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Bad Neustadt
Fast 60 Jahre in ihrer Mietwohnung: Warum verwehrt Dawonia Real Estate einer 85-Jährigen den Zugang zum Balkon?
Seit 1963 lebt sie in der Berliner Straße 31. Im November starb ihre Tochter. Und jetzt verbrettert Vermieter Dawonia den Balkon. Frau R. ist mit ihrem Ärger nicht allein.
Zugang verboten: Brigitte R. kann es immer noch nicht fassen, dass man ihr den Zugang zu ihrem Balkon mit einer großen MDF-Platte versperrt hat. Der Vermieter gibt Sicherheitsgründe an, doch Frau R. will den Argumenten nicht folgen. Vor allem ärgert sie die Informationspolitik
Foto: Gerhard Fischer | Zugang verboten: Brigitte R. kann es immer noch nicht fassen, dass man ihr den Zugang zu ihrem Balkon mit einer großen MDF-Platte versperrt hat. Der Vermieter gibt Sicherheitsgründe an, doch Frau R.
Gerhard Fischer
 |  aktualisiert: 15.07.2024 08:32 Uhr

Ein heißer Frühsommertag in der Berliner Straße 31. Jetzt auf den Balkon, um sich etwas Abkühlung zu verschaffen bei einem kühlen Getränk mit Blick auf den grünen Rasen und die hochgewachsenen Bäume. Brigitte R. kann das nicht. Der Hausmeister hat die Balkontür zugenagelt.

Eine schwarze MDF-Platte, fest ans Mauerwerk geschraubt und 1,20 Meter hoch, versperrt den Weg. Seit Ende Mai hat sie die schwarze Platte vor Augen, wenn sie Richtung Garten blickt. Sie nimmt ihr einen Teil der Sonne. Und greift ihre Nerven an.

Fast 60 Jahre lebt Frau R. in der Wohnung

Bald 60 Jahre lebt Brigitte R. in der Wohnung. Die gebürtige Ostpreußin, die in Kassel aufgewachsen ist, war mit ihrem Mann Adalbert und den Kindern Matthias und Beate nach Bad Neustadt gezogen. Gebaut hatte die Mietwohnung seinerzeit die Post, der Arbeitgeber ihres Mannes.

Heute gehört die Immobilie zur Dawonia Real Estate in München, die aus der Wohnungsbaugesellschaft GBW hervorgegangen ist, an der der Freistaat über die Landesbank beteiligt war. Anfang der 2010er Jahre hatten die politischen Entscheidungen rund um die Gesellschaft immer wieder für Schlagzeilen gesorgt.

Brigitte R. lebt seit bald 60 Jahren in der Berliner Straße 31. Ihr Balkon im ersten Stock wurde nun vom Vermieter gesperrt, wie alle anderen der Immobilie.
Foto: Gerhard Fischer | Brigitte R. lebt seit bald 60 Jahren in der Berliner Straße 31. Ihr Balkon im ersten Stock wurde nun vom Vermieter gesperrt, wie alle anderen der Immobilie.

Brigitte R. wohnt alleine in der Wohnung. Vor sieben Jahren ist ihr Mann Adalbert gestorben, erst im November vergangenen Jahres ihre behinderte Tochter Beate. Zusammen mit den Einschränkungen durch die Corona-Pandemie sind es also schwierige Zeiten, die Frau R. gerade durchlebt. Die plötzliche Sperrung ihres Balkons setzt allem noch die Krone auf. "Ich fühle mich all dem ausgeliefert und nicht wie ein Mensch behandelt", schimpft die Seniorin.

Ende Mai lag ein Schreiben der Dawonia aus München in ihrem Briefkasten. Weil die Balkone der Mietwohnung "leider einsturzgefährdet" seien, müssten diese mit besagten MDF-Platten abgesperrt werden. Kaum war der Brief gelesen, hatte der Hausmeister wenig später die sechs Balkone der Berliner Straße 31 sowie drei Balkone der Nachbar-Hausnummer 33 verbarrikadiert. 

"Da hätte es doch eine Mieterversammlung geben müssen oder ein anderes Gespräch", klagt die bald 85-Jährige. Sie könne sich auch nicht erinnern, dass Fachleute wie Statiker die Balkone überprüft hätten. Vor allem aber meint sie, dass die Balkone in unterschiedlich gutem Zustand seien. Teils seien sie schon saniert, diesen Eindruck hat man auch von außen.

Sanierungsbedarf an den Gebäuden ist offensichtlich

Bei anderen Balkonen erkennt man an rieselndem Sand aus der Zwischenschicht oder größeren abgeplatzten Flächen den Sanierungsbedarf wiederum recht schnell. "Die Balkongeländer sind noch die gleichen wie bei unserem Einzug 1963", sagt Brigitte R. Dass etwas geschehen muss an dem Baubestand, erkennt ein Laie.  

Einige Blumen bleiben auf dem Balkonsims, ansonsten musste Brigitte R. alles wegräumen. Alle Pflanzen wurden in der Wohnung verteilt.
Foto: Gerhard Fischer | Einige Blumen bleiben auf dem Balkonsims, ansonsten musste Brigitte R. alles wegräumen. Alle Pflanzen wurden in der Wohnung verteilt.

Die große MDF-Platte in Schwarz nimmt nicht nur Licht und wirkt in dem Wohnzimmer beengend. "Im Sommer lasse ich meine Wäsche auf dem Balkon trocknen, das geht jetzt nicht", sagt Brigitte R. Einige der Gegenstände vom Balkon hat sie aus Platzgründen im Treppenaufgang deponiert. Die Blumentöpfe, die sonst den Balkon und das Balkonfenster zieren, sind in den Zimmern verteilt, auch in dem der verstorbenen Tochter.

Brigitte R. ist die letzte der Altmieter. In den anderen Wohnungen herrsche eine gewisse Fluktuation. Oft gebe es auch sprachliche Barrieren, um gemeinsam gegen das Verhalten der Vermieter vorzugehen.

In besagtem Brief der Münchner Dawonia wurde zwar erwähnt, dass in einem späteren Schreiben über eine mögliche Mietminderung informiert werde, doch das ist nicht das eigentliche Thema für Brigitte R. "Eigentlich will ich Zugang zu meinem Balkon, vor allem aber möchte ich menschlich behandelt werden", sagt die Mieterin.

Mittlerweile hat sie in der Sache ihren Rechtsschutz in Anspruch genommen. Zur Hilfe kommt ihr auch Sohn Matthias, der jeden Tag einmal in der Berliner Straße 31 nach dem Rechten schaut. 

An einigen der Balkone hat durchaus der Zahn der Zeit genagt.
Foto: Gerhard Fischer | An einigen der Balkone hat durchaus der Zahn der Zeit genagt.

Dawonia verweist auch Sicherungspflicht

Julia Braun von der Dawonia in München betreut die Anlage und ist Ansprechpartnerin für die Mieterinnen und Mieter. "Die Sanierung der Balkone ist immer noch in der Planung", sagt sie gegenüber dieser Redaktion, man könne noch keinen Zeitplan für eine Instandsetzung nennen. "Aber wir haben eine Fürsorge- und Verkehrssicherungspflicht und mussten handeln", so Julia Braun, die auf gleichlautendes Gutachten verweist.

Es kann also gut sein, dass die Balkone bis in den Winter gesperrt bleiben werden. Wenn es aber schlecht kommt, noch länger, wenn man die aktuellen Rohstoff- und Personalprobleme im Baugewerbe mit einkalkuliert.

Eigentlich Balkon-Deko: Im Treppenhaus vor dem Eingang hat Brigitte R. einige Gegenstände zwischengelagert.
Foto: Gerhard Fischer | Eigentlich Balkon-Deko: Im Treppenhaus vor dem Eingang hat Brigitte R. einige Gegenstände zwischengelagert.

Sind noch weitere Häuser in Bad Neustadt betroffen?

Mit den Anwesen 31 und 33 ist es nicht getan. Julia Braun bestätigt, dass weitere Dawonia-Immobilien in Bad Neustadt betroffen sind, auch wenn sie keine detaillierten Zahlen nennen kann. Stand 2019 vermietete die Dawonia sozusagen als GBW-Erbe knapp 600 Wohnungen im Landkreis, 400 davon in Rhön-Grabfeld. In ganz Unterfranken werden rund 4000 Mietobjekte betreut.  

Dawonia Real Estate

Die Ursprünge der Dawonia reichen bis in das Jahr 1936 zurück.Von 1940 bis 2018 agierte man unter dem Namen Gemeinnützige Bayerische Wohnungsgesellschaft (GBW). Seit Januar 2019 agiert die frühere GBW-Gruppe unter der Marke "Dawonia".
Nach den Olympischen Sommerspielen 1972 kam die Dawonia in Schieflage und wurde von der Bayerischen Landesbank gerettet. 2007 entstand die GBW-Gruppe, heute bekannt als Dawonia Real Estate, mit aktuell insgesamt rund 30.000 Wohnungen. Am 15. Oktober 2012 startete die BayernLB den Verkaufsprozess der GBW- Gruppe.
Ein von der Patrizia Alternative Investments GmbH geführtes Investorenkonsortium hat im April 2013 den Zuschlag von der Bayerischen Landesbank bekommen und die Aktienmehrheit an der GBW AG für 2,45 Milliarden Euro gekauft.
Beim Verkauf des Unternehmens wurde eine Sozialcharta vereinbart, die die Mieter bei Modernisierungs- und Sanierungsmaßnahmen über das gesetzliche Maß schützt. In Erlangen, Nürnberg und Regensburg, aber auch in Regionen Hessens entstehen derzeit einige neue Immobilienprojekte mit Millionen-Investitionen.
Quelle: fg
 
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  • P. v.
    Wurde die Tür zugenagelt oder zugeschraubt??? Die Reporter werden auch immer schlechter bezahlt ??
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  • S. K.
    soo ist das
    wenn Heuschrecken am Wohnungsmarkt beteiligt sind...

    Empathie und Menschlichkeit findet da nicht statt...
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  • H. S.
    Typischer Tränendrüsenartikel: der armen Mieterin wird übel mitgespielt. Absturzsicherung hat absoluten Vorrang. Ist das Geländer von 1963 statisch noch okay? Hat sie in 60 Jahren mal den Zustand moniert? Alternativ hätte es sicher auch eine lichtdurchlässige Acrylglasplatte oder ein verzinktes Baustahlgewebe getan.
    Der Balkon ist i.d.R. zur Hälfte Wohnfläche d. h. um diesen Betrag kann die Miete gekürzt werden. Bei alten Verträgen ist aber oft der Balkon nicht angerechnet. Nachlesen. Hausgemeinschaft, Interessenvertretung bilden, gemeinsam zum Anwalt.
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  • U. S.
    Übel aber korrekt - sofern die Balkone wirklich einsturzgefährdet sind. Würden sie nicht abgesperrt und es passiert etwas haftet der Eigentümer. Dann gäbe es Schlagzeilen der anderen Art und Fragen, warum nicht vorsorglich abgesperrt wurde. Dann hat man als Mieter sicher auch keinen Skrupel vor Gericht gegen den Vermieter zu klagen.
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  • U. S.
    Brigitte R. ist die letzte der Altmieter.Und das sagt alles. Die alten Mieter werden raus gegekelt,drangsaliert. Dann neue rein mit der Doppelten Miete. Oder noch besser Modernisiert für noch mehr Miete.
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  • H. S.
    Damit ist die Mieterin sicherlich nicht alleine: Das Problem mit den Balkonen gibt es bei sehr vielen Häusern aus dieser Zeit. Und die sind teilweise wirklich einsturzgefährdet! Und nicht alle Schäden kann man auf den ersten Blick von außen erkennen.
    Der Vermieter kommt hier sehr wahrscheinlich nur seiner Sicherungspflicht nach, um Unfalle zu verhindern. Man kann sich gut vorstellen, was los wäre, wenn hier berichtet werden würde, das so ein Balkon abgestürzt, und dabei jemand zu Schaden gekommen wäre...
    In vielen Fällen besteht die Sanierung in der Maßnahme, dass die Balkone durch Stützen, die durch alle Balkone laufen, abgefangen werden. Doch auch das Problem mit dem derzeitig nicht verfügbaren Baumaterial ist nicht von der Hand zu weisen.
    Ob eine Mietminderung möglich ist, müsste man prüfen lassen: Wird der Balkon im Mietvertrag anteilig zur Wohnfläche angerechnet, oder nicht...
    Ist es nur eine vorübergehende Maßnahme... u.s.w.
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  • G. A.
    Miete mindern und die Rasenfläche vor dem Haus, als Ausgleich mitbenutzen. Mieterschutzbund um Hilfe/Beratung bitten.
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  • R. E.
    Wo die Rendite zählt, dauert die Sanierung länger. Wenn die Sanierung gelaufen ist, steigt die Miete. Ein ganz einfaches Prinzip.
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  • S. K.
    Grund für ne Mietminderung
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