
Als Noah Kirchgeßner sich als Direktkandidat der FDP für die Bundestagswahl aufstellen ließ, ging er noch davon aus, dass diese im September stattfinden würde. Durch das Ampel-Aus fallen der Wahlkampf und die vorgezogenen Neuwahlen im Februar jetzt allerdings mitten in seine Prüfungsphase. Doch einen Rückzieher wollte der 22-jährige Mechatronik-Student deshalb nicht machen.
Seit vier Jahren ist Kirchgeßner Mitglied der FDP, seit drei Jahren im Vorstand des Miltenberger Kreisverbandes. Dadurch habe er früh Einblicke in die Parteiarbeit bekommen und viele Kontakte geknüpft, erzählt er. Zu der Partei gekommen sei er vor allem wegen deren Freiheitsverständnis und der Selbstbestimmung, beides Themen, die ihm wichtig seien. Mit seiner Aufstellung für die Bundestagswahl wolle er frischen Wind in die Politik bringen. Das sei auch bei seinen Parteikollegen gut angekommen: "Ich habe viel Zuspruch für meine Kandidatur bekommen", sagt Kirchgeßner.
Ein Thema, das ihm besonders am Herzen liegt, ist die Bildungspolitik. Er fordert mehr Investitionen in die Bildung und kritisiert, dass man in Deutschland zu sehr auf das Studium fixiert sei. "Wir brauchen viel mehr als das Studium, wir brauchen Fachkräfte, die anpacken", findet Kirchgeßner. Hier müsse man bereits in der Schule anfangen und unterschiedliche Stärken fördern. Zwar hat er selbst sich im Anschluss an seine Ausbildung noch für ein Studium entschieden. Das liege aber daran, dass er durch gesundheitliche Probleme in seiner Kindheit nicht dauerhaft einen körperlichen Beruf ausüben könne, sagt Kirchgeßner.
FDP-Kandidat kritisiert Subventionen und fordert stattdessen "Impulse"
Das große Thema der FDP in diesem Wahlkampf ist die Wirtschaftspolitik. "Wir müssen die Wirtschaft in Schwung bringen", sagt auch Kirchgeßner. Dazu müsse man zum Beispiel weg von zu vielen Subventionen, die in seinen Augen wenig bringen. Sich nur darauf zu verlassen, dass der Markt Dinge von alleine regle, finde er aber auch nicht richtig. Stattdessen solle die Politik Impulse setzen, um Unternehmen zu mehr Innovationen anzuregen. Die CO2-Besteuerung findet er ein gutes Beispiel: "Wenn es teurer wird, gibt es mehr Innovationen, man braucht Fachkräfte, das schafft Arbeitsplätze und kurbelt die Wirtschaft an."
Wichtig findet der 22-Jährige auch, auf den Mittelstand zu schauen, denn der gewährleiste in einer Kommune den Wohlstand. Hier müsse die Politik dafür sorgen, dass sich Unternehmen dort auch ansiedeln. "Von der Gründung bis zum Mittelstand ist es meist ein steiniger Weg, der von der Bürokratie gepflastert ist", sagt er. Den Bürokratieabbau müsse man deshalb angehen. Jungen Menschen würden zu viele Steine in den Weg gelegt, die vom Gründen abschrecken.
In der Asylpolitik findet Kirchgeßner das Prinzip "Geben und Nehmen" wichtig. "Ich finde es schade, dass so viele Geflüchtete, die eigentlich etwas machen wollen, so alleine dastehen", sagt er. Das würde nur für Unmut in der Bevölkerung sorgen. "Asylanträge müssen schneller abgewickelt werden, damit die Leute sich schneller implementieren können und in den Arbeitsmarkt kommen", findet er. Dann könne man auch sehen, wer sich in das Sozialsystem integrieren wolle und wer nicht.
Kirchgeßner fordert beim Umweltschutz mehr Eigenverantwortung
Auch beim Umweltschutz setzt er auf Eigenverantwortung. "Es ist schön, dass der Staat etwas macht, aber es ist auch wichtig, dass Unternehmen Initiative ergreifen." Dabei müsse man aber realistisch bleiben. Dass Deutschland sich das Ziel gesetzt habe, bereits 2045 klimaneutral zu sein – fünf Jahre vor der EU – finde er nicht gut. Fünf Jahre seien für Unternehmen eine lange Zeit. "Warum müssen wir es uns da unnötig schwer machen", fragt er.
Ein weiteres Thema, das ihm am Herzen liegt, ist der ÖPNV. Er selbst pendle für sein Studium täglich knapp eine Stunde mit dem Zug von Bürgstadt nach Aschaffenburg. Mit dem Auto wäre er zwar schneller, doch als Student müsse er auf die Kosten schauen und da fahre er so deutlich günstiger. "Der ÖPNV muss wesentlich mehr gefördert werden, gerade hier im ländlichen Raum", sagt er.
Dass das vorzeitige Ampel-Aus die FDP in ein schlechtes Licht rückt, findet Kirchgeßner nicht. Zwar räumt er ein: "Begriffe wie D-Day oder Feldschlacht hätten nie fallen sollen." Doch das Ende der Koalition sei zu erwarten gewesen und es sei deshalb nur logisch, dass die FDP sich darauf vorbereitet habe. Dass die Partei das Ende bewusst herbeigeführt habe, sieht er nicht. Auch dass die Partei dadurch Vertrauen bei den Wählern eingebüßt haben könnte, glaubt er nicht. Ob die FDP es überhaupt wieder in den Bundestag schaffen wird? "Ich hoffe es und bleibe optimistisch", sagt Kirchgeßner. Er sei aber auch Realist, schiebt er hinterher, und die Umfragewerte sähen aktuell nicht gut aus für die Partei.