
Die Altenpflege hat in Deutschland ein massives Personalproblem. Das ist im Landkreis Main-Spessart nicht anders. Was das für das vorhandene Personal und für Pflegebedürftige bedeutet, hat der Redaktion eine Angestellte des Kreisseniorenzentrums in Gemünden geschildert. Die Frau möchte anonym bleiben.
93 Bewohnerinnen und Bewohner gibt es im Gemündener Kreisseniorenzentrum derzeit, teilt das Klinikum Main-Spessart mit. 39 Plätze sind aufgrund von Personalmangel momentan nicht belegt. Vor ein paar Jahren, so die Angestellte, seien fünf Pflegekräfte und eine Betreuungskraft für 45 Bewohner einer Station zuständig gewesen. Inzwischen seien es für die gleiche Anzahl Bewohner, die noch dazu pflegebedürftiger seien als früher, nur noch drei Pflegekräfte – eine pro Teilstation – und eine Betreuungskraft.
Klinikum: Herausfordernde Personalsituation und hohe Krankenstände
Die Personalsituation aufgrund des chronischen Mangels an Pflegefach- und Pflegehilfskräften nennt das Klinikum auf Anfrage "herausfordernd". "Hohe Krankenstände, die auch in der gesamten deutschen Wirtschaft ein Thema sind, stellen zusätzliche Anforderungen an die Organisation."
Das Personal arbeite jetzt "immer am Limit", sagt die Angestellte. Dadurch sei der Krankenstand höher als früher. Gleichzeitig hätten Bürokratie und Dokumentationspflichten zugenommen. Das bekommen auch die Bewohnerinnen und Bewohner zu spüren: Leute würden teilweise schon morgens um 6 Uhr "aus dem Bett geholt" und angezogen, damit die Pflegekraft rumkomme, sagt die Mitarbeiterin. Manche säßen dann bis 8 Uhr herum, bis es Frühstück gibt, manche legten sich noch mal angezogen ins Bett.
Die Anzahl der Pflegekräfte werde nach dem Pflegebedarf der Bewohner und deren Pflegegrad berechnet, schreibt das Klinikum. Entsprechend würden die Dienstpläne erstellt. Sollte es zu kurzfristigen Krankmeldungen kommen, könne sich die Personalstärke in einer Schicht reduzieren. Ein zuvor geltender Aufnahmestopp sei im Oktober von der Heimaufsicht unter der Beachtung der gültigen und vereinbarten Fachkraftquote aufgehoben worden.
Bis jemand auf ein Klingeln komme, dauere oft lange
Wenn hilfsbedürftige Bewohner auf Toilette müssen und klingeln, müssten sie oft 15, 20 Minuten warten, schildert die Frau. Auf die Toilette führen dürfe nur eine Pflegekraft, aber wenn die gerade gebunden sei, springe mitunter auch eine Betreuungskraft ein, wenn diese sich dazu in der Lage sehe. Dennoch müssten die Leute oft in die Windel machen, weil lange niemand komme. Ältere Menschen sollten eigentlich viel trinken, aber als einmal eine pflegebedürftige Frau dazu aufgefordert wurde, habe diese gesagt, sie traue sich nicht, weil sie dann so oft auf Toilette müsse. In die Hose machen sei ihr peinlich.
"In unserer Einrichtung wird auf einen Klingelruf grundsätzlich zeitnah reagiert, da das Wohl der Bewohner oberste Priorität hat", schreibt die Pressestelle des Klinikums. Ein Warten von 15 Minuten entspreche nicht den Standards des Kreisseniorenzentrums und sei dem Klinikum nicht bekannt.
Wenn Betreuungskräfte in der Pflege mithelfen müssen
Die erfahrene Angestellte sagt, Betreuungskräfte müssten, obwohl das nicht erlaubt sei, im Kreisseniorenzentrum häufig in der Pflege mitarbeiten, weil die Pflegekräfte überfordert seien. "Wir wollen auch nicht die Spielverderber sein, und die gegen die Wand rennen lassen." Im Betreuungsprotokoll für den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) müssten sie zum Teil "Märchen erzählen", weil sie vor lauter Pflege gar keine Zeit zur Betreuung hatten.
Während die Betreuungskräfte, die eigentlich die Bewohner beschäftigen sollten, anderweitig gebunden seien, säßen die Bewohner nur herum. Kernaufgaben der Betreuung wie Gedächtnistraining, Spiele oder Spazierengehen seien kaum noch möglich. "Mir tun die älteren Leute immer leid", sagt die Frau. Eigentlich sollten Betreuungskräfte die Bewohner dazu anhalten, dass sie selbst ihr Brot schmieren, damit sie ihre motorischen Fähigkeiten erhalten, aber oft gehe es schneller, sie ihnen zu schmieren. Essenszeiten würden mittlerweile schon als Betreuung abgehakt.
Das Klinikum erwidert, dass es nicht vorgesehen sei, dass Betreuungskräfte in der pflegerischen Versorgung mitarbeiten: "Wir legen großen Wert auf eine klare Trennung dieser Rollen."
Zuletzt, sagt die Frau, habe sich die Personalsituation noch einmal verschärft, weil "sehr viele aufgehört" hätten, da sie teilweise auf einer Station allein seien. Die Pflegekräfte gingen lieber ins Krankenhaus oder zum BKH. "Wenn Leute gehen", so die Frau, "wird nicht einmal versucht, sie zu halten." Zur Unterstützung seien eine Handvoll Pflegekräfte aus dem Ausland angeworben worden, etwa von den Philippinen. Seit 2022 Jahr gibt es auch sogenannte Versorgungsassistenten, die ähnlich einem Zimmermädchen Dinge wie Bettwäsche oder Handtücher machen. Auszubildende würden mitunter als volle Pflegekraft eingesetzt, sagt die Frau. Aber all das reiche nicht.
Das Klinikum lässt wissen, dass Auszubildende zusätzlich zum bestehenden Pflegepersonal eingeplant würden, selbständiges Arbeiten unter Aufsicht sei das Ziel. Aus dem Ausland angeheuerte Pflegekräfte seien ein "zentraler Baustein in den Bemühungen, den Bedarf an Pflegekräften langfristig zu decken".
Dienst jedes zweite Wochenende
Für die Betreuungskräfte komme zu aller Belastung eine neue Regelung hinzu, sagt die Angestellte: Müssten die Pflegekräfte schon länger jedes zweite Wochenende arbeiten, gelte dies nun auch für die neun Betreuungskräfte. Im Dezember sei dies verkündet worden. Mit dem Betriebsrat und der Geschäftsleitung sei das geklärt, und in der Heroldstiftung, die die beiden Kreisseniorenzentren übernehmen soll, sei dies auch so, habe es geheißen.
Daraufhin hätten gleich drei Betreuungskräfte ihr Arbeitszeugnis verlangt, weil sie sich etwas Neues suchen wollen. Die Betroffenen fürchteten etwa, dass sie nun auch für Wochenenden und Feiertage Urlaub nehmen müssen, wenn sie für diese Tage im Schichtplan vorgesehen sind. "Unsere Pflege- und Betreuungskräfte arbeiten, wie in vielen anderen Einrichtungen, an jedem zweiten Wochenende, um die kontinuierliche Versorgung unserer Bewohner sicherzustellen", teilt das Klinikum Main-Spessart dazu auf Anfrage mit. Feiertage zählten nicht als Urlaubstag und seien auch entsprechend im Dienstplan vermerkt.
Angestellte: "Ich guck mir das jetzt eine Zeit lang an, aber nicht länger"
Früher habe die Arbeit mehr Freude gemacht, sagt die Gemündener Angestellte. Noch gehe sie gern arbeiten, die Bewohner gäben einem so viel, sagten Danke, und ihnen falle es auch auf, wenn man mal krank war. Zu der angespannten Personalsituation und dem neuen zweiwöchentlichen Wochenenddienst sagt sie: "Ich guck mir das jetzt eine Zeit lang an, aber nicht länger." So sähen das auch andere. Allerdings gehe es in anderen Pflegeheimen ähnlich zu, habe sie schon gehört. Sie verstehe nicht, warum an der Pflege gespart wird.
Dennoch: nahezu alle machen mit und erfüllen ihre Rolle anstatt endlich dort Verantwortung einzufordern, wo sie besteht und nicht erfüllt wird: in den Führungsetagen vor allem der kirchlichen (!) Träger!
Glaubt noch irgendjemand, Heimaufsicht und Medizinischer Dienst, Verantwortlich wüssten nicht, dass Protokolle gefälscht, über die Personalsituation auf dem Papier gelogen, struktureller Abrechnungsbetrug begangen wird....?
Das müsste längst alles ein Fall für die Staatsanwaltschaft sein, Chefsache in der Politik. Stattdessen hetzt man gegen "Bürgergeldempfänger".
Aber wahr ist: das beim Bürgergeld mit vollen Händen ausgegebene Geld fehlt halt an anderen Stellen. Man kann jeden Euro nur einmal ausgeben.