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Würzburg/Schweinfurt
Fachkräftemangel in Mainfranken: Was die Politik tun sollte
Der Mangel an Fachkräften lähmt die Konjunktur. Aus der mainfränkischen Wirtschaft kommen vor der Bundestagswahl deshalb klare Forderungen an die Politik.
In Mainfranken fehlen zehntausende Fachkräfte. Das lähmt die regionale Wirtschaft. Sie hat deshalb eine Reihe von Forderungen an die Politik.
Foto: Symbolbild: Andreas Arnold, dpa | In Mainfranken fehlen zehntausende Fachkräfte. Das lähmt die regionale Wirtschaft. Sie hat deshalb eine Reihe von Forderungen an die Politik.
Jürgen Haug-Peichl
 |  aktualisiert: 12.09.2022 15:31 Uhr

Und täglich grüßt der Fachkräftemangel: Die Nachfrage nach geschultem Personal gilt in der deutschen Wirtschaft seit Jahren als größte Herausforderung, Corona hin oder her. Allein im Handwerk fehlen bundesweit 65 000 Arbeitskräfte, in Unterfranken sieht es nicht besser aus. Das Problem dreht eine Dauerschleife in der öffentlichen Debatte.

Es schlägt Wellen bis zum Kunden: Unternehmen können Aufträge stellenweise nicht mehr im gewünschten Rahmen und in der gewünschten Zeit ausführen. Der Mangel hat zudem eine monetäre Komponente von enormem Ausmaß: Mainfrankens Volkswirtschaft wird 2030 wegen des Fachkräftemangels einen Schaden von 4,2 Milliarden Euro erleiden. Wohlgemerkt, nur Mainfranken. Dieser Einschätzung der Industrie- und Handelskammer (IHK) Würzburg-Schweinfurt von Mitte 2018 wurde bis heute nicht widersprochen.

IHK-Monitor: Wie viele Fachkräfte 2030 fehlen werden

Die Kammer befürchtet zudem, dass in Mainfranken die Schere zwischen Nachfrage nach Fachkräften und Angebot noch viel deutlicher als in den Vorjahren auseinandergehen wird. Hatte es 2010 in allen Branchen noch einen Überschuss von 5000 qualifizierten Beschäftigten gegeben, fehlten 2020 bereits 18 000. 2030 werden es 51 000 sein, so die Prognose des Fachkräftemonitors des bayerischen IHK-Dachverbandes. Das wird dann ein Sechstel dessen sein, was gebraucht wird.

Fachkräftemangel in Mainfranken: Was die Politik tun sollte

Ähnlich gravierend sieht es im unterfränkischen Handwerk aus. Die Hälfte der 18 500 Betriebe habe Probleme, offene Stellen zu besetzen, teilte die Handwerkskammer in Würzburg auf Anfrage mit. "Das bedeutet zwar nicht, dass diese offenen Stellen gar nicht besetzt werden können", so Hauptgeschäftsführer Ludwig Paul. Aber es dauere oft länger. Die Suche nach geeigneten Bewerberinnen und Bewerbern werde immer schwieriger.

"Eines der größten Konjunkturrisiken."
IHK-Referentin Elena Fürst über den Fachkräftemangel in Mainfranken

Besonders groß ist der Mangel laut Paul im Nahrungsmittelhandwerk sowie in vielen Bau-Berufen. Generell brauche die duale Berufsausbildung mehr Anerkennung in der Bevölkerung. Die Politik müsse für eine bessere Ausstattung der Berufsbildungszentren des Handwerks sowie für eine bessere Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland sorgen. Auch sollten mehr Frauen für Handwerksberufe gewonnen werden.

In der Industrie- und Handelskammer (IHK) Würzburg-Schweinfurt sieht man das ähnlich. Nach Ansicht des stellvertretenden Hauptgeschäftsführers Jürgen Bode muss darüber hinaus die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessert werden. Lebenslanges Lernen von Beschäftigten gerade in puncto Digitalisierung zu unterstützen sei ebenfalls eine Hausaufgabe der Politik, um dem Fachkräftemangel zu begegnen.

Warum die Lage in Mainfranken vorübergehend entspannter ist

IHK-Fachkräftereferentin Isabel Schauz hat beobachtet, dass sich die Lage in Mainfranken vorübergehend entspannt. Grund: Die Corona-Krise habe die Nachfrage nach Fachkräften gedrosselt. Das sei aber trügerisch: Geburtenstarke Jahrgänge scheiden in den kommenden Jahren aus dem Arbeitsleben aus, so dass die demografische Entwicklung dann "mit voller Wucht" zuschlage. Der Fachkräftemangel bleibe "eines der größten Konjunkturrisiken" für Mainfranken, ergänzt IHK-Referentin Elena Fürst.

Der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) stützt sich auf Anfrage auf den IHK-Fachkräftemonitor und beklagt deshalb ebenfalls einen eklatanten Mangel. Von den angeschlossenen Unternehmen sei zu hören, dass auch minderqualifizierte Beschäftigte dringend gesucht werden, berichtet BVMW-Gebietsleiter Christian Göwecke aus Winterhausen (Lkr. Würzburg).

"Viele Eltern und Jugendliche haben noch immer falsche Vorstellungen von Handwerksberufen."
Ludwig Paul von der Handwerkskammer für Unterfranken

Er fordert von der Politik, auf qualifizierte Zuwanderung von ausländischen Fachkräften zu setzen, Bürokratie für Unternehmen abzubauen, Weiterbildungen zu fördern und Anreize zu schaffen, dass ältere Menschen noch etwas hinzuverdienen können. Außerdem müsse die duale Ausbildung für junge Menschen attraktiver werden – etwa durch "eine Modularisierung und Teilung in zwei Phasen", um Lerninhalte besser zu vermitteln.

Handwerkskammer: Es muss nicht immer gleich Studium sein

Ludwig Paul von der unterfränkischen Handwerkskammer sieht kein Licht am Ende des Fachkräfte-Tunnels. Dass die Zahl der Schulabgänger sinke, verschärfe die Situation auf dem Ausbildungsmarkt. Außerdem drängten nach wie vor zu viele junge Menschen in ein Studium, statt eine Lehre zu beginnen. Weniger Lehrlinge bedeute mittelfristig: weniger Fachkräfte.

"Viele Eltern und Jugendliche haben noch immer falsche Vorstellungen von Handwerksberufen", beklagt Paul. Deshalb müsse die Berufsorientierung gerade an den Gymnasien ausgeweitet werden.

Fachkräftemangel: Was die Parteien dazu sagen

Generell: Die sechs im Bundestag vertretenen Parteien äußern sich in ihren Wahlprogrammen sehr unterschiedlich zum Fachkräftemangel. Mal bleibt es bei vagen Formulierungen, mal geht es in viele Details.
CDU/CSU: "Leuchttürme im Grünen" nennt die Union geplante Heimatagenturen, die flächendeckend "qualifizierte Arbeitsplätze in strukturschwache Regionen" bringen und der Wirtschaft bei der Suche gerade nach jungem Personal helfen sollen. Eine Berufsausbildung vor allem im Handwerk oder als Fachkraft soll den gleichen Rang haben wie ein Hochschulstudium. Und: An ausgewählten Botschaften des Bundes im Ausland sollen "Fachkräfteeinwanderungs-Attachés" etabliert werden, die die Zuwanderung von Fachkräften nach Deutschland betreuen.
SPD: Ausdrücklich das Handwerk wird im Wahlprogramm der Sozialdemokraten genannt, das mit "neuen Ausbildungskonzepten" im Kampf gegen den Fachkräftemangel unterstützt werden soll. "Wir fördern und erkennen die Rolle des Handwerks bei der Ausbildung und Integration junger Menschen aus allen Teilen der Welt an." Darüber hinaus legt die SPD das Augenmerk auf Kitas, Schulen und Jugendeinrichtungen, wo mit "gezielten Impulsen" Fachkräfte gewonnen werden sollen.
AfD: Die Partei möchte "die in den letzten Jahren erfolgte massive Abwanderung von deutschen Unternehmen und Fachkräften ins Ausland" stoppen und den Wirtschaftsstandort Deutschland für Investitionen wieder attraktiv machen. Die Feststellung, in Deutschland herrsche wegen des Fachkräftemangels ein Bedarf an qualifizierter Einwanderung, teilt die Partei nicht.
FDP: Mit einem "Blue Card"- und einem Punktesystem nach kanadischem Vorbild wollen die Liberalen die Einwanderung von Fachkräften steuern - auch von solchen, die eine nicht-akademische Karriere vorweisen oder die in Deutschland noch kein Jobangebot haben. Das Punktesystem soll sich unter anderem am Alter, der Bildung und der Berufserfahrung orientieren. Um dem Fachkräftemangel im Gesundheitswesen zu begegnen, "sollten Auszubildende bundesweit von der Zahlung von Schulgeldern befreit sein".
Grüne: Um dem Fachkräftemangel gerade im Handwerk zu begegnen, schwebt der Öko-Partei vor: "Der Meisterbrief soll wie ein Studium kostenfrei werden." Eine "Talentkarte" soll die Einwanderung von Fachkräften kanalisieren, eine Ausbildungsgarantie soll "allen jungen Menschen" den Beginn einer Lehre ermöglichen. Im Sozialen wollen die Grünen eine "wirkungsvolle Fachkräfteoffensive" starten. In berufliche und berufsbegleitende Bildung für Fachkräfte werde stärker als bisher investiert.
Die Linke: Um den Fachkräftemangel in der Pflege zu bekämpfen, will die Partei dort die Gehälter erhöhen. Um in Unternehmen die Lehrlinge als Fachkräfte zu halten, "soll die unbefristete Übernahme nach Ausbildungsende" kommen. Außerdem müsse die Probezeit bei Übernahme im selben Betrieb wegfallen. Schließlich schwebt den Linken eine "solidarische Umlagefinanzierung" vor, die alle Betriebe in die Pflicht zur Ausbildung junger Menschen nimmt.
aug
 
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