Und täglich grüßt der Fachkräftemangel: Die Nachfrage nach geschultem Personal gilt in der deutschen Wirtschaft seit Jahren als größte Herausforderung, Corona hin oder her. Allein im Handwerk fehlen bundesweit 65 000 Arbeitskräfte, in Unterfranken sieht es nicht besser aus. Das Problem dreht eine Dauerschleife in der öffentlichen Debatte.
Es schlägt Wellen bis zum Kunden: Unternehmen können Aufträge stellenweise nicht mehr im gewünschten Rahmen und in der gewünschten Zeit ausführen. Der Mangel hat zudem eine monetäre Komponente von enormem Ausmaß: Mainfrankens Volkswirtschaft wird 2030 wegen des Fachkräftemangels einen Schaden von 4,2 Milliarden Euro erleiden. Wohlgemerkt, nur Mainfranken. Dieser Einschätzung der Industrie- und Handelskammer (IHK) Würzburg-Schweinfurt von Mitte 2018 wurde bis heute nicht widersprochen.
IHK-Monitor: Wie viele Fachkräfte 2030 fehlen werden
Die Kammer befürchtet zudem, dass in Mainfranken die Schere zwischen Nachfrage nach Fachkräften und Angebot noch viel deutlicher als in den Vorjahren auseinandergehen wird. Hatte es 2010 in allen Branchen noch einen Überschuss von 5000 qualifizierten Beschäftigten gegeben, fehlten 2020 bereits 18 000. 2030 werden es 51 000 sein, so die Prognose des Fachkräftemonitors des bayerischen IHK-Dachverbandes. Das wird dann ein Sechstel dessen sein, was gebraucht wird.
Ähnlich gravierend sieht es im unterfränkischen Handwerk aus. Die Hälfte der 18 500 Betriebe habe Probleme, offene Stellen zu besetzen, teilte die Handwerkskammer in Würzburg auf Anfrage mit. "Das bedeutet zwar nicht, dass diese offenen Stellen gar nicht besetzt werden können", so Hauptgeschäftsführer Ludwig Paul. Aber es dauere oft länger. Die Suche nach geeigneten Bewerberinnen und Bewerbern werde immer schwieriger.
Besonders groß ist der Mangel laut Paul im Nahrungsmittelhandwerk sowie in vielen Bau-Berufen. Generell brauche die duale Berufsausbildung mehr Anerkennung in der Bevölkerung. Die Politik müsse für eine bessere Ausstattung der Berufsbildungszentren des Handwerks sowie für eine bessere Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland sorgen. Auch sollten mehr Frauen für Handwerksberufe gewonnen werden.
In der Industrie- und Handelskammer (IHK) Würzburg-Schweinfurt sieht man das ähnlich. Nach Ansicht des stellvertretenden Hauptgeschäftsführers Jürgen Bode muss darüber hinaus die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessert werden. Lebenslanges Lernen von Beschäftigten gerade in puncto Digitalisierung zu unterstützen sei ebenfalls eine Hausaufgabe der Politik, um dem Fachkräftemangel zu begegnen.
Warum die Lage in Mainfranken vorübergehend entspannter ist
IHK-Fachkräftereferentin Isabel Schauz hat beobachtet, dass sich die Lage in Mainfranken vorübergehend entspannt. Grund: Die Corona-Krise habe die Nachfrage nach Fachkräften gedrosselt. Das sei aber trügerisch: Geburtenstarke Jahrgänge scheiden in den kommenden Jahren aus dem Arbeitsleben aus, so dass die demografische Entwicklung dann "mit voller Wucht" zuschlage. Der Fachkräftemangel bleibe "eines der größten Konjunkturrisiken" für Mainfranken, ergänzt IHK-Referentin Elena Fürst.
Der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) stützt sich auf Anfrage auf den IHK-Fachkräftemonitor und beklagt deshalb ebenfalls einen eklatanten Mangel. Von den angeschlossenen Unternehmen sei zu hören, dass auch minderqualifizierte Beschäftigte dringend gesucht werden, berichtet BVMW-Gebietsleiter Christian Göwecke aus Winterhausen (Lkr. Würzburg).
Er fordert von der Politik, auf qualifizierte Zuwanderung von ausländischen Fachkräften zu setzen, Bürokratie für Unternehmen abzubauen, Weiterbildungen zu fördern und Anreize zu schaffen, dass ältere Menschen noch etwas hinzuverdienen können. Außerdem müsse die duale Ausbildung für junge Menschen attraktiver werden – etwa durch "eine Modularisierung und Teilung in zwei Phasen", um Lerninhalte besser zu vermitteln.
Handwerkskammer: Es muss nicht immer gleich Studium sein
Ludwig Paul von der unterfränkischen Handwerkskammer sieht kein Licht am Ende des Fachkräfte-Tunnels. Dass die Zahl der Schulabgänger sinke, verschärfe die Situation auf dem Ausbildungsmarkt. Außerdem drängten nach wie vor zu viele junge Menschen in ein Studium, statt eine Lehre zu beginnen. Weniger Lehrlinge bedeute mittelfristig: weniger Fachkräfte.
"Viele Eltern und Jugendliche haben noch immer falsche Vorstellungen von Handwerksberufen", beklagt Paul. Deshalb müsse die Berufsorientierung gerade an den Gymnasien ausgeweitet werden.