Die Unionsfraktion im Bundestag will den sexuellen Missbrauch von Kindern stärker bekämpfen. So soll der Strafrahmen für den Besitz von Kinderpornographie von drei auf fünf Jahre Gefängnis erhöht werden. Zudem wollen CDU und CSU die Befugnisse der Ermittler ausweiten. Das sieht ein verabschiedetes Positionspapier vor, an dem der CSU-Abgeordnete Alexander Hoffmann aus Retzbach (Lkr. Main-Spessart) maßgeblich beteiligt war.
Frage: Ihre Fraktion stellt weitreichende Forderungen zur Bekämpfung von sexuellem Missbrauch von Kindern. Das Thema ist nicht neu, warum besteht hier Handlungsbedarf?
Alexander Hoffmann: Weil die Digitalisierung Tätern ganz neue Möglichkeiten eröffnet und deswegen die Zahlen rasant steigen. Wir müssen den Rechtsstaat für die heutige Zeit fit machen. Nehmen wir die Kinderpornografie: Früher war der Zugang zu solchem Material sehr schwierig. Heute ist das im Schutze der Anonymität des Internets sehr viel einfacher. Hinzu kommen die Mengen: Wenn heute Pädophilenringe ausgehoben werden, reden wir nicht über ein paar hundert Bilder, sondern teilweise über zigtausende Fotos, die in digitaler Form gefunden werden. Oder denken wir an das sogenannte Cybergrooming, also die Kontaktaufnahme von Erwachsenen zu Minderjährigen über das Internet. Die Täter müssen sich nicht mehr an Schulen oder Spielplätzen herumtreiben, das findet heute auf Schülerplattformen statt, wo Leute unter anonymen Anmeldungen versuchen, Kontakte aufzubauen – ohne das Risiko, erkannt zu werden.
Wie wollen Sie den Opfern helfen?
Hoffmann: Uns geht es um Prävention und darum, Opfern die Aufarbeitung zu erleichtern. Auch strafrechtlich: Es gibt Untersuchungen darüber, was ein Strafprozess mit einem Opfer macht. Stellen Sie sich ein neunjähriges Kind in einer Hauptverhandlung vor: Selbst unter Ausschluss der Öffentlichkeit sitzen dort mit Strafkammer, Anwälten und dem Täter eine ganze Menge an fremden Menschen. Das kann zu Traumatisierungen führen. Wir wollen daher, dass Opfer unter 16 Jahren in einem separaten Raum unter Anwesenheit des vorsitzenden Richters vernommen werden können.
Sie sprechen von Prävention. Das ist schwierig, schließlich findet Kindesmissbrauch in vielen unterschiedlichen Umfeldern statt: in der Familie, in Kindertagesstätten, Sportvereinen.
Hoffmann: Das ist ein sehr heikles Thema. Ich glaube, Menschen, die mit Kindern arbeiten, müssen einen Blick dafür bekommen, ob mit einem Kind etwas nicht stimmt. Das muss nicht immer sexueller Missbrauch sein, da kann es sich auch um Schwierigkeiten im Elternhaus oder körperliche Übergriffe nichtsexueller Art handeln. Die Herausforderung ist die Umsetzung im Detail, weil es viele unterschiedliche Konstellationen gibt. Ein Rezept für alle Bereiche gibt es nicht, es geht um Sensibilisierung.
Kinderpornografie wird vor allem im Darknet gehandelt. Die Betreiber von Plattformen dort sitzen häufig im Ausland und sind schwer greifbar.
Hoffmann: Es gibt zwar internationale Fahndungen, wobei man sich da nichts vormachen darf. Im Kern geht es uns darum, den Markt trocken zu legen. Vor allem in Europa. Wir stehen hier vor allem vor strafrechtlichen Herausforderungen.
Inwiefern?
Hoffmann: Sie erinnern sich, dass der Amokläufer von München seine Waffe im Darknet gekauft hat. Hier konnte der Plattformbetreiber wegen Beihilfe verurteilt werden, weil er gewusst hat, dass er eine Waffe verkauft. Damit hat er billigend in Kauf genommen, dass sie auch eingesetzt wird. Andere Kriminelle nutzen aber eine Software, die selbstständig das Angebot einer Seite wechselt. So weiß ein Plattformbetreiber gar nicht, was gerade angeboten wird. Damit ist ein Vorsatz sehr viel schwieriger nachzuweisen. Beim Thema Kinderpornos kommt hinzu, dass es für Ermittler nicht so einfach ist, sich Zutritt zu entsprechenden Plattformen zu verschaffen. Dafür muss man häufig selbst neues Material anbieten. Nach aktueller Rechtslage macht sich ein Ermittler strafbar, wenn er – auch nur zu Ermittlungszwecken – kinderpornografisches Material dort in Umlauf bringt. Das ist ein Vorteil für die Täter.
In Ihrem Papier gibt es dafür eine Lösung: „computergenerierte Bilder“.
Hoffmann: Es gibt Softwareprogramme, die fingierte Fotos erzeugen. Diese Programme können künstliche pornografische Bilder entwickeln, die das menschliche Auge nicht als solche erkennt. Dafür braucht man aber Experten und eine entsprechende Ausstattung.
Wer sollte solche Bilder konkret anfertigen?
Hoffmann: In Großbritannien und den USA ist die Methode schon im Einsatz. Dort übernehmen das Bundesbehörden, das wäre auch das Ziel in Deutschland. Die Experten könnten etwa beim BKA angesiedelt sein.
Sie wollen auch Verbindungsdaten speichern. Das dürfte Datenschützern nicht gefallen.
Hoffmann: 2017 konnten laut BKA bundesweit über 8400 Fälle von Kinderpornografie nicht weiter verfolgt werden, weil die Verbindungsdaten nicht mehr vorhanden waren. Hier wird übertriebener Datenschutz zu Täterschutz. Das ist für mich ein nicht hinnehmbarer Zustand.
Bislang handelt es sich nur um ein Positionspapier. Wie geht es nun weiter?
Hoffmann: Das Papier muss unsere Agenda sein, die wir nun Punkt für Punkt abarbeiten. Als erstes muss schon der Versuch des Cybergroomings strafbar werden. Das findet heute hundertfach jeden Abend in Kinderzimmern statt.
Das geht an die Adresse von Justizministerin Katarina Barley (SPD)?
Hoffmann: Ja, hier warten wir schon sehr lange auf einen Gesetzentwurf aus dem Justizministerium – schließlich haben wir das im Koalitionsvertrag so vereinbart. Man könnte das mit zwei oder drei zusätzlichen Sätzen im StGB erledigen. Hier werden wir den politischen Druck erhöhen. Auch die angesprochene Veränderung in der Strafprozessordnung fällt in die Zuständigkeit der Justizministerin, die nun endlich liefern muss. Es ist für mich nicht nachvollziehbar, wieso das so lange dauert.