gesellenprüfung. Die Chance, eine geeignete Lehrstelle zu finden, ist groß. Der Kreishandwerksmeister schätzt, dass es bei den 1200 Handwerksbetrieben mit rund 8000 Beschäftigten im Landkreis mehr als 500 offene Stellen im Ausbildungsbereich gibt. Dabei sieht er durchaus verstärktes Interesse bei jungen Leuten am Handwerk, allerdings hätten gerade kleinere Betriebe wenig Zeit und Möglichkeiten, etwa bei Berufsinformationstagen aktiv um den Nachwuchs zu werben. Außerdem ziehe es junge Leute verstärkt in die Industrie. Laut Werner haben daher manche Betriebe die Lehrlingsvergütung in den vergangenen zwei Jahren um bis zu zehn Prozent angehoben, um ihr Handwerk attraktiver zu machen.

Welche Möglichkeiten gibt es, weitere Berufe auszuprobieren?

Gemeinsam stark fürs Handwerk: Landrat Thomas Habermann sieht in Jonas Eckert einen zupackenden Handwerker für die Zukunft. Der Achtklässler absolviert gerade ein Praktikum in einem Autohaus, um auszuloten, ob der Beruf Kfz-Mechatroniker sein Traumjob ist.
Foto: Simone Stock | Gemeinsam stark fürs Handwerk: Landrat Thomas Habermann sieht in Jonas Eckert einen zupackenden Handwerker für die Zukunft.

Landrat Thomas Habermann zeigte sich bei der Vorstellung der Aktion im Staatlichen Schulamt begeistert von Werners Idee. Die zehn Mittelschüler, die mit Lehrerin Andrea Ziegler zum Pressetermin kamen, wurden vom Kreischef gleich ausführlich interviewt: Wo machen die jungen Leute Praktika und wie gefällt ihnen die Arbeit? Die Schüler schnuppern gerade in die Berufe Elektriker, Kfz-Mechatroniker, Tischler, Heizungsbauer, Metallbauer und Landwirt und sind bislang mehr oder weniger überzeugt, ob sie auch wirklich eine solche Ausbildung machen möchten. Wer im Praktikum feststellt, dass der ausgewählte Beruf gar nichts für ihn ist, hat aber noch einmal eine Chance, etwas anderes auszuprobieren. In der neunten Klasse bietet sich die Möglichkeit für ein weiteres Schnupperpraktikum.

"Die Praktika und Praxistage, die vor etwa zehn Jahren an den Schulen eingeführt wurden, sind Gold wert", da sind sich Landrat Thomas Habermann, Schulamtsleiter Karl-Heinz Deublein, Schulrätin Inga Palma und Kreishandwerksmeister Bruno Werner einig. Sie bieten den Jugendlichen Orientierung und einen realistischen Einblick in die Arbeitswelt und den angestrebten Beruf. Denn die Entscheidung, die die jungen Leute mit ihrer Berufswahl treffen, ist weitreichend. Frust im Job hat Auswirkungen auf das ganze Leben. Also besser gleich am Anfang die richtigen Weichen stellen.

Nachwuchs im Handwerk: Der Landkreis Rhön-Grabfeld will Handwerksberufe attraktiv machen. Kreishandwerksmeister Bruno Werner (Zweiter von links) hatte dazu eine zündende Idee. Gemeinsam mit Landrat Thomas Habermann (links), Schulrätin Inga Palma (Dritte von links) und dem Leiter des Schulamts, Karl-Heinz Deublein (rechts), überreichte er Holzkisten mit Infomaterial zu 130 Handwerksberufen an Achtklässler der Mittelschule Bad Neustadt mit Lehrerin Andrea Ziegler (Zweite von rechts).
Foto: Simone Stock | Nachwuchs im Handwerk: Der Landkreis Rhön-Grabfeld will Handwerksberufe attraktiv machen. Kreishandwerksmeister Bruno Werner (Zweiter von links) hatte dazu eine zündende Idee.
 
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