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Habichsthal
Wolfsriss in Habichtsthal: Geht bei den Tierhaltern nun die Angst um?
Der Wolf – hier ein Grauwolf in einem Gehege in Niedersachsen – treibt derzeit die heimische Region um.
Foto: Sina Schuldt/dpa | Der Wolf – hier ein Grauwolf in einem Gehege in Niedersachsen – treibt derzeit die heimische Region um.
Annette Helfmann
 |  aktualisiert: 07.09.2023 04:05 Uhr

Nach dem Riss zweier Schafe durch eine Wölfin Anfang August haben wir in Habichsthal nachgehört: Wie gehen die Schafhalter mit der Situation um? Haben Spaziergänger Angst vor dem Raubtier? Und was sagen die Forstbetriebe und das Landesamt für Umwelt?

Seit Januar wurde die identifizierte Wölfin mehrfach in Hessen anhand von Nutztierrissen nachgewiesen. Den materiellen Schaden durch den Wolfsriss bekommt der betroffene Landwirt, der anonym bleiben will, ersetzt. Aktuell bringt er seine Herde mit den 17 Schafen vorsichtshalber jeden Abend in den Stall und lässt sie morgens wieder raus. Um sie künftig auf der Weide besser vor dem Wolf zu schützen, hat er beim Landwirtschaftsamt um eine Empfehlung nachgefragt.

Hält der Zaun den Wolf ab?

Auch Berit Arendt trifft Vorkehrungen. Sie hält in Habichsthal sieben Ouessant-Schafe, die direkt hinter dem Haus als Landschaftspfleger am Hang eingesetzt werden. Es handelt sich um eine robuste Rasse, die ganzjährig draußen bleiben kann. Der Zaun ist aktuell so ausgelegt, dass er einem Hund standhält. Jetzt überlegt Arendt, wie sie den Zaun verbessern kann, dass er auch Sicherheit vor dem Wolf bietet. Die Bibermanagerin für Nordbayern ist auch im Wildtiermanagement beim Bund Naturschutz tätig und weiß: "Wenn ein Wildtier Hunger hat, versucht es, an leichte Beute zu kommen." Eine Schafsherde wirke da wie ein gedecktes Buffet.

Einige der Schafe von Peter Amend: Zurzeit zieht der Schäfermeister aus Neuendorf mit seiner etwa 500-köpfigen Herde über die Habichsthaler Flur. Bislang seien seine Tiere ruhig, sagt er.
Foto: Annette Helfmann | Einige der Schafe von Peter Amend: Zurzeit zieht der Schäfermeister aus Neuendorf mit seiner etwa 500-köpfigen Herde über die Habichsthaler Flur. Bislang seien seine Tiere ruhig, sagt er.

Eine Herde ganz anderer Größe hat Schäfermeister Peter Amend aus Neuendorf. Aktuell zieht der Wanderschäfer mit seiner rund 500-köpfigen Herde über die Habichsthaler Flur. Bis jetzt kam es zu keinem Vorfall. Die Tiere seien ruhig, sagt er. Trotzdem überlege er, Vorsorge zu treffen.

Die einzige Möglichkeit des Herdenschutzes sei, auf den Elektrozaun "richtig Strom" zu geben. Eine andere Möglichkeit sehe er derzeit nicht. Ein höherer Zaun sei denkbar, aber schwer umzusetzen, da Amend seine Herde jeden Tag auf eine neue Fläche führt: Zwei Hektar zäunt er jeden Tag neu ein. Um so höher der Zaun, um so schwerer werde auch die Zaunrolle, die es umzusetzen gelte.

Eine Dauerbehirtung sei nicht praktikabel. Ein Herdenschutzhund koste eine vierstellige Summe und sei in der Nähe von Spaziergängern und Wohnbebauung schwierig einzusetzen, da er belle, wenn sich ein Lebewesen der Herde nähert. Amend spricht sich für eine Bejagung des Wolfes aus, damit "er Respekt kriegt" und lerne, wo er nicht hindürfe.

Erster Schreck abgeklungen

Stichprobenartig befragte Spaziergänger in Habichsthal sehen das Thema Wolf entspannt: Am ersten Tag nach Bekanntwerden sei schon ein mulmiges Gefühl da gewesen, sagt Roswitha Schäfer, die täglich mit ihrem Hund spazieren geht und diesen stets an der Leine führt. Angst habe sie nicht, aber am ersten Tag habe sie sich gedacht: "Da oben läufst du heute mal nicht." Jetzt sei der erste Schreck wieder abgeklungen.

Viel präsenter als der Wolf sei ihr die Erinnerung an das Thema Fuchstollwut in der Zeit ihres Aufwachsens: Damals wurde man ständig vor der Bedrohung durch den Fuchs gewarnt. Heute sei das alles kein Thema mehr.

Auch die jungen Mütter Eva Kunkel und Isabelle Büdel gehen täglich mit ihren sieben und zehn Monate alten Kindern spazieren. Mit dabei ist auch immer Kunkels Hund: "Ich finde es schon beängstigend. Nicht dass er mich angreift, aber ich habe keine Ahnung, wie sich Wölfe zu Hunden verhalten", sagt Kunkel. Beide Frauen fühlen sich trotzdem grundsätzlich sicher – und in der Abenddämmerung sind sie sowieso nicht mehr unterwegs. Vor der Geburt ihrer Tochter joggte Büdel regelmäßig am Abend. Damals habe sie wegen der Wildschweine durchaus Bedenken gehabt, ergänzt sie. Aber tagsüber mit dem Kinderwagen "um die Höh'" zu laufen sei kein Problem.

Das Landesamt für Umwelt (LfU), das Wolfssichtungen und -risse protokolliert, gibt ebenfalls Entwarnung. "Der Wolf ist von Natur aus vorsichtig und weicht dem Menschen aus. Seit der erneuten Anwesenheit von Wölfen in Deutschland hat es keinen Angriff auf Menschen durch Wölfe gegeben", teilt das LfU mit.

Diese Einschätzung bestätigt der Leiter des Forstbetriebs Heigenbrücken, Maurice Schwarz: Vor seiner Tätigkeit im Spessart war er im Raum Pegnitz tätig. Dort war ein ganzes Rudel Wölfe angesiedelt. Es sei nie etwas mit Fußgängern oder Hunden passiert, blickt Schwarz zurück. Auch aus forstbetrieblicher Sicht stelle der Wolf kein Problem dar. Zum einen, weil die Staatsforsten beim Thema Wald eine Vielzahl an Belangen zu berücksichtigen haben. Dazu gehöre auch der Natur- und Artenschutz, erklärt Schwarz.

Sehr große Reviere

Zum anderen haben Wölfe große Reviere – ähnlich denen eines Luchses, der ebenfalls bereits im Forstbetrieb sein Streifgebiet hat. Ein Streifgebiet könne größer sein als die gesamte Fläche des Forstbetriebs Heigenbrücken mit 5000 Hektar. Es sei also unwahrscheinlich, dass sich der Wolf gleichzeitig überall in seinem Revier aufhalte.

Aus jagdlicher Sicht stellt er fest, dass die Staatsforsten die Flächen eigenständig bejagten und auf einen dem Lebensraum angepassten Wildbestand bedacht seien. Der Wildbestand sei aktuell hoch, so dass es kein Problem sei, wenn ein Wolf einmal ein Wild reiße. Ärgerlich könne es indes für einen Jagdpächter sein, der vorgegebene Abschusszahlen habe. Jedes tote Wildtier, sei es durch Unfall oder Riss, das in seiner Pacht aufgefunden wird, wird auf die Abschusszahlen angerechnet.

In unserer Recherche zum Thema Wolf tauchte an anderer Stelle auch ein neues Argument auf: Im Wolf habe der Waschbär einen natürlich Feind gefunden.

Wolfssichtungen melden

Das Bayerische Landesamt für Umwelt (LfU) bittet, Hinweise zu Wolf, Luchs und Bär an die Fachstelle für Große Beutegreifer unter fachstelle-gb@lfu.bayern.de zu melden. Alle Wolfsnachweise sind auf der Internetseite des LfU nachzulesen.
Für Schafhalter, deren Herde von einem Wolfsriss betroffen ist, gilt, dass der Freistaat an der Seite der Weidetierhalter steht, teilt das LfU mit. Im Falle eines Nutztierrisses durch einen Wolf werde der entstandene Schaden zu 100 Prozent ausgeglichen. Betroffene werden dazu von der Fachstelle Große Beutegreifer im Bayerischen Landesamt für Umwelt automatisch kontaktiert, informiert das LfU.
Quelle: (meahe)
 
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