"Wie eine zweite Familie": 8 junge Trachtlerinnen aus Karlstadt sagen, warum ihr Hobby so gar nicht altbacken ist
Der Heimat- und Volkstrachtenverein Karlstadt feiert 100-jähriges Bestehen. Was macht eine Gemeinschaft, die sich fränkischem Brauchtum verschrieben hat, heute noch attraktiv?
Foto: Stefanie Koßner
| Dass Trachtentanz nicht nur etwas für die ältere Generation ist, zeigen diese acht Mädchen und jungen Frauen vom Heimat- und Volkstrachtenverein Karlstadt, der 2024 sein 100-jähriges Bestehen feiert.
Stefanie Koßner
| aktualisiert: 07.11.2024 02:41 Uhr
Reiten, Fußball, Korbball, Gitarre, Videospiele, Hip-Hop- oder Garde-Tanz: Die Liste an möglichen Hobbys für Kinder und Jugendliche ließe sich endlos fortführen. Unter beinahe unbegrenzten Wahlmöglichkeiten genau das zu finden, das zu einem passt: Gar nicht so einfach. Und trotzdem entscheiden sich einige junge Menschen bewusst dafür, in ihrer Freizeit traditionelle Tracht und Brauchtum zu präsentieren. So wie in Karlstadt.
Beim Heimat- und Volkstrachtenverein können alle mitmachen, sagt der Vorsitzende Christian Knaus im Gespräch mit dieser Redaktion. Der Verein feiert in diesem Jahr sein 100-jähriges Bestehen. Unter den rund 100 Mitgliedern im Alter zwischen sechs und 82, von denen 20 bis 25 aktiv bei Festen oder sonstigen Auftritten dabei sind, seien auch 13 Kinder und junge Erwachsene bis 25 Jahre. Allein im bayerischen Trachtenverband seien 60.000 bis 70.000 Jugendliche organisiert, schätzt Knaus.
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Der Karlstadter Verein werbe aktiv in Schulen, organisiere Schnupperkurse und sei auf Instagram vertreten, so Knaus. Und es werden auch mal andere Volkstänze präsentiert. "Wir wollen die Menschen zum Mitmachen animieren und mit den Tänzen Lebensfreude zeigen – weg vom musealen Charakter." Die Tanzproben finden, Schulferien ausgenommen, jeden Freitag in der Volkshochschule statt. "Natürlich haben wir den Auftrag, Sitte und Tracht der Alten zu erhalten. Aber wir müssen eine Brücke schaffen, um das in die Moderne zu transportieren – ohne unseren älteren Mitgliedern vor den Kopf zu stoßen."
Alte Tänze in altmodischer Kleidung und der Erhalt von Traditionen, die teils mehrere hundert Jahre alt sind? Acht junge Trachtlerinnen verraten dieser Redaktion bei ihrem Auftritt im Wohnstift Andreas Bodenstein in Karlstadt, was sie so an ihrem Hobby lieben.
1. Sophie, 21 Jahre, aus Karlstadt: Schönes Gemeinschaftsgefühl
Foto: Stefanie Koßner
| Das Miteinander über alle Trachtenvereine hinweg – das mag Sophie so gerne an ihrem Hobby.
"Ich bin gerne im Trachtenverein, weil das Miteinander unter den Trachtentänzerinnen und -tänzern – etwa auf Tanzfesten – immer da ist. Egal, wohin man kommt. Das gefällt mir sehr gut. Auch wenn man sich nicht kennt, kommt man dort gleich ins Gespräch und kann sich immer gut unterhalten."
2. Lana, 8 Jahre, aus Karlstadt: Beim Umzug Bonbons einsammeln
Foto: Stefanie Koßner
| Lana mag die Umzüge, an denen der Heimat- und Volkstrachtenverein Karlstadt teilnimmt, aus mehreren Gründen gerne.
"Mir macht es im Trachtenverein hier in Karlstadt sehr viel Spaß. Besonders mag ich den Umzug durch die ganze Stadt, bei dem viele Menschen zuschauen. Dabei bekommen wir auch immer Bonbons geschenkt, das ist toll."
3. Sophia, 10 Jahre, aus Karlstadt: Gute Stimmung bei den Auftritten
Foto: Stefanie Koßner
| Die Tänze und die Stimmung bei Auftritten schätzt Sophia am meisten.
"Ich bin im Trachtenverein, weil mir dabei die Auftritte am meisten Spaß machen. Ich tanze einfach sehr gerne und die Stimmung dabei ist immer sehr gut."
4. Shana, 20 Jahre, aus Mühlbach: Nicht immer die gleichen Tänze
Foto: Stefanie Koßner
| Gemeinsam mit anderen Vereinen Tänze lernen – das findet Shana an ihrem Hobby am besten.
"Ich bin gerne im Trachtenverein, weil mir die Tänze sehr viel Spaß machen und man immer wieder neue und teils schwerere Tänze dazulernt – auch mit anderen Trachtenvereinen zusammen. Das macht es überhaupt nicht langweilig und sehr abwechslungsreich."
5. Josephine, 8 Jahre, aus Karlstadt: Stolz auf die regelmäßigen Auftritte
Foto: Stefanie Koßner
| Josephine lernt gerne neue Tänze. Und das macht der Heimat- und Volkstrachtenverein Karlstadt regelmäßig.
"Ich tanze einfach sehr gerne, deshalb macht es mir hier im Trachtenverein in Karlstadt so viel Spaß. Ich lerne gerne neue Tänze, das machen wir hier auch immer wieder und das finde ich toll und spannend. Die Tänze dann bei Auftritten zu zeigen, macht mich immer ein bisschen stolz."
6. Julia, 10 Jahre, aus Karlstadt: Austausch mit anderen Tänzerinnen
Foto: Stefanie Koßner
| Julia findet an ihrem Hobby vor allem das Tanzen und die Umzüge toll.
"Ich bin beim Trachtenverein dabei, weil es mir Spaß macht zu tanzen und ich mich gerne mit den anderen Tänzerinnen treffe. Auch die Umzüge finde ich toll."
7. Jienny, 17 Jahre, aus Retzbach: Trachtenverein als zweite Familie
Foto: Stefanie Koßner
| Jienny mag am Trachtenverein Karlstadt das besondere Gemeinschaftsgefühl.
"Der Trachtenverein fühlt sich für mich wie eine zweite Familie an. Deshalb bin ich so gerne dabei. Wir sind hier eine sehr schöne Gemeinschaft. Und natürlich tanze ich sehr gerne."
8. Eva, 8 Jahre, aus Karlstadt: Leidenschaft für das Tanzen
Foto: Stefanie Koßner
| Eva mag nicht nur die Tänze, die der Trachtenverein einstudiert, gerne.
"Mir macht das Tanzen im Trachtenverein am meisten Spaß. Außerdem finde ich unsere Kleider sehr schön und dass ich dabei andere Tänzer kennenlernen kann."
100 Jahre Heimat- und Volkstrachtenverein Karlstadt
Ursprünge: Gegründet wurde der Verein 1924 als "Gebirgstrachtenerhaltungsverein - Die lustigen Oberlandler Karlstadt" von Allgäuer Holzarbeitern. Wegen einer Borkenkäferplage hatten sie ihre Stelle verloren und waren nach Karlstadt gekommen. Zunächst pflegten die Mitglieder allgäuer und oberbayerisches Brauchtum wie das Platteln. Nach und nach kamen Karlstadterinnen und Karlstadter dazu: "Das war eine frühe Form der Integration", sagt der Vorsitzende Christian Knaus.
Neugründung: Nach der Auflösung in der NS-Zeit erfolgte am 29. April 1950 die Neugründung unter dem jetzigen Namen. Das bayerische Brauchtum der Vereinsgründer wich nun langsam dem fränkischen.
Historische Trachten: Bereits vor der NS-Zeit bemühte sich der Verein, bodenständige fränkische Trachten zu beschaffen – etwa aus Nachlässen. Bisher wurde bayerische Tracht getragen. Mittlerweile hegt und pflegt Schriftführerin Ingeborg Knaus die "reich gefüllte Trachtenkammer" im Brückenturm. Wie viele Stücke dort genau lagern, kann sie nicht sagen – zwischen 50 und 100. Teilweise seien die Trachten aufgrund ihres Alters nicht komplett erhalten. Die historischen Stücke werden nur noch zu besonderen Anlässen wie Fronleichnam getragen. Für sonstige Auftritte hat vor zehn Jahren jedes Mitglied eine neue Tracht nach altem Schnitt erhalten. Getragen wird in Karlstadt die Werntaltracht, weil es keine städtische gibt.
Fahne und Hymne: Stolz sind die Mitglieder auf ihre 1954 geweihte Vereinsfahne und die von den Karlstadtern Helmut Kitz und Andreas Mallad komponierte "Trachtenhymne", die als solche in der gesamten Trachtengemeinschaft bekannt sei, so Knaus.
Traditionen: 1955 führte der Trachtenverein die Maibaumaufstellung wieder ein. 1957 wurde die Nikolaus-Aktion ins Leben gerufen – damals noch mit Kutsche. Noch heute gehören diese beiden Veranstaltungen fest zum Karlstadter Kalender.
Höhepunkte: In 100 Jahren hatte der Verein zahlreiche Auftritte bei Trachtenfesten, Karlstadter Veranstaltungen, oder dem selbst organisierten Gau- und Bezirkstrachtenfest. Dazu kamen einige besondere wie die Schlussfeier der Olympischen Spiele 1974 in München, die vom Attentat auf die Mannschaft aus Israel überschattet wurde. Ingeborg Knaus war dabei und erinnert sich: "Das war schon ein Erlebnis. Wir durften dann natürlich nicht tanzen. Gemeinsam mit einem kenianischen Marathonläufer bin ich stattdessen die Tartanbahn entlanggelaufen." Auch auf dem Weltwirtschaftsgipfel 1992 oder dem Besuch des japanischen Kaiserpaares 1993 in München waren die Karlstadter Trachtler dabei.