Auf der Gemarkung des Wertheimer Ortsteils Dertingen (Baden-Württemberg), unmittelbar an der Landesgrenze zu Triefenstein und Wüstenzell, soll auf rund 60 Hektar Fläche ein neuer Windpark mit vier Anlagen entstehen. Details zu deren Platzierung, Größe und Leistung hat der zukünftige Betreiber Thüga Erneuerbare Energien (THEE) mit Sitz in Hamburg auf Anfrage noch nicht bekannt gegeben. Hinter THEE steckt ein Verbund aus mehr als 40 Stadtwerken in Deutschland, mit dabei sind unter anderem die Stadtwerke Wertheim.
Aus Pachtverträgen, die THEE mit den Grundstückseigentümern der "Hohen Heide" abschließen möchte, geht hervor, dass die Windkraftanlagen maximal 290 Meter hoch sein sollen und eine Nennleistung von bis zu acht Megawatt erbringen sollen. Diese Leistung ist in etwa zu erwarten, wenn die Windräder bei optimalen Windbedingungen betrieben werden. Das Unternehmen schreibt, dass der Genehmigungsantrag derzeit vorbereitet und voraussichtlich im Sommer dieses Jahres beim Landratsamt Main-Tauber-Kreis eingereicht werde.
Homburger befürchten Lärm durch Rotorblätter
Die Fläche auf der Höhe zwischen dem Aalbachtal und dem Maintal, westlich der Kreisstraße zwischen Wüstenzell und der Tiefenthaler Höhe, ist seit 2014 ausgewiesene Konzentrationszone für Windkraft. Bis zu den Dertinger Aussiedlerhöfen im Renztal sind es etwa 840 Meter. Der Zonenrand ist vom Wohngebiet in Wüstenzell etwa 600 Meter, von Homburg etwa 760 Meter entfernt.
Ob beim Bau der Windräder die erforderlichen Abstände zur Wohnbebauung eingehalten werde, interessiert Egon Beuschlein kaum: "Das ist Sache von Thüga." Er ist Ortsvorsteher von Dertingen und Vorsitzender der Windkraft GbR (Gesellschaft bürgerlichen Rechts), eines Zusammenschlusses von rund 60 Eigentümer betreffender Grundstücke. Beuschlein lebt im Renztal und sagt: "Ich bin der einzige Dertinger, der die Windräder sehen wird." Anwohnerinnen und Anwohner aus Homburg hingegen haben sich an diese Redaktion gewandt, weil sie Beeinträchtigungen durch Lärm befürchten, den die sich drehenden Rotorblätter machen werden.
Vorarbeiten zu Planungen gehen "gut und still" vonstatten
Stellflächen für Windräder sind begehrt. Betreiber von Windkraftanlagen wie THEE zahlen derzeit hohe Pachten und Gewinnbeteiligungen. Für die "Hohe Heide" gebe es 4000 Euro pro Hektar und für die ersten zehn Jahre acht Prozent Gewinnbeteiligung, berichtet einer der Grundstückseigentümer.
Beuschlein sagte gegenüber dem Main-Echo im September 2021: "Für uns ist es gut, und für Wertheim ist es unschädlich. Man sieht die Anlagen von Wertheim aus gar nicht." Dort hieß es, dass die Vorarbeiten zu den Planungen "gut und still" vonstattengehen würden. Beuschlein sagt: "Wenn wir nicht selbst aktiv werden, setzen uns andere Windräder um unser Dorf und wir haben das Nachsehen."
Mitte Mai wurden die Grundstückseigentümer von THEE zu einem Informationsabend eingeladen. Aus Homburg waren etwa sechs anwesend, berichtet ein Teilnehmer. Die Stimmung sei positiv gewesen; aber niemand hätte umrissen, welche Lärmauswirkungen und Beeinträchtigungen durch Schattenwurf die geplanten Anlagen auf Homburg haben könnte.
Baden-Württemberg: Abstand von 700 Metern zwischen Windrad und Wohngebiet zulässig
In Baden-Württemberg gelten andere gesetzliche Vorgaben bezüglich Abstände zwischen Windkraftanlagen und Wohngebieten als in Bayern. Zum Schutz vor Lärm soll nach dem Windenergieerlass des Landes ein Abstand von 700 Meter zu Wohngebieten eingehalten werden. In Einzelfällen können Kommunen von diesem pauschalierten Abstand sogar nach unten abweichen. Dann müsse allerdings belegt sein, dass die zulässigen Immissionsrichtwerte dennoch eingehalten werden können.
Von Seiten der Stadt Wertheim heißt es, man sei an dem Verfahren bisher nicht beteiligt. Offiziell gab es noch keine Informationen über den Bau der Windkraftanlagen, sagte Triefensteins Bürgermeisterin Kerstin Deckenbrock im Mai auf Anfrage. Es sei ein Gespräch für Juli mit den Bürgermeistern der anliegenden Gemeinden angekündigt, aber es gebe noch keinen konkreten Termin, so Deckenbrock. Bei THEE heißt es, dass sämtliche betroffenen Gemeinden im Zuge des Genehmigungsverfahrens als Träger öffentlicher Belange beteiligt und förmlich um Stellungnahme gebeten werden.
Bereits in der Vergangenheit war vorgesehen, Windräder auf der "Hohen Heide" zu errichten. Das damalige Projektunternehmen ABO Wind kündigte im September 2016 an, den Bau des Windparks einzustellen. Als Grund nannte es ein zuvor veröffentlichtes Hinweispapier zum Vogelschutz einer Behörde. Dessen Inhalt sei bindend und mache den wirtschaftlichen Betrieb von Windparks im Offenland fast unmöglich. Mittlerweile bewertet das Umweltministerium den Schutz des damals ansässigen Rotmilans anders und lässt Bauvorhaben dieser Art zu.