Am zweiten Verhandlungstag im Prozess um den Plakat-Anschlag auf der Strecke der Werntalbahn hat die Verteidigerin des Hauptangeklagten den Antrag gestellt, ein abgehörtes Telefonat ihres Mandanten als Beweis nicht zuzulassen. Das Telefonat sei zu behandeln wie ein Gespräch mit einem Anwalt oder dessen Sekretariat, das nicht abgehört werden dürfe.
Der Richter hatte am ersten Prozesstag am Amtsgericht Gemünden (Lkr. Main-Spessart) eine Aufnahme vorgespielt, in der zu hören war, wie der Angeklagte von einem Vertreter der "Anwälte für Aufklärung" angerufen wurde. Die Juristengruppe ist dem Querdenker-Spektrum zuzuordnen, die Verteidigerin des 38-Jährigen ist deren zweite Vorsitzende. In dem Gespräch räumte der Angeklagte eine Tatbeteiligung ein. Der Anrufer war jedoch wohl selbst kein Anwalt, die Aufzeichnung des Telefonats wurde bei der Übergabe an eine Anwältin abgebrochen.
Der Staatsanwalt sagte am Freitag, es spreche nichts dagegen, das offenherzige Gespräch für die Urteilsfindung zu verwenden. Der Anrufer sei kein Berufsgeheimnisträger.
Neben dem 38-Jährigen ist auch eine 61-Jährige angeklagt, die offenbar ebenfalls aus der Bad Kissinger Querdenkerszene stammt. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass es weitere Beteiligte bei dem Anschlag auf den ICE am Dreikönigstag 2021 gegeben haben muss. Die Schilder hatten zwischen Thüngen und der Tabaksmühle vor Eußenheim auf einer Strecke von über sieben Kilometern gestanden.
Die eingesetzte Soko "Werntal" vermutet deshalb auch, dass Beteiligte Ortskenntnis hatten. Wie sonst sollten Angeklagte aus dem Raum Bad Kissingen am rund 45 Kilometer entfernten Anschlagsort leicht zugängliche Stellen finden? Die Staatsanwaltschaft Würzburg geht davon aus, dass es die mutmaßlichen Täterinnen und Täter gezielt auf einen ICE abgesehen hatten. ICE-Züge nutzten zur damaligen Zeit die Strecke, auf der sonst fast ausschließlich Güterzüge fahren, wenige Monate lang als Ausweichstrecke - aber wohl zu den immer gleichen Zeiten. Gab es also einen Mittäter oder Mitwisser, der den Zugverkehr beobachtet oder einen Tipp gegeben hatte?
Gibt es einen Mittäter namens Matthias?
Beim Prozess in Gemünden berichtete ein Polizist von einer Zeugin am Stettener Friedhof, an dem eines der Plakate gestanden hatte. Sie habe eine männliche Stimme rufen gehört: "Matthias, komm!" Ein Auto, das am Dreikönigstag 2021 am Friedhof gesehen wurde, gehörte dem Ermittler zufolge der Frau des Angeklagten. Eine Zeugin hatte am ersten Verhandlungstag von zwei unbekannten Männern erzählt, die sie um die Mittagszeit auf einem kleinem Feldweg getroffen habe. "Man kennt normalerweise die Leute in Stetten", sagte sie.
Der angeklagte 38-Jährige hatte, als er 2021 überwacht wurde, einem Polizisten zufolge außerdem geheime Treffen mit zwei weiteren Anhängern der Kissinger Querdenkerszene, bei denen die Handys abgeschaltet wurden. Einen der Männer soll der Angeklagte, der unter anderem wegen Betruges und versuchter Erpressung vorbestraft ist, angewiesen haben "alles zu löschen". Die mitangeklagte Frau, wegen nicht bezahlter Mietschulden zweifach vorbestraft, soll vermutlich in einem anderen "Einsatzteam" tätig gewesen sein: Eine weitere Zeugin will am Tattag am Sportplatz in Stetten zwei ihr unbekannte Frauen mit einem Hund gesehen haben.
Holzlatten von einem landwirtschaftlichen Anwesen?
Für die Transparente wurde übrigens eine ältere weiße Plane, wie sie sie in der Landwirtschaft eingesetzt wird, verwendet. Die Latten für den Holzrahmen waren ältere, teils von Holzwürmern befallene Holzlatten.
Im Dezember ist ein weiterer Forsetzungstermin angesetzt.