
Unter anderem die Gemeinden Holzkirchen und Triefenstein haben derzeit die Möglichkeit, für den geplanten Windpark Dertingen an der nördlichen Spitze Baden-Württembergs als Träger öffentlicher Belange Stellung zu nehmen. Die Gemarkungen des Holzkirchener Gemeindeteils Wüstenzell sowie von Homburg (Triefenstein) grenzen direkt dort an.
Das Unternehmen Thüga Erneuerbare Energien (THEE) plant den Bau von fünf Windkraftanlagen auf der "Hohen Heide". Die Windräder sollen je 285 Meter hoch sein, der Rotordurchmesser bei je 172 Metern liegen.
Warum werden Gemeinden erst jetzt als Träger öffentlicher Belange gehört?
Holzkirchens Bürgermeister Daniel Bachmann sowie seine Kollegin Kerstin Deckenbrock aus Triefenstein bemängeln, dass ihnen nur eine relative kurze Zeit eingeräumt wurde, eine Stellungnahme abzugeben. Am 5. beziehungsweise 6. Dezember hätten sie vom Landratsamt Main-Tauber per Post vier Aktenordner zu dem Bauvorhaben erhalten. Bis zum 10. Januar 2025 hätten sie Zeit, eine Stellungnahme abzugeben.
Und das, obwohl der Behörde in Tauberbischofsheim die Bauunterlagen bereits seit Juli vorliegen würden, so die Ortsoberhäupter. Hierzu sagt eine Sprecherin des Landratsamts Main-Tauber, dass eingereichte Unterlagen von verschiedenen Fachbehörden auf ihre Vollständigkeit hin überprüft werden müssten und es gegebenenfalls zu Nachforderung von Unterlagen kommen kann. Erst Ende November seien die Unterlagen vollständig gewesen.
Kurze Frist für eine Stellungnahme zum geplanten Bau von Windkraftanlagen
Letztlich blieben – aufgrund der Urlaubszeit zu Weihnachten und dem Jahreswechsel – nur wenige Tage, die umfangreichen Akten zu studieren, zu beurteilen und fundiert Stellung zu nehmen, so die beiden Bürgermeister. Ob eine juristische Beratung für die beiden Gemeinden möglich ist, sei noch nicht abschließend geklärt. Unter anderem aus diesem Grund haben die Bürgermeister die zuständigen Vertreter im Landtag beziehungsweise dem Bundestag sowie die Landräte um Unterstützung gebeten.
Eine Möglichkeit zur Fristverlängerung sieht der Gesetzgeber in diesem Fall nicht vor. Björn Jungbauer, CSU-Landtagsabgeordnete für den Stimmkreis Würzburg-Land, sowie Würzburgs Landrat Thomas Eberth baten in zwei Schreiben, die dieser Redaktion vorliegen, bei Main-Tauber-Landrat Christoph Schauder um eine freiwillige Fristverlängerung. Jungbauer betont, er teile die Auffassung, dass der Zeitraum für die Beteiligung der Gemeinde über die Weihnachtszeit "mehr als unglücklich gelegt wurde".
"Ausdrücklich begrüße ich daher die Bitte einer Verlängerung der Öffentlichkeitsbeteiligung, damit die Sachbehandlung und Vorbereitung der Stellungnahme in einer angemessenen Form erfolgen kann", so der Abgeordnete. Doch die weiteren Bitten halfen nicht. Prompt lehnte der Landkreis Main-Tauber den Antrag auf Fristverlängerung abermals ab, teilten Bachmann und Jungbauer mit. Als Begründung wird angeführt, dass der Gesetzgeber auch keine freiwillige Fristverlängerung zulasse.
In einem Antwortschreiben des Main-Tauber-Kreises an Landrath Eberth heißt es jedoch auch, der Kreis werden an den Stellen, an denen eine "pragmatische Verfahrensführung" möglich ist, Handlungsspielräume nutzen.
Main-Spessarts Landrätin Sabine Sitter wollte sich auf die Frage, ob und wie sie die Gemeinde Triefenstein in diesem Fall unterstützt, nicht äußern, teilte Pressesprecher Markus Rill mit.
Widerstand gegen fünf 285 Meter hohe Windkraftanlagen
Widerstand gegen den geplanten Windpark regt sich seit längerem sowohl in Homburg als auch in Wüstenzell. Darüber hatte diese Redaktion in der Vergangenheit bereits mehrfach berichtet. So gab es beispielsweise im Mai 2023 eine Infoveranstaltung für die Eigentümer der Grundstücke, die bebaut werden sollen. Ein Teilnehmer monierte im Nachhinein, dass die Anwesenden nicht umrissen hätten, welche Lärmauswirkungen und Beeinträchtigungen durch Schattenwurf die geplanten Anlagen auf Homburg haben könnten.
Die beiden Bürgermeister kritisierten im September 2023 gegenüber dieser Redaktion, dass sie weder vom zukünftigen Betreiber, noch der Stadt Wertheim Informationen zu den Plänen erhalten hätten. Erst zum Jahresende erhielten sie nähere Informationen. Damals war bereits bekannt, dass die Abstände zwischen dem Standort der Windräder und den Ortsrand-Häusern in Wüstenzell und Homburg jeweils weniger als einen Kilometer betragen werden.

Für Abstandsregelungen gilt Baden-Württembergisches Recht
Vom Bayerischen Landesamt für Umwelt heißt es dazu: Es gelte das Recht Baden-Württembergs. Für Bebauungen nahe der Landesgrenze zu Bayern gibt es demnach keine Sonderregelungen. "Rechtlich sind die Windräder deshalb nicht zu beanstanden", so Thorsten Schwab, Landtagsabgeordneter (CSU) für Main-Spessart. CSU-Bundestagsabgeordneter Alexander Hoffmann (MdB) sagt dazu: "Die unterschiedlichen Mindestabstandsregelungen zwischen den Bundesländern sind ein bekanntes Problem." Er plädiert dafür, bundesweit einheitliche und transparente Regeln zu schaffen, um Planungen zu erleichtern und Konflikte zu vermeiden.
Bachmann befürchtet zudem Lärmbelastungen durch die rotierenden Flügel der Windkraftanlagen. Seiner Meinung nach sind die Messpunkte zu wohlwollend dem Bauträger gegenüber gewählt. Er rechne vor allem nachts mit Überschreitungen der zulässigen Werte. "Sollte dies so zutreffend sein, erwarte ich, dass diesem Umstand im Rahmen des Genehmigungsverfahrens auf Grundlage der rechtlichen Grundlagen in Form von Bedingungen/Auflagen oder im begründeten Extremfall der Versagung einer Genehmigung getragen wird", so Jungbauer.
MdB Hoffmann ergänzt: "Auch wenn die Gutachten keine größeren Beeinträchtigungen auf baden-württembergischer Seite sehen, müssen die Bedenken der Gemeinde Triefenstein ernst genommen werden." Er sagt, sein Büro habe bereits Kontakt mit Bürgermeisterin Deckenbrock aufgenommen und werde den Prozess so begleiten, dass alle formalen Anforderungen erfüllt würden.