Die Ostheimer Streck-Bräu ist gerettet. Das angekündigte Ende nach 305 Jahren im September 2023 wird nicht kommen. Streck wird Teil der Biermacher-Familie um den Anlagenbauer Lauer aus dem hessischen Seeheim-Jugenheim. Der hatte auch in die südhessische Traditionsfirma "Pfungstädter Brauerei" investiert und sorgt dort für Schlagzeilen.
"Es ist ein Wunder, auf das ich gehofft habe", so Axel Kochinki. Wie Kochinki erklärt, habe sich zwei Tage nach der Berichterstattung dieser Redaktion über das angekündigte Aus der Investor Uwe Lauer bei ihm telefonisch gemeldet. "Ich war eigentlich auf dem Weg nach Berlin zu einer Tagung. Ich bin sofort umgekehrt nach Ostheim", so der Brauereichef.
Ein Telefonanruf auf dem Weg nach Berlin war die Rettung
"Nach sechs Stunden hatten wir die Verträge unter Dach und Fach", sagt Kochinki. Er selbst will allerdings nicht mehr dem Unternehmen – das wäre dann als Angestellter – angehören, kündigt der Ostheimer gegenüber dieser Redaktion an. Gerne werde er sein Wissen über die Brauerei weitergeben, solange das gewünscht sei. Er werde aber der Branche erhalten bleiben, hatte er letzte Woche gegenüber einem Regionalradio verlautbart.
"Es geht um den Erhalt von Bierkultur einer starken regionalen Marke. Wir freuen uns über diesen Familienzuwachs, auf neue Synergien und auf eine gemeinsame Zukunft mit Strecks Brauhaus", ergänzt Uwe Lauer, Geschäftsführer von "Die Biermacher" GmbH in einer Pressemitteilung.
Entsprechend groß ist die Freude in Ostheim über ein Fortbestehen der Rhöner Brautradition. Rund 25 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, so heißt es, sind bei Streck tätig, auch ein Getränkevertrieb gehört dazu. Auch im Kollegenkreis der Branche hatte das angekündigte Ende für Reaktionen gesorgt.
Turbulenzen rund um die Pfungstädter Brauerei
Die Firma Lauer Anlagenbau ist als Investor im Bereich Brauereien vor allem in Südhessen bekannt. Dort hat man 2020 das Traditionshaus "Pfungstädter Brauerei" übernommen. Das Problem dort: Die Brauerei muss das Gelände am Stammsitz in Pfungstadt zum Jahresende räumen, weil die Immobilienfirma Conceptaplan und der Unternehmer und SAP-Milliardärsohn Daniel Hopp dort Wohnungen errichten wollen.
Die Bierproduktion wird dort eingestellt, die Brauerei will im unterfränkischen Großostheim bei Aschaffenburg ihr Pfungstädter Bier produzieren lassen, wo auch das "Schlappeseppel"-Bier gebraut wird. Ostheim vor der Rhön käme wohl als Produktionsstandort für Pfungstädter Bier aufgrund der begrenzten Kapazitäten nicht infrage, sagt auch Caroline Maiwald von der Biermacher-Marketing-Abteilung. Die Pfungstädter Brauerei, etwa 180 Kilometer von Ostheim gelegen, ist etwa zehnmal so groß wie die Familienbrauerei im Streutal.
Bürgermeister Malzer hatte eine Crowdfunding-Initiative ins Spiel gebracht
Wie es in einer Pressemitteilung der "Biermacher GmbH" heißt, soll das Produkt-Portfolio der Streck-Bräu bestehen bleiben, dazu gehören unter anderem ein Helles, Bio-Zwickel oder das 1718-Bier, das zum 300. Geburtstag der Familienbrauerei 2018 vorgestellt worden war.
Bürgermeister Steffen Malzer zeigte sich im Gespräch mit dieser Redaktion sehr erleichtert über die überraschende Wendung. Er hatte nach der Ankündigung, dass die Brauerei zum 30. September ihren Betrieb einstellen wird, bereits eigene Überlegungen angestellt, wie die Traditionsbrauerei in seiner Stadt weitergeführt werden könnte. Seine Idee: die Streck-Bräu mit Crowdfunding retten.
Eine Bürger GmbH als Rettungs-Idee
"Ich hatte eine Bürger GmbH im Blick", verrät Malzer. "Wenn 500 Leute gefunden worden wären, die jeweils 1000 Euro investieren, hätte man den Betrieb vielleicht am Laufen halten können", so seine Überlegungen. Als Axel Kochinki ihn informiert habe, dass ein Investor gefunden wurde, sei er mehr als erleichtert gewesen, wie er sagt. Zumal ihm Kochinki versichert habe, dass "alles so weitergehen wird wie bisher".
"Für unsere städtischen Feste und auch für die Vereine in der Region ist das eine fantastische Nachricht", so Malzer. Natürlich freut sich der Stadtchef auch, dass die Arbeitsplätze erhalten bleiben. Ein kurzes Gespräch mit dem neuen Investor habe bereits stattgefunden, ein persönliches Treffen steht noch an. Aus dem Mitarbeiterkreis der Streck-Bräu kommt ausdrückliches Lob für den Einsatz des Bürgermeisters, der sich Gedanken um eine Rettung des Traditionshauses gemacht habe.
Am Montagfrüh kam schon der Aushilfsfahrer aus Pfungstadt
Dass es den Pfungstädtern mit Ostheim ernst ist, bekamen die Rhöner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gleich am Montag früh mit. "Unsere kleine Schwester braucht Hilfe", lautete am Freitag ein Hilferuf in der WhatsApp-Gruppe der hessischen Brauerei-Kollegen. Am Montagfrüh um 7 Uhr stand schon ein Fahrer aus Pfungstadt bereit, um Ostheimer Streckbier auszufahren, weil dort ein Kollege ausgefallen war.
Auch ein Ingenieur aus Hessen ist zu Wochenbeginn in Ostheim, um sich um die neue Kälteanlage der Streck-Bräu zu kümmern. Die wartet schon länger in einem Nebengebäude auf das Installiertwerden. Ein erstes Zeichen eines kollegialen Miteinanders sind diese schnellen Hilfen aus Pfungstadt für die Rhöner Mannschaft auf jeden Fall. Die geht seit Wochen durch ein Auf und Ab der Gefühle. Ob alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bleiben werden, ist noch offen. Im Rahmen eines Betriebsüberganges wurde das Personal aber mit den gleichen Rechten und Pflichten übernommen, so Kochinki.
Die Lauer Anlagentechnik aus Seeheim-Jugenheim hat etwa 600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Pfungstädter Brauerei wird von rund 70 Mitarbeitern am Laufen gehalten.
Ich will das Ganze sicher nicht schlechtreden, aber verwundert bin ich doch etwas wie man aufgrund eines Berichts innerhalb von sechs Stunden die Zahlen prüfen kann und von jetzt auf nachher eine Firmenübernahme in dieser Größenordnung über die Bühne bringen kann.
Wie dem auch sei. Alles Gute und viel Erfolg wünsche ich den neuen Besitzern.