
Nach über drei Jahren Sitzungsarbeit läuft alles auf eine Neuwahl des Gemeinderates in Tauberbischofsheim hinaus. Wie der Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Mannheim bekannt gab, sei die Kommunalwahl vom 26. Mai 2019 ungültig. Der VGH wies damit eine Berufung des Landes Baden-Württemberg sowie der Kreisstadt gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts (VG) Stuttgart vom August vergangenen Jahres zurück.
In erster Instanz urteilte das Verwaltungsgericht damals, dass "die Klägerin in ihrem Recht auf entsprechende Repräsentation ihres Wohnbezirks im Gemeinderat verletzt sei". Das Land Baden-Württemberg, vertreten durch den Landkreis Main-Tauber, sei deshalb verpflichtet, die Wahl für ungültig zu erklären, was Neuwahlen zur Folge hätte. Sowohl Stadt als auch Landkreis legten jedoch Berufung gegen dieses Urteil ein. Ohne Erfolg, wie der VGH nun bekannt gab.
Bei der unechten Teilortswahl hat jeder Ortsteil einen festen Sitz im Gemeinderat
Wie Bürgermeisterin Anette Schmidt auf Anfrage dieser Redaktion erklärt, wird in Tauberbischofsheim nach den Grundsätzen der "unechten Teilortswahl" – einer Kommunalwahlregelung, die es nur in Baden-Württemberg gibt – gewählt. Demnach wird jedem Ortsbezirk eine feste Anzahl an Sitzen im Gemeinderat zugeteilt. Diese Gemeinderäte vertreten nur die dortigen Bürgerinnen und Bürger. Konkret bedeutet das, dass der Kernbezirk Tauberbischofsheim zwölf Sitze im Gemeinderat bekommt, jeder der sechs weiteren Wohnbezirke, unabhängig von der Größe, je einen.
Dagegen hatte eine Bürgerin aus Impfingen, einem relativ großen Tauberbischofsheimer Ortsteil, geklagt, weil sie sich im Gemeinderat nicht ausreichend repräsentiert sah. Das Verwaltungsgericht folgte vor einem Jahr der Argumentation der Klägerin, wonach "eine Stimme eines Bürgers aus einem kleineren Ortsteil mehr wert als die eines Bürgers aus einem größeren Ortsteil", sei. Das verstoße "gegen den Grundsatz der Gleichheit der Wahl".

"Wir haben Ortsteile mit 300 und Ortsteile mit über 1000 Einwohnern – und trotzdem nur einem Sitz", sagt Anette Schmidt, "da können wir die gerichtliche Entscheidung grundsätzlich nachvollziehen." Ob Stadt und Landkreis dennoch weitere Rechtsmittel gegen die Entscheidung des VGH einlegen werden, würde jetzt in enger Abstimmung, auch mit der Stuttgarter Landesregierung, geprüft.
Neuwahlen sind die wahrscheinlichste Lösung, aber nach welchem Verfahren?
Allerdings heißt es in einer Pressemitteilung der Kreisstadt: "Eine Neuwahl des Gemeinderates ist damit aktuell wahrscheinlich." Diese Tendenz bestätigt auch Bürgermeisterin Schmidt. In diesem Fall müsste die Wahl allerdings nicht nur wiederholt, sondern auch durch eine Satzungsänderung der Stadt umorganisiert werden.
"Der Gemeinderat müsste prüfen, ob die Sitzverteilung in der unechten Teilortswahl modifiziert wird oder ob wir sie abschaffen und durch eine Mehrheitswahl ersetzen", erklärt Anette Schmidt. Könnte man sich also nicht auf eine Anpassung der Verteilung einigen, würden alle Bürgerinnen und Bürger von Tauberbischofsheim eine gemeinsame Wahl mit Kandidatinnen und Kandidaten abhalten. Am Ende könnte dabei ein Ortsteil aber auch ganz ohne direkte Vertretung im Gemeinderat bleiben.
Die Neuwahl des Gemeinderats wäre nur ein Jahr vor der nächsten Kommunalwahl
Unabhängig davon, in welchem Verfahren der Gemeinderat dann gewählt werden würde, rechnet Anette Schmidt mit einem Termin für die Neuwahl erst im ersten Halbjahr 2023. Der dann neu zusammengesetzte Gemeinderat würde allerdings nur für etwa ein Jahr die Arbeit aufnehmen, weil 2024 in Baden-Württemberg wieder Kommunalwahlen sind und dieser Wahl-Rhythmus weiterhin gilt.
Auch wenn die Wahl des Gemeinderats für ungültig erklärt werden sollte und wiederholt werden müsste, das betont Anette Schmidt, blieben die seitdem getroffenen Beschlüsse rechtskräftig. Die Gemeindeordnung sehe darüber hinaus vor, dass der Gemeinderat geschäftsführend im Amt bliebe, "damit laufende Entscheidungen getroffen werden können und die Stadt handlungsfähig bleibt".
Welche Folgen hat das Urteil für andere Kommunen?
Der Verwaltungsgerichtshof bekräftigte in seinem Urteil, dass die unechte Teilortswahl grundsätzlich verfassungskonform sei. Er bemängelte lediglich, dass die Anzahl der Sitze in Tauberbischofsheim nicht den örtlichen Verhältnissen und Bevölkerungszahlen entsprechen würden.
Die Kreisstadt Tauberbischofsheim warnt deswegen vor "möglichen Auswirkungen für andere Städte und Gemeinden mit unechter Teilortswahl in Baden-Württemberg". Das bestätigt auch Markus Moll, Pressesprecher vom Landratsamt Main-Tauber: "Es ist jetzt die Aufgabe der Kommunen, die Verteilung der Stimmen auf die Ortsteile zu überprüfen und gegebenenfalls zu optimieren."