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Würzburg/Thüngen
Werntalbahn-Plakate: Angeklagter am Tattag mit Querdenkeraktion am Kreuzberg beschäftigt?
Pech für die Verteidigung: Der Mitschnitt eines Telefonats ist nicht mehr vorhanden. Ein Verteidiger bezweifelt, dass die Vollbremsung des ICE eine Gefahr für die Passagiere war.
Nach einem Anschlag auf einen ICE auf der Strecke der Werntalbahn an Dreikönig 2021 gab es einen Großeinsatz der Polizei.
Foto: Günter Roth | Nach einem Anschlag auf einen ICE auf der Strecke der Werntalbahn an Dreikönig 2021 gab es einen Großeinsatz der Polizei.
Christian Ammon
 |  aktualisiert: 24.05.2024 02:54 Uhr

Im Berufungsverfahren um die mutmaßlichen Querdenker-Plakate auf der Werntalbahn fällt es den beiden Angeklagten schwer, mehr als drei Jahre nach der Tat entlastende Aspekte in die Verhandlung einzuführen. Beide hatten sich zu Beginn des Verfahrens als unschuldig dargestellt und streben nun einen Freispruch an. In erster Instanz in Gemünden hatten sie eine andere Verteidigungsstrategie verfolgt und auf die Vorlage entlastender Dokumente verzichtet. Es zeichnet sich daher ab, dass das Verfahren am Würzburger Landgericht deutlich länger dauern könnte als geplant. Weitere Termine sind bereits für Juni sowie Juli angesetzt.

Eine der wichtigsten Säulen der neuen Verteidigungsstrategie hat sich nun mit dem dritten Verhandlungstag endgültig zerschlagen. Der Mitschnitt eines Telefonats, das der 39-Jährige Bad Bockleter Hauptangeklagte mit seiner damaligen Anwältin geführte hatte, ist nicht mehr vorhanden. Auch der mit dem Abhören des zwei Tage nach der Hausdurchsuchung am 12. Februar 2021 geführten Gesprächs beauftragte Polizeibeamte konnte sich nicht mehr daran erinnern, was damals besprochen wurde.

Zweites Telefonat wird als Beweis einer Tatbeteiligung des Angeklagten gewertet

Er habe das Telefonat nur wenige Sekunden mitgehört, bis klar gewesen sei, dass es sich um ein Gespräch mit einer Anwältin handelt. Damit habe er es zur Löschung freigegeben. Es bleiben damit nur die Erinnerungen der von ihrer Schweigepflicht entbundenen früheren Verteidigerin an das Telefonat. Als Zeugin hatte sie davon gesprochen, dass eine größere Gruppe, aber ohne direkte Beteiligung der beiden Angeklagten, die Tat durchgeführt hat.

Die erste Hälfte des Telefonats mit einem Mitstreiter der Anwälte für Aufklärung ist dagegen vorhanden. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft hat der 39-Jährige darin die Tat zugegeben. Nach langwierigen Versuchen gelang es nicht, diesen Mitschnitt aus der Telefonüberwachung sowie vier weitere im Gerichtssaal abzuspielen. Das mobile Diensttelefon des Polizeibeamten lässt sich nicht mit dem WLAN des Gerichts koppeln. Eine stabile Netzverbindung gelang erst mit dem Wechsel des Gerichtssaals über das Mobiltelefon als Hotspot. Die Lautstärke reichte dann jedoch nicht aus, um die Mitschnitte gerichtlich verwertbar in den Prozess einzuführen.

War der 39-Jährige gar nicht bei der Werntalbahn, sondern auf dem Kreuzberg?

Neu in die Verhandlung eingebracht hat der 39-Jährige sechs Fotos von einer angeblichen Querdenker-Aktion am Kreuzberg, die von ihm und der Mitstreiterin durchgeführt worden sein soll. Darauf sind in den Schnee gesprühte Sprüche wie "Widerstand", "Wacht auf" oder "Söder muss weg" zu erkennen. Sie sollen am Dreikönigstag 2021 – kurz bevor die Plakate auf den Gleisen aufgestellt wurden – von beiden angefertigt worden sein. Die Lichtbilder hat er seinen Angaben nach von einem Bekannten bekommen. Er selber sei nach der Hausdurchsuchung aus sämtlichen Organisations- und Dokumentationsgruppen der Querdenker-Szene ausgetreten.

Die beiden Verteidiger nutzten die Zeugenaussagen zu Zwischenfragen. Verteidiger Jens-Peter Schneider bezweifelte, dass die vom Lokführer eingeleitete Vollbremsung des ICE-Zugs objektiv eine Gefahr für die 62 Fahrgäste im Zug darstellte. Er berief sich auf eine Aussage des Lokführers, der als Zeuge davon ausging, dass dem ICE kein Entgleisen drohte.

Anwalt: Mitangeklagte durch Fußverletzung vielleicht vernehmungsunfähig

Auch die Hausdurchsuchung bei der 62-Jährigen kam nochmals zur Sprache. Ihr Verteidiger Klaus Spiegel stellte in Frage, dass die dabei am Fuß verletzte Frau vernehmungsfähig war. Man habe damals keinen konkreten Tatbeweis gehabt, aber vermutet, dass sie Mitwisserin und möglicherweise sogar beteiligt war, erklärte der Polizeibeamte, der sie vor Ort als Zeugin verhörte hatte. Der enge Kontakt zwischen ihr und dem Angeklagten sei nachweisbar. Klar sei zudem, dass der Personenkreis aus der Bad Kissinger Coronaleugner-Szene konspirativ agierte.

 
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