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Tauberbischofsheim
Bis zu 40.000 Euro Zusatzkosten: Welche Folgen die ungültige Gemeinderatswahl für Tauberbischofsheim hat
Mangelnde Repräsentation der verschiedenen Ortsteile führt zur Neuwahl des Gemeinderats Tauberbischofsheim. Alle Antworten zu dem Urteil mit Signalwirkung.
Auf einer Pressekonferenz informierten Bürgermeisterin Anette Schmidt (Mitte) und Michael Haas, Kommunalamtsleiter des Landratsamts, über die anstehende Neuwahl in Tauberbischofsheim.
Foto: Thomas Obermeier | Auf einer Pressekonferenz informierten Bürgermeisterin Anette Schmidt (Mitte) und Michael Haas, Kommunalamtsleiter des Landratsamts, über die anstehende Neuwahl in Tauberbischofsheim.
Christoph Sommer
 |  aktualisiert: 10.05.2023 09:48 Uhr

Die Stadt Tauberbischofsheim und der Landkreis Main-Tauber verzichten auf weitere Rechtsmittel gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) in Mannheim, wonach die Gemeinderatswahl 2019 für ungültig erklärt werden muss. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz erklärten Stadt und Landratsamt am Mittwoch, wie es dazu kommen konnte, wie es weiter geht und welche Folgen das Urteil für die vielen Gemeinden hat, die das gleiche Wahlsystem nutzen.

Wie funktionierte die Gemeinderatswahl in Tauberbischofsheim und warum ist sie ungültig?

In Tauberbischofsheim wird nach der sogenannten "unechten Teilortswahl", einer baden-württembergischen Besonderheit, gewählt. Das bedeutet, dass Ortsteilen ein fester Sitz im Gemeinderat zugesichert wird. Wie die Tauberbischofsheimer Bürgermeisterin Anette Schmidt (CDU) erklärt, wurde die bis dato geltende Verteilung der Sitze – die Kernstadt bekommt zwölf, jeder der sechs Ortsteile jeweils einen Sitz – schon 1999 in der Satzung der Stadt festgelegt.

Eine Bürgerin des relativ großen Ortsteils Impfingen fühlte sich nach der Kommunalwahl am 26. Mai 2019 durch diese Verteilung in ihrer demokratischen Repräsentation verletzt und klagte vor dem Verwaltungsgericht, das ihr Recht gab. Gegen das Urteil, wonach die Sitzverteilung "gegen den Grundsatz der Gleichheit der Wahl" verstoße, legten Stadt und Landratsamt Berufung vor dem VGH ein, die jedoch im Juli 2022 abgelehnt wurde und inzwischen rechtskräftig ist. Nach über drei Jahren muss der Gemeinderat also neu gewählt werden.

Sind die Tauberbischofsheimer Gemeinderatsbeschlüsse der letzten drei Jahre ungültig?

"Alle Beschlüsse des Gemeinderats seit 2019 sind weiter gültig", versichert Michael Haas vom Landratsamt Main-Tauber. Auch bis zur Neuwahl des Gemeinderats bleibe der aktuelle geschäftsführend im Amt. Der Amtsleiter des Kommunal- und Rechnungsprüfungsamtes erklärt, dass laufende Arbeiten der Stadt weitergeführt, darüber hinaus jedoch lediglich dringliche Aufgaben, wie etwa die Verabschiedung des Haushalts, erledigt werden dürfen.

"Alle Beschlüsse des Gemeinderats seit 2019 sind weiter gültig."
Michael Haas, Landratsamt Main-Tauber

Die einzige Folge der Entscheidung des VGH sei, dass nun möglichst bald Neuwahlen organisiert werden müssten. Dabei rechnet Michael Haas mit Kosten von 30 bis 40.000 Euro. Hinzu kämen die Kosten für die Gerichtsverfahren, die sich Stadt und Landratsamt teilen, und die sich in einem mittleren vierstelligen Bereich befänden.

Wie sieht der Zeitplan bis zu den anstehenden Neuwahlen in Tauberbischofsheim aus?

Das Urteil des VGH verpflichtet das Landratsamt als Wahlaufsichtsbehörde dazu, die Wahl für ungültig zu erklären. Laut Michael Haas sei dies mit einer Verfügung am 5. September geplant. Daraufhin sei der aktuelle Gemeinderat offiziell aufgerufen, Neuwahlen zu organisieren.

Wie Bürgermeisterin Anette Schmidt erklärt, ist dafür eine Satzungsänderung der Stadt notwendig. Diese sei für die nächste Sitzung des Gemeinderats am 28. September geplant. Dann gelte es, die Fristen und Vorlaufzeiten einer Wahl zu kalkulieren, um einen Termin für die Neuwahl zeitnah festzulegen. Momentan rechnet sie mit einem Wahltermin zwischen dem 28. Dezember 2022 und dem 23. April 2023.

Nach welchem Verfahren findet die geplante Neuwahl in Tauberbischofsheim statt?

Für die Neuwahl in Tauberbischofsheim müssten, so Anette Schmidt, grundsätzlich die Regularien der ursprünglichen Wahl 2019 gelten – bis auf die gerichtlich gerügte Verteilung. Die Bürgermeisterin erklärt, dass die Wahl demnach weiterhin nach den Grundsätzen der unechten Teilortswahl stattfinden müsse, jedoch die Sitzverteilung angepasst werde.

Aktuell würden verschiedene Rechenmodelle überprüft, "aber egal wie wir rechen, es wird immer zu erheblichen Abweichungen der Repräsentationsquoten kommen", so Schmidt weiter. Bei so unterschiedlichen Einwohnerzahlen der Ortsteile und einer auf 26 Sitze begrenzten Größe des Gemeinderats sei es schlichtweg unmöglich, die Sitze genau nach Einwohnerzahl zu verteilen. Es ginge deshalb lediglich darum, die am wenigsten ungerechte Lösung zu finden.

Steht damit die unechte Teilortswahl in Tauberbischhofsheim vor dem Aus?

Mit Blick auf die bereits Mitte 2024 stattfindende Kommunalwahl - der Fünfjahresrhythmus bleibt von der Neuwahl unberührt - steht aber auch die Weiterführung der unechten Teilortswahl grundsätzlich auf dem Prüfstand. "Es verbleibt auch nach dem Urteil leider eine Rechtsunsicherheit", bestätigt Michael Haas. 

"Es verbleibt auch nach dem Urteil leider eine Rechtsunsicherheit."
Michael Haas, Landratsamt Main-Tauber

Er verweist darauf, dass laut Innenministerium das Verhältnis von Einwohnerzahl zu Gemeinderatssitzen, lediglich um 20 Prozent, in Ausnahmefällen um 30 Prozent vom rechnerischen Ideal abweichen dürften. "Mit dieser Abweichung von 20 Prozent gibt es keine Lösung, die passt", stellt Anette Schmidt klar, weshalb der Gemeinderat sich nach der Neuwahl grundsätzlich mit dem Wahlverfahren für die nächste Wahl beschäftigen müsse.

Welche Folgen hat das Tauberbischofsheimer Urteil Urteil für Baden-Württemberg?

"Die Entscheidung wird für Unruhe und Nervosität bei anderen Gemeinden mit unechter Teilortswahl sorgen", warnt Michael Haas vom Landratsamt Main-Tauber. In ganz Baden-Württemberg betreffe das etwa 35 Prozent aller Gemeinden, darunter auch 16 der 18 Gemeinden im Landkreis Main-Tauber.

 
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  • C. L.
    Die Haftung sollten die verantwortlichen aus der Verwaltung haben, dafür werden sie bezahlt. Zumindest deren Dienstherrn. Dafür sollten dann Veranstaltungen der gesellschaftlichen Art geringer ausfallen.
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