Alle Lämmer einer Schafherde in Rengersbrunn riss Ende Mai ein Wolf, Anfang August wurden zwei Schafe im Habichsthal gerissen. Was bedeutet das für die Weidehaltung, für Schäfer und Rinderhalterinnen, aber auch für Ponybesitzer und Alpakafans? Die Antwort des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) ist derzeit vor allem: Zäune bauen.
"Es gibt in erster Linie eine Förderung für einen wolfsabweisenden Zaun", sagt Bettina Bötsch. Sie berät am AELF Karlstadt zur Förderung für "Investitionen beim Herdenschutz Wolf". Bei Schafen oder Ziegen seien das meist mobile Zäune, aber auch feste Zäune könnten gefördert werden. Für einen solchen Zaun haben sich der Rinderhalter Marco Blum und sein Sohn Julian entschieden.
65 Rinder umfasst ihr Betrieb, 50 davon stehen auf Weideflächen rund um Mittelsinn und Obersinn. Einzig die Jungbullen sind in einem Stall untergebracht; für die eigne sich die Weidehaltung nicht so gut. Im November 2021 haben sie zehn Hektar Fläche eingezäunt. Zwei Kilometer Zaun sind das, jeweils fünf Stahlstreben, sogenannte Litzen, übereinander. Die Herde ist weitab vom Wohnhaus, über dem Dorf; ringsum viel Wald.
Dieses Jahr steht eine gute Quote innerhalb des wolfssicheren Zauns, 40 Rinder. Letztes Jahr sei die ganze Herde ohne Wolfszaun in Obersinn gewesen, weil zu wenig Gras gewachsen war. All ihre Flächen konnten die beiden nicht mit dem starken Elektrozaun umzäunen: Der Zaun müsse zehn Jahre genutzt werden, was es bei Pachtflächen schwierig mache. Und wenn Flächen noch nicht so lange als Weideland gelten, gebe es eine geringere Förderung. Die Zäune selbst finanzieren? "Da muss man dann doch überlegen, ob sich das irgendwo rentiert – muss man auch mal so ehrlich sagen", sagt Julian Blum. Etwa 25.000 Euro hätte ihr komplett geförderter Wolfszaun gekostet, weiß sein Vater.
Erst nach einem Wolfsriss gibt es Förderungen in dem Gebiet
Eine Förderung gebe es nicht flächendeckend, sondern grundsätzlich nur in der ausgewiesenen Förderkulisse, erklärt Bötsch vom AELF. "Da muss vorher immer ein Wolfsriss gewesen sein oder Nachweise, dass sich da ein Wolf niedergelassen hat", sagt sie. Burgsinn, Mittelsinn und Obersinn seien schon länger auf der Liste förderfähiger Gebiete, unter anderem aber auch die Gemeinden Frammersbach, Neuhütten, Partenstein, Rieneck, Aura und Fellen.
Das LfU hat auf den Wolfsriss Anfang August reagiert und ein sogenanntes Ereignisgebiet um den betreffenden Standort eingerichtet, wie ein Sprecher schreibt. Konkret umfasse das Gebiet nun den nordöstlichen Landkreis Aschaffenburg und den westlichen Landkreis Main-Spessart.
Außer den Zäunen seien Bötsch zufolge Mobilställe für Schafe oder Ziegen förderfähig. Die Tiere abends wolfsicher einzusperren und morgens wieder hinauszulassen, sei allerdings ein zusätzlicher Aufwand für die Tierhalter. Für Kleinpferde und Ponys, für Gehegewild, Lamas und Alpakas sei außerdem eine eingeschränkte Förderung möglich; meist eine Nachrüstung bestehender Zäune. Unter den Zäunen müsse regelmäßig gemäht werden, damit diese die elektrische Schlagkraft behalten. "Das muss man von Hand machen, mit einem Freischneider. Das ist natürlich tagelange Arbeit", sagt Bötsch.
Das kann Julian Blum bestätigen, der Büsche und Gras um die Weide seiner Rinder schon mehrmals zurückgeschnitten hat. Der Zaun ist eine Präventionsmaßnahme, um die neugeborenen Kälber vor Wolfsangriffen zu schützen. "In Altengronau oder Neuengronau, das sind vielleicht sechs Kilometer Luftlinie, sind angeblich schon Kälber gerissen worden. Die Gefahr sehen wir schon; wir hatten halt bis jetzt noch Glück", schätzt er die Lage ein.
Landwirt sieht keine Alternative zur Weidehaltung
Im Jahr kommen etwa 25 Kälber dazu, alle zwei bis drei Jahre muss ein neuer Deckbulle her. Bei dieser Betriebsgröße würden schon zwei bis drei fehlende Kälber pro Jahr die Wirtschaftlichkeit auf die Probe stellen, rechnet Julian Blum aus. Dabei wollen er und sein Vater auf jeden Fall in die Zukunft planen: Der 22-jährige Sohn macht gerade seinen Landwirtschafts-Meister. Er will die Weidehaltung beibehalten. "Alles andere macht ja keinen Sinn bei uns", sagt er mit Blick auf die steilen Flächen und wenig Ackerland.
"Die Weidehaltung lebt davon, dass man Kälber großzieht. Das ist der einzige Ertrag", weiß auch Elmar Konrad vom Bauernverband (BBV). In seinem Zuständigkeitsbereich Aschaffenburg, Miltenberg und Main-Spessart hätten sich schon Landwirte mit Sorgen an den BBV gewandt. "Es gibt viele, die riesig Angst haben. Es gibt auch viele, die deswegen aufhören werden." Nicht zu wissen, was einen beim Gang zur Weide erwartet – mit diesem Unbehagen lebe keiner auf Dauer, meint Konrad.
Er glaubt allerdings auch, dass Wölfe lernen würden, die Zäune zu überwinden. "Man sollte wolfsfreie Gebiete organisieren. Und das sind die Gebiete, wo Weidehaltung stattfindet", sagt Konrad. Der Wolf sei schlau und würde lernen, im Wald zu bleiben. "Ich habe nichts gegen den Wolf, wenn der irgendwo in großen Waldgebieten ist", sagt Marco Blum. Bleibt abzuwarten, ob es tatsächlich erneut einen Wolfsriss im Sinngrund geben wird: Tauche der Wolf über mehrere Monate in einem Gebiet nicht mehr auf, könne sich die Förderkulisse Bötsch zufolge wieder verkleinern.