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Aschaffenburg/Berlin
Winterjacken, Funkgeräte, Kampfjets: Was die Bundeswehr mit den 100 Milliarden Euro Sondervermögen kauft
100.000.000.000 Euro fürs Militär: Der unterfränkische FDP-Chef  Karsten Klein soll kontrollieren, dass das Geld sinnvoll ausgegeben wird. Was er für das Nötigste hält.
Der FDP-Bundestagsabgeordnete Karsten Klein gehört dem Bundestag-Gremium an, das die Ausgaben aus dem Sondervermögen Bundeswehr überwachen soll.
Foto: Thomas Obermeier | Der FDP-Bundestagsabgeordnete Karsten Klein gehört dem Bundestag-Gremium an, das die Ausgaben aus dem Sondervermögen Bundeswehr überwachen soll.
Michael Czygan
 |  aktualisiert: 15.07.2024 10:10 Uhr

Der unterfränkische FDP-Vorsitzende Karsten Klein gehört zu den 13 Mitgliedern des Bundestagsgremiums, das die Verwendung der 100 Milliarden Euro aus dem "Sondervermögen Bundeswehr" parlamentarisch überwachen soll. Diesen Etat, der helfen soll, die deutsche Armee zu modernisieren, hatten die Parteien der Ampel-Koalition gemeinsam mit CDU/CSU nach dem russischen Überfall auf die Ukraine beschlossen.

Haushaltsexperte Karsten Klein gehört dem Bundestag seit 2017 an. Praktische Erfahrungen bei der Bundeswehr sammelte der 44-Jährige aus Aschaffenburg von 1999 bis 2000 als Wehrdienstleistender am Standort Hammelburg (Lkr. Bad Kissingen). Im Interview sagt er, welche Ausgaben er für sinnvoll hält.

Frage: 100 Milliarden Euro sind viel Geld, Herr Klein. Was soll die Bundeswehr damit kaufen?

Karsten Klein: Da geht es zum Beispiel um Fregatten für die Marine oder um den Kampfjet F35 als Tornado-Nachfolger für die Luftwaffe. Wichtig ist uns auch das Sicherstellen der Führungsfähigkeit mithilfe modernster Technik. Die Kommunikation zwischen den verschiedenen Truppenteilen ist entscheidend, wenn es um die Bündnis- und Landesverteidigung geht. Da haben wir großen Nachholbedarf, allein dafür geben wir 20 Milliarden Euro aus.

Was wird da konkret benötigt?

Klein: Moderne digitale Funkgeräte sind das eine, die dazugehörige Sendetechnik ist das andere, um große Truppenkontingente, wie sie aktuell an der Nato-Ostflanke im Einsatz sind, zu führen und im Fall des Falles schnell verlegen zu können.

Zuletzt war aber auch zu hören, dass es der Truppe an so banalen Dingen wie Kampfstiefeln und Winterjacken mangelt.

Klein: Weil das so ist, haben wir bereits im Vorgriff auf das Sondervermögen für alle 180.000 Soldatinnen und Soldaten eine komplette persönliche Schutzausrüstung beschafft, die bis Ende 2025 ausgeliefert sein soll. Allein 2,3 Milliarden Euro geben wir dafür aus. Dazu gehören dann neben Kampfstiefeln und Schutzhelmen auch schusssichere Westen für alle. Bislang gibt es davon viel zu wenig, nach einem Auslandseinsatz mussten die Westen teilweise wieder abgegeben werden.

"Wir haben aktuell eine große Lücke bei der Raketenabwehr."
Karsten Klein, FDP-Bundestagsabgeordneter aus Unterfranken
Welche Rolle spielen Abwehrsysteme – etwa zum Abschuss von Drohnen, wie sie die Russen aktuell in der Ukraine einsetzen?

Klein: Wir haben aktuell eine große Lücke bei der Raketenabwehr, und zwar auf der Kurz-, der Mittel- und der Langstrecke. Man sieht ja momentan am Krieg in der Ukraine, wie wichtig eine solche Ausstattung ist. Da müssen wir dringend nachbessern.

Wer entscheidet, was angeschafft wird - die Politik oder die militärische Führung?

Klein: Die Bedarfsanalyse kommt von der Bundeswehr, also am Ende vom Verteidigungsministerium. Entscheiden aber muss der Bundestag, wir haben schließlich eine Parlamentsarmee. Die Abgeordneten verabschieden den Haushalt, darüber hinaus müssen alle Einzelprojekte, die mehr als 25 Millionen Euro kosten, noch einmal explizit im Parlament beraten und beschlossen werden.

Werden die Beschaffungen mit den Nato-Partnern abgestimmt? Es wäre doch sinnvoll, wenn alle Armeen die gleichen Waffen einsetzten.

Klein: Wir haben für das Sondervermögen die klare Weisung ausgegeben, dass wir mehr marktgängiges Gerät anschaffen möchten, nach Möglichkeit im Verbund mit Nato-Partnern. Größere Stückzahlen hätten zum einen den Vorteil, dass man bessere Preise erzielen kann. Und zum Zweiten lassen sich später viel leichter Ersatzteile oder auch Munition zwischen den Verbündeten austauschen.

Das Beschaffungswesen bei der Bundeswehr steht schon länger in der Kritik. Eine Einrichtung wie das Beschaffungsamt der Bundeswehr in Koblenz gilt als bürokratischer Moloch. Was lässt sich ändern?

Klein: Wir haben im Bundestag kürzlich erst ein Beschaffungsbeschleunigungsgesetz beschlossen. Das heißt unter anderem, wir können künftig mehr Projekte national ausschreiben und müssen dies nicht mehr zwingend europaweit tun. Rechtliche Einspruchsfristen werden ebenfalls verkürzt. Ziel ist es, die Prozesse zu beschleunigen. In Koblenz habe ich mit Vertretern der anderen Ampel-Parteien neulich erst intensiv mit der Leitung des Amts und dem Personalrat diskutiert. Die Notwendigkeit, schneller zu werden, ist dort angekommen. Ob es tatsächlich gelingt, werden wir im Bundestag evaluieren.

Man hört von unterbrochenen Lieferketten, von fehlendem Personal: Kann die Rüstungsindustrie überhaupt liefern?

Klein: Die Rüstungsindustrie hat begrenzte Kapazitäten. Es ist Eile geboten, deshalb haben wir die persönliche Schutzausrüstung jetzt auch so schnell beschafft. Wer zu langsam ist, muss sich hinten anstellen. Gleichzeitig rechne ich damit, dass die Industrie jetzt, wo auch andere Nationen in die Rüstung investieren, ihre Produktionskapazitäten ausweitet. Da gibt es intensive Gespräche.

Wie groß ist der Zeitdruck?

Klein: Ich gehöre zu denjenigen, die großes Tempo fordern. Wir machen jetzt 100 Milliarden Euro neue Schulden. Da fragen die Bürger zurecht, was mit dem Geld passiert. Es muss also ziemlich schnell das bestellte Material bei der Truppe auch ankommen. Zeitdruck gibt es aber auch aus technischen Gründen: Der Tornado etwa muss ab 2030 sukzessive außer Dienst gestellt werden. Das heißt, die ersten F35-Jets, die ihn ersetzen sollen, müssen ab 2026 ausgeliefert werden, damit wir anschließend die Piloten schulen können.

Profitieren auch Standorte in Unterfranken von den Investitionen?

Klein: Da bin ich ganz sicher. Für die Panzerdivision in Veitshöchheim spielt die Umrüstung der Panzer vom Typ Puma eine entscheidende Rolle. Die Bedeutung der Infanterieschule Hammelburg wird mit zunehmender Konzentration auf Bündnis- und Landesverteidigung ebenfalls zunehmen. Das Logistikbataillon in Volkach ist gefragt, wenn es gilt, Truppen und Gerät schnell an die Einsatzorte zu bringen.

"Die Bundeswehr ist natürlich einsatzbereit."
Karsten Klein, FDP-Bundestagsabgeordneter
Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht hat zuletzt eine militärische Führungsrolle für Deutschland in Europa beansprucht. Was heißt das?

Klein: Wir haben uns damit bislang immer schwergetan. Aber die Partner in Europa und in der Nato erwarten von Deutschland aufgrund seiner wirtschaftlichen Power eine Führungsrolle. Die müssen wir jetzt annehmen und mit Leben erfüllen, da bin ich mit der Ministerin einer Meinung. Ein Beispiel ist der Aufbau eines gemeinsamen Raketenabwehrschildes. Den soll die Bundeswehr koordinieren.

Wäre die Bundeswehr denn einsatzbereit, falls Putins Russland heute einen Nato-Partner überfallen würde?

Klein: Die Bundeswehr ist natürlich einsatzbereit. Sie spielt in der Nato-Eingreiftruppe, die derzeit an der Ostflanke in Litauen stationiert ist, eine wichtige Rolle. Aber die Frage ist, in welchem Umfang sie einsatzbereit ist. Und da gibt es mit Blick auf die wachsende Bedrohung und die künftigen Aufgaben doch erheblichen Nachholbedarf – sowohl bei der Quantität als auch bei Qualität der Waffensysteme. Da müssen wir deutlich zulegen.

 
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  • weber-d@t-online.de
    Herr Klein hat vergessen, das die Bundeswehr nicht nur aus aktiven Soldaten besteht, sondern auch aus Reservisten. Diese müssen ebenfalls mit guter Ausrüstung ausgestattet werden. So ist das Heimatschutzregiment 1 (Bayern) zwar personell einigermaßen gut ausgestattet, hat aber kein eigenes Gerät. Das bedeutet es muss um zu üben, sich alles von der aktiven Truppe leihen. Von Fahrzeugen, Waffen, Funkgeräte usw. Auch sind die Reservisten in ihrem Ausrüstungsssoll sehr unterschiedlich ausgestatt. Hier besteht akuter Handlungsbedarf um ausscheidende Soldaten für einen Dienst in der Reserve zu motivieren.
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  • juergenmagic@t-online.de
    Schulden hin oder her. Fakt ist, dass die Bundeswehr schlecht ausgestattet ist und dringend neues Material benötigt. Hätte man die ganzen Jahre mehr investiert, müsste man es nicht jetzt auf diese Tour machen. Am Kaputtsparen waren CDU/CSU und SPD die ganzen Jahre gleichermaßen beteiligt. Die jetzt nach Waffenlieferungen an die Ukraine rufen, sei gesagt, dass wir keine Kapazitäten haben und erstmal die Bundeswehr auf Vordermann bringen müssen.
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  • Arcus
    Der Finanzminister der FDP ist ein Meister der Taschenspielertricks und verlagert alle zusätzlichen Schulden in den Schattenhaushalt. Über die Dreistigkeit Sonderschulden auch noch Sondervermögen zu nennen, will ich mich jetzt nich äußern.
    Dass die BW Geld in großem Umfang braucht ist nachzuvollziehen. Daß aber fast jede Armee in der EU ihren eigenen Panzer, ihr eigenes Flugzeug etc. braucht ist nicht nachzuvollziehen. Würden alle EU Staaten mit dem selben Material ausgerüstet, könnten wir ungefähr die Hälfte der Kosten sparen und im Ernstfall auf Material der Nachbarn zurückgreifen.
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  • Eos123456
    Zu Politikern, die Schuldenmachen mit dem Begriff "Sondervermögen" verschleiern wollen habe ein ganz besonderes Mißtrauen.
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  • lutterbeck
    Es ist kein Sondervermögen sondern es sind Schulden. Wahrscheinlich wird das Geld für Berater ausgegeben und Posten für unbrauchbare Politiker geschaffen, auch hat die Verteidigungsministerin für Verschönerungsmaßnahmen bei sich schon 109.000 ausgegeben. Der Teppichboden von Staatsekretärin Sudhoff soll demnach 25.000 Euro gekostet haben. Quelle: The Pioneeer
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