
Für die geplanten fünf Windkraftanlagen im Windpark Dertingen hat der zukünftige Betreiber Thüga Erneuerbare Energien (THEE) Ende des Jahres 2023 den Bürgermeistern der benachbarten Gemeinden die anvisierten Standorte der einzelnen Windräder mitgeteilt. Diese sollen jeweils 285 Meter hoch werden und 36 Megawatt Gesamtleistung erbringen. Baubeginn auf der "Hohen Heide" ist für das Jahr 2025 geplant, die Inbetriebnahme im darauffolgenden Jahr. Entsprechende Planungsskizzen liegen dieser Redaktion vor.
Demnach wird der Abstand des Windrads, das am nordöstlichen Rand der 60 Hektar großen Fläche stehen soll, 915 Meter zur Bebauung von Triefensteins Ortsteil Homburg betragen. Das südwestlich geplante Windrad ist 810 Meter von Wüstenzell (Gemeinde Holzkirchen) entfernt. Bis zum Remlinger Weiler Hüterhaus sind es 801 Meter. Weil die Windräder auf der Gemarkung von Baden-Württemberg stehen werden, gilt deren Recht. Und das erlaubt – anders als in Bayern – einen Abstand von weniger als 1000 Meter zur nächsten Wohnbebauung.
Noch nicht alle Eigentümer haben Nutzungsvertrag für Windkraftanlagen unterschrieben
Bis auf einen hätten alle der 60 Grundstückseigentümer den Nutzungsvertrag mit Thüga unterschrieben, sagt Hans Schwab aus Wüstenzell. Er ist einer der Geschäftsführer der Grundstückseigentums-Gesellschaft. Der zögernde Eigentümer wolle noch ein klärendes Gespräch mit der Planerin führen, so Schwab und ist zuversichtlich, dass er danach unterschreiben werde. "Nach aktuellem Stand ist die Fläche ausreichend für die Umsetzung von vier Windenergieanlagen", sagt Detlef Hug, Pressesprecher bei Thüga.
Nach Schwabs Meinung hätten die Grundstückseigentümer keine Nachteile durch die Windräder. Die Flächen seien nicht lukrativer zu nutzen. Er rechne nicht damit, dass die Windkraftanlagen die Lebensqualität in Wüstenzell beeinträchtigen würden.

Senger: Viele können sich nicht vorstellen, wie hoch 285 Meter sind
Kerstin Senger sieht das anders. Sie wohnt in der Ringstraße. "Wenn ich zukünftig auf der Couch liege, werde ich durch das Wohnzimmerfenster genau auf eines der Windräder blicken", sagt sie. Es könne nicht gesund sein, wenn man ständig das rote Blinklicht und die sich drehenden Rotorblätter sehe, "ganz zu schweigen von dem Schattenwurf und der Lärmbelästigung". Sie ist der Meinung, dass man die Windräder von den meisten Häusern in Wüstenzell aus sehen wird. "Ich glaube, viele Menschen können sich gar nicht vorstellen, wie hoch 285 Meter sind."
Sie rechnet damit, dass ihres und das Haus ihrer Nachbarn zukünftig an Wert verliert. "Das wird uns niemand ersetzen und es interessiert auch keinen", ärgert sie sich. Sie bemängelt eine fehlende Rücksichtnahme von Seiten Wertheims als Nachbargemeinde, die das Vorranggebiet für Windkraft an der Landesgrenze zu Bayern platzierte.
Widerstand durch Unterschriftenliste kann Bauvorhaben nicht verhindern
Senger bedauert, dass den betroffenen Gemeinden die Handhabe fehlt, gegen die Platzierung der Windkraftanlagen in direkter Nachbarschaft vorzugehen. Selbst ein massiver Widerstand von Bürgerinnen und Bürger, etwa durch eine Unterschriftenliste, könne das Bauvorhaben nicht verhindern.
Laut Informationen von Thüga werde derzeit an einem Umweltgutachten gearbeitet. Auch technische Untersuchungen würden durchgeführt. Holzkirchens Bürgermeister Daniel Bachmann sagt, ihn würde insbesondere das Gutachten hinsichtlich Schall und Schatten interessieren, da ihm gegenüber diesbezüglich die größten Bedenken durch Wüstenzeller Bürgerinnen und Bürger geäußert wurden.
Planungsunterlagen sollen im März zur Genehmigung eingereicht werden
Die bislang erhaltenen Vorergebnisse der Untersuchungen würden zeigen, dass der Betrieb des Windparks ohne nennenswerte Einschränkung möglich sein wird, sagt Hug. Im Oktober 2023 hieß es, dass bis Ende des Jahres der Bauantrag nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz erfolgen solle. Mit dem Zeitplan sei man derzeit sechs Monate in Verzug, so Hug. "Bislang wurden keine Unterlagen eingereicht. Wir arbeiten aktuell mit Hochdruck an der Finalisierung der entsprechenden Dokumente." Sie sollen voraussichtlich im März eingereicht werden.
"Aufgrund des politisch gewollten verstärkten Ausbaus der Windenergie besteht eine sehr starke Nachfrage bei Dienstleistern und Gutachtern", erklärt er. Deshalb nehme die Erstellung der Unterlagen mehr Zeit in Anspruch.
Deckenbrock: Benachteiligung aufgrund der geografischen Lage Triefensteins
Schon bei der Ausweisung der Windkraft-Vorrangflächen habe es im Holzkirchner und im Triefensteiner Gemeinderat 2014 Bedenken gegeben, so die Ortsoberhäupter. Daran habe sich bis heute nichts geändert. Die Bedenken, die der Triefensteiner Gemeinderat in der ersten Planungsphase äußerte, seien nach wie vor aktuell, so Bürgermeisterin Kerstin Deckenbrock. Sie störe sich massiv daran, dass die Rechtslage bundeslandspezifisch gilt. "Wir werden hier benachteiligt, weil wir an der Grenze zu Baden-Württemberg liegen."
Für sie sei es mitunter schwierig, den Bürgerinnen und Bürgern zu vermitteln, warum sie keine näheren Auskünfte geben kann. "Sie wissen oftmals nicht, dass wir auf solche Bauvorhaben keinen Einfluss haben", so Deckenbrock. Wenn es baurechtlich keine Gründe gibt, die dagegen sprechen, müsse der Gemeinderat dem Bauvorhaben zustimmen beziehungsweise ein Veto hat kein Gewicht. "Mich ärgert, dass wir in solchen Fällen keine kommunale Planungshoheit haben", sagt die Bürgermeisterin.