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Marktheidenfeld
Wie zwei Main-Spessarter ihr Großstadtbüro nach Marktheidenfeld brachten
Studieren und dann wieder zurück aufs Land: Das kann schwer umzusetzen sein. Zwei Marktheidenfelder haben ihren Traum wahr gemacht – ganz ohne Pendeln ins Büro.
Florian und Yvonne Hollenbach können von zu Hause aus arbeiten, trotz klassischer 'Großstadtberufe'. Gemeinsam brachten sie ihren Arbeitsalltag ins Digitale – und nach Marktheidenfeld.
Foto: Tabea Goppelt | Florian und Yvonne Hollenbach können von zu Hause aus arbeiten, trotz klassischer "Großstadtberufe". Gemeinsam brachten sie ihren Arbeitsalltag ins Digitale – und nach Marktheidenfeld.
Tabea Goppelt
 |  aktualisiert: 10.02.2024 20:17 Uhr

Home Office kennen seit Corona viele; wer an das Arbeiten der Zukunft denkt, hat vielleicht sogar schnell das Bild von Laptop, Hängematte und Strand im Kopf. Zwei Main-Spessarter haben genau das geschafft. Florian und Yvonne Hollenbach könnten von überall aus arbeiten. Der Grund für dieses Arbeitsmodell war aber nicht Corona, die Hollenbachs wollten in die Region zurück. Studiums- und Berufswahl hatte sie zuvor gezwungen, in Großstädte zu ziehen: Der Wertheimer hat Innenarchitektur studiert und die Lengfurterin kommt aus dem Bereich Marketing und Grafik. Die Idee für ihr heutiges digitales Geschäftsmodell hatten sie, als sie sich kennenlernten: "Weil wir gesagt haben: Wir würden gern hier in der Gegend eine Familie gründen", sagt Yvonne Hollenbach.

"Kann man mit so einem Großstadtberuf auch von dort aus arbeiten, wo man leben möchte?" Das herauszufinden sei für die Hollenbachs spannend gewesen. "Ich zeichne gerne für Hamburg und München, aber so richtig leben wollen würde ich da nicht", sagt der Innenarchitekt. Mittlerweile haben sie einen Sohn und wohnen in Marktheidenfeld, in einem Haus mit Yvonne Hollenbachs Schwester und deren Familie. "Die wachsen auf wie Bullerbü", sagt Yvonne Hollenbach.

"Wir sind Landeier"

Sie spricht aber auch das Problem an, vor dem sie zunächst standen: "Wir haben festgestellt, dass wir Landeier sind – und dass man aber mit unseren beiden Berufen hier wahrscheinlich nicht überleben kann." So kam das Paar dazu, sich ein ganz eigenes Geschäftsmodell einfallen zu lassen: Innenarchitektur als reine Onlineplanung per Click oder per "Flaschenpost". Seit 2007 bieten sie ihre Raumplanungen schon online an. Das Prinzip: Statt vor Ort die Gebäude oder einzelne Räume zu besichtigen, schicken ihnen die Kunden Fotos, Beschreibungen und Wünsche online zu. Wenn die Planungen abgeschlossen sind, gibt es die Entwürfe der Marktheidenfelder als klassischen Grundriss, als 3D-Panoramagrafik oder auch mit Erklärvideo zurück. Direkten Kundenkontakt braucht es dafür nicht mehr. Ihr System habe sich immer weiter entwickelt und mittlerweile können sie sogar freie Mitarbeiter beschäftigen, die dann ebenfalls ortsunabhängig arbeiten.

Der Innenarchitekt Florian Hollenbach berät seine Kunden nicht mehr vor Ort, sondern im Video.
Foto: Tabea Goppelt | Der Innenarchitekt Florian Hollenbach berät seine Kunden nicht mehr vor Ort, sondern im Video.

Ein Kinoabend mit dem Innenarchitekten

Die Zielgruppe ist speziell, das müssen die beiden zugeben. Online gibt es viele Planungstools, die sich kostenlos nutzen lassen. "Das nutzt eigentlich wenig, wenn die Idee fehlt", hält Yvonne Hollenbach dagegen. Die Marktheidenfelder sind auf Kundenwunsch auch noch im persönlichen Kontakt per Telefon oder WhatsApp. "Es gibt Leute, die wollen sich noch einmal rückversichern: Sind da auch wirklich Menschen?", sagt Yvonne Hollenbach.

Wer sich für das volle Paket entscheidet, kriegt noch ein Erklärvideo von Florian Hollenbach dazu. Die beiden sehen gleich mehrere Vorteile in diesem digitalen Ideenaustausch: Zeitliche Flexibilität, Nachhaltigkeit, Anonymität. "Uns haben neulich Kunden ein Foto geschickt wie sie mit Popcorn auf der Couch sitzen und einen Kinoabend mit unserem Video gemacht haben", sagt Yvonne Hollenbach. Niemand müsse "durch die Gegend fahren". Außerdem: Ein Kunde sei beispielsweise Firmeninhaber gewesen, das hätten sie aber nicht gewusst. "Das ist dann der Werner, fertig. Er konnte sich frei bewegen bei uns", sagt Florian Hollenbach.

Ganz große Projekte versenden die Marktheidenfelder ganz ursprünglich per USB-Flaschenpost.
Foto: Tabea Goppelt | Ganz große Projekte versenden die Marktheidenfelder ganz ursprünglich per USB-Flaschenpost.

"Wir wurden für unsere Idee ausgelacht"

Mit ihrem digitalen Konzept stießen die beiden zunächst auf Widerstand. "Wir wurden für unsere Idee nicht nur belächelt, sondern ausgelacht," sagt Yvonne Hollenbach. Freunde, Familie und Architektenkollegen seien skeptisch gewesen: Online könne das nicht funktionieren. Die Angst vor der Digitalisierung sei allgegenwärtig, sagt Hollenbach. "Viele Ortsansässige hatten Angst, dass wir Konkurrenz sind. Aber wir sind ja genau das Gegenteil: Eigentlich holen wir den Klick hierher." Ihre Privatkunden säßen beispielsweise in München, Hamburg oder Stuttgart. Warum das so ist? Das können sie sich nicht erklären. "Der Prophet zählt nicht im eigenen Land", vermutet Yvonne Hollenbach. Aus der Gegend hätten die beiden hauptsächlich Geschäftskunden. Für die Kantine eines Unternehmens aus Wertheim sei Florian Hollenbach sogar vor Ort gewesen, denn die war ja "ums Eck" - die Planung sei trotzdem online gelaufen.

Das Problem mit Corona und den knappen Baustoffen

Durch ihre Kunden merken auch sie derzeit die Knappheit bei den Baustoffen: „Die Leute sitzen gerade da und warten auf ihren Dachstuhl", sagt Florian Hollenbach. Dann können auch die beiden mit ihrer Planung nicht starten. Die Pandemie hat ebenfalls Spuren hinterlassen: Konkurrenten seien "wie Pilze aus dem Boden geschossen" und die Geschäftskunden konnten während der Kurzarbeit schlecht in Renovierungsprojekte investieren, sagt Yvonne Hollenbach. Sollten die Onlineplanungen einmal nicht so laufen, kommt der neue Onlineshop ins Spiel, in dem sie Möbel- und Dekoempfehlungen aufzeigen. Die zweite Geschäftsidee, denn vorher hätten sie das in ihren Planungen "für umme" gemacht.

Ihr digitales Büro auf dem Land genießen die Hollenbachs: „Wir haben so vielfältige Kunden, die wir als Vor-Ort-Innenarchitekt niemals hätten“, sagt Yvonne Hollenbach. Platzsparende Möbel zum Wegrollen für Studenten, barrierefreies Bauen für Senioren oder auch ein Kinderzimmer für einen Jungen mit Asperger-Syndrom waren schon darunter. Dabei seien 90 Prozent „ganz normale“ Bauherren mit Neubauten oder Bestandsumbauten. Dann gebe es aber auch noch die „abgedrehten" zehn Prozent: Eine Nobelvilla an der Elbe, eine Finca auf Mallorca, ein Feriendomizil in Kroatien. „Wir könnten hier mit Kunden nur vor Ort nicht leben“, bekräftigt sie noch einmal.

 
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