Annabel Schnupp weiß genau, was sie will. Ihr Bauern- und Pferdehof vor den Toren von Ostheim ist dafür der Dreh- und Angelpunkt. "Ich brauche viele Tiere um mich und möchte mein eigener Chef sein", sagt die 29-Jährige. Doch ihre Pläne gehen weit darüber hinaus. Mit ihrer neuen Praxis für Naturheilkunde hat die Unterwaldbehrungerin ihr Interesse an alternativer Medizin zum Beruf gemacht, und für die Zukunft hat sie auf diesem Feld noch einiges vor.
Eigentlich hatte Annabel Schnupp einen ganz anderen Berufsweg eingeschlagen. Mit 16 machte sie eine Ausbildung zur Industriemechanikerin bei ZF in Schweinfurt, arbeitete danach in der Produktion. Doch die Arbeit füllte sie nicht aus. Viel mehr Spaß machte ihr der Zweitjob auf dem Bauernhof ihrer Großeltern. Neben der Landwirtschaft unterhielten Gertrud und Walter Schnupp einen Einstellstall für Pferde auf ihrem Aussiedlerhof in Ostheim. 2021 stieg die damals 24-jährige Annabel in den Stallbetrieb mit ein. Ein Jahr später kündigte sie ihren Job in der Industrie und machte den Hof zu ihrem Lebensmittelpunkt.
Annabel Schnupp lebt ihren Traum vom Landleben
Annabel Schnupp liebt das Landleben: "Ich möchte nicht in der Stadt wohnen. Ich bin so ein richtiges Landei", sagt die 29-Jährige. Tiere begleiten sie schon ihr Leben lang. "Ich hatte bereits als Kind eigene Pferde", sagt sie. Heute hält sie drei Pferde und zwei Ponys. Vier Schafe und ihre drei Katzen Kurt, Catler und Nüli machen ihren privaten Streichelzoo komplett. Zudem werden derzeit 16 Pferde in ihrem Stall versorgt. Vollpension für Pferde – das macht Arbeit. Und funktioniert nur im Zusammenspiel mit den Großeltern. Jeder packt da mit an, wo er gebraucht wird.
Doch der schöne Traum vom Landleben hat auch ein Manko: Allein vom Pferdestall kann die 29-Jährige nicht leben. Warum also nicht die Leidenschaft für alternative Medizin zum Beruf machen? Und den Hof um ein Standbein erweitern?
Ausbildung zur Heilpraktikerin via Fernstudium
"Schon seit meinem Ausstieg aus der Industrie war es mein Traum, auf dem Hof eine eigene Praxis für Naturheilkunde zu eröffnen", sagt Schnupp. Seit 2015 beschäftigt sie sich damit, Krankheiten und Beschwerden auf natürliche Weise zu heilen. Das kam nicht von ungefähr: Als Industriemechanikerin hatte sie mit einer Wirbelsäulenverkrümmung und Migräne zu kämpfen. "Ich wollte aber nicht nur Medikamente nehmen, sondern mit der Naturmedizin ganzheitlich ansetzen, um Körper, Geist und Seele in Einklang zu bringen."
Annabel Schnupp meldet sich zum Fernstudium an, drei Jahre dauert die Ausbildung zur Heilpraktikerin, die sie neben ihrem Job absolviert. Es folgen Weiterbildungen zur Verhaltenstherapeutin und Phytotherapeutin im Bereich Pflanzenheilkunde, sie lernt tiergestützte Therapieformen und die Behandlung von Beschwerden mit Akupunktur.
Hirnhautentzündung wirft Annabel Schnupp aus der Bahn
Doch dann wirft sie eine Krankheit zurück, die ihr nicht nur das Lernen erschwert, sondern ihre ganzen kognitiven Fähigkeiten außer Kraft setzt. Annabell Schnupp erkrankt an Borreliose. Aus der Infektion entwickelt sich eine Hirnhautentzündung, die lange nicht erkannt wird. Und die sie an sich zweifeln lässt: "Ich konnte mich nicht mehr konzentrieren, war total vergesslich, verwirrt und konnte Gesprächen einfach nicht mehr folgen", beschreibt sie ihr Krankheitsbild.
Erst als die Schmerzen unerträglich werden, kommt sie ins Krankenhaus. Die Nervenentzündung hatte sich weiter ausgebreitet und führte zu einer Gesichtslähmung, die mit starken Medikamenten behandelt wurde. Die Arbeit im Pferdestall hatten in dieser Zeit die Großeltern übernommen. "Sie haben alles abgefangen und mir viel geholfen", bedankt sich die 29-Jährige.
Nach den Prüfungen direkt in die Selbstständigkeit
Nach einem Jahr Leidenszeit war das Schlimmste überstanden, und die junge Frau konnte wieder lernen und sich der Erfüllung ihres beruflichen Traums widmen. Direkt nach den letzten Prüfungen wird sie nun in die Selbstständigkeit starten.
In ihrer Naturheilpraxis will Annabel Schnupp die Patienten ganzheitlich betrachten. "Dazu gehört auch die Psyche, auch wenn jemand mit körperlichen Beschwerden zu mir kommt", sagt die Heilpraktikerin. Sie macht aber auch klar deutlich, dass sie die Schulmedizin nicht ersetzen will. "Ich will vielmehr begleitend dazu arbeiten."
Mehr tiergestützte Therapieangebote sind geplant
Doch die junge Frau hat noch viel mehr vor. Im kommenden Jahr will sie an der Abendschule einen landwirtschaftlichen Crashkurs absolvieren. "Ich kenne mich mit Pferden aus, aber in der Landwirtschaft muss ich mich definitiv noch weiterbilden", hat sie für sich beschlossen. Auch das gehört zum Hofleben.
Ihre tiergestützte Therapie möchte sie gern ausbauen. Schon jetzt hat sie Projekte mit der Herbert-Meder-Schule in Unsleben und dem Sozialwerk in Meiningen gestartet. Unter anderem kommen hierbei Menschen mit psychischen Erkrankungen in Kontakt zu Tieren und dürfen auch auf dem Hof mithelfen. "Es ist schön zu sehen, wie die Menschen beim Umgang mit den Tieren aufblühen", sagt sie.
Ein Bauernhof-Kindergarten als nächstes Projekt?
Die Gründung eines Bauernhof-Kindergartens könnte sie sich ebenfalls vorstellen, wenn auch nicht unter eigener Trägerschaft. Ein solches Konzept läuft bereits erfolgreich in Großbardorf. "Aber das ist noch Zukunftsmusik", versichert Schnupp. Eher verwirklichen lässt sich da wohl ihr Traum vom Vermieten von Ferienwohnungen unter dem Motto "Gesundheits- und Entspannungsurlaub in Ostheim".
Einige Mieter hat Annabel Schnupp schon in direkter Nachbarschaft. Eine Senioren-Wohngemeinschaft mit zehn Plätzen lebt auf ihrem Hof und wird von einem Pflegedienst versorgt. Die junge Frau kommt aber auch gerne auf einen Besuch vorbei. Einmal die Woche ist gemeinsames Singen angesagt.
Tag der offenen Tür auf dem Wageshof in Ostheim
In den nächsten Tagen bereitet Annabel Schnupp alles für den Tag der offenen Tür auf ihrem Hof vor, der am Sonntag, 1. September, von 10 bis 18.30 Uhr stattfindet. Neben der offiziellen Praxiseröffnung gibt es um 11 und 14 Uhr auch zwei Hofführungen.
Ihren Betrieb hat Annabel Schnupp übrigens "Wageshof" genannt. Darin stecken unter anderen die Anfangsbuchstaben der Namen ihrer Großeltern, Walter und Gertrud Schnupp, sowie der Begriff "Wag es". Das trifft laut Schnupp genau auf ihr neues Leben zu: "Das ist für mich ein riesiges Abenteuer. Und ich freue mich auf alles, was kommt."