Was können wir tun, damit es jungen Menschen in Lohr gut geht? Wer übernimmt welche Aufgaben, und welche haben die Jugendlichen selbst? Diese Fragen sind am Mittwochabend in der Stadthalle auf Einladung der Stadt Lohr intensiv diskutiert worden.
Anlass war eine Diskussion vor etwa viereinhalb Wochen auf dem Facebook-Profil des Bürgermeisters. Zu einem Beitrag mit dem Herbst- und Winterprogramm der Stadt für Jugendliche hatte sich eine hitzige Debatte entwickelt, was in der Stadt für Jugendliche getan und geboten wird und werden sollte. "94 Kommentare später habe ich festgestellt: Es braucht einen Raum, in dem es erwünscht und möglich ist, Kritik zu üben", erklärte Paul in seiner Begrüßung.
Rund 80 Personen, davon gut zwei Dutzend Jugendliche nahmen das Angebot an und beteiligten sich aktiv an der Diskussion. Die Moderation übernahm der Bürgermeister selbst. Über ihre Handys konnten sich die Teilnehmer auch anonym an Umfragen und mit Online-Kommentaren beteiligen.
Wie es Jugendlichen geht
Eine Umfrage zeigte gleich zum Einstieg das Spannungsfeld, in dem sich die Themen im Laufe der zweieinhalbstündigen Veranstaltung bewegen sollten. Auf die Frage: "Was denken Sie, wie geht es jungen Menschen bei uns?" unterschieden sich die Antworten der Menschen unter 27 und der älteren deutlich. Die Erwachsenen sahen die Situation positiver, die Antworten der Jugendlichen zeigten ein größeres Spektrum.
"Die Jugend" gebe es nicht, lautete die Einschätzung von Juze-Pädagogin Kerstin Heine zu diesem Ergebnis: "Es gibt verschiedene Gruppen, abhängig von Alter und Interessen. Das ist ganz heterogen." Auch die Leiterin der Lohrer Mittelschule, Susanne Rinno, überraschte das Ergebnis nicht. "Das ist ein Stück weit tagesabhängig." Eine Blitzumfrage in einigen Klassen hätte ein ähnliches Ergebnis ergeben. Manchen gehe es total gut, sie seien eingebunden und hätten Freizeitaktivitäten. Andere hätten gesagt, dass sie nicht wissen, wo sie nachmittags hingehen sollen, dass sie die Angebote der Stadt nicht kennen.
Polizeichef: "Welt in Lohr ist eigentlich in Ordnung"
Lohrs Polizeichef Wolfgang Remelka betonte, die Welt sei in Lohr "eigentlich in Ordnung". Aus seinen Statistiken könne er keine erhöhte Gewaltbereitschaft ablesen. Eine digitale Nachfrage zeigte, dass die Jugendlichen sehr unterschiedliche Gründe für ihre Antworten hatten. Manche schrieben positive Rückmeldungen über Schule, Hobbys und Freunde. Einige nannten gesundheitliche und familiäre Probleme als Hintergrund, andere bezogen sich auf fehlende Freizeitmöglichkeiten oder Kontakte zu Gleichaltrigen.
Jugendreferent Marcel Brunner sah "große Nachwehen in Bezug auf die Gewalttat" Anfang September. Viele Jugendliche hätten hohen Gesprächsbedarf. Er möchte für die Jugendlichen Ansprechpartner sein, sowohl in der Schule als auch in der Freizeit. So könnte eine Person eine Brücke bilden zwischen den Angeboten am Vormittag und den Angeboten am Nachmittag. "Es gibt Jugendliche, die wir über die Eltern gut erreichen", erklärte er. "Wir haben aber unglaublich viele Jugendliche, die gar nicht in der Lage sind, sich anzumelden." Ihnen fehle die Unterstützung durch das Elternhaus.
Wo können die Jugendlichen sich treffen?
Intensiv diskutiert wurde die Frage nach Räumen für Jugendliche, in denen sie sich treffen und unter sich sein können. Das Problem: Was angeboten werden kann, passt nicht zu dem, was gewünscht wird. Das Jugendzentrum biete Räume, in denen man sich treffen könne, sagte Kerstin Heine. "Bei uns kann man einfach kommen und muss nichts konsumieren." Allerdings immer dabei: Aufsichtspersonal in Form der zwei Pädagoginnen. Und das störe manchmal. "Was das Juze bietet: Freiräume zum Chillen und Kicker spielen", erklärte eine junge Frau im Juze-T-Shirt. "Was aber fehlt: Frei sein in irgendwelchen Räumen." Sie vermisse die Möglichkeit für spontane Aktivitäten.
Auch eine Mutter, deren Kinder das Juze schon lange kennen, stellte fest, dass bei der Suche nach Räumen das Juze nicht gemeint sei. Es sei "zu sehr pädagogisch". Es gehe darum, machen zu können, was man will, auch Bier zu trinken, wenn man erst 15 ist. "Das ist schwierig, offiziell einzurichten."
Immer wieder von öffentlichen Orten verdrängt
Jugendreferent Brunner erinnerte an die Problematik, dass Räume wie Kino, Disco oder Bowlingbahn immer privatwirtschaftlich laufen müssten. Man habe beim Stadtstrand gesehen, wie schwierig es sein könne, Unternehmer dafür zu interessieren. Und dann kämen die Jugendlichen gar nicht. Polizeichef Remelka wies darüber hinaus darauf hin, dass das Jugendschutzgesetz vieles einschränke.
Wer braucht schon Räume, wenn man mit dem Bollerwagen und einem Kasten Bier draußen unterwegs sein kann? "Wir haben uns immer draußen getroffen, bei schlechtem Wetter gut eingepackt", erzählte ein Jugendlicher. "Man muss es selber wollen und findet immer Wege."
Allerdings zeigte sich im Laufe der Diskussion, dass Jugendliche auch draußen nicht so leicht einen Platz für sich finden. Das sei eine Spirale, erklärte Remelka. Die Jugendlichen suchten einen Platz, dann käme der eine oder andere Störenfried, der mit der Gruppe vielleicht gar nichts zu tun hat. Es werde laut, gebe Scherben und die Jugend würde verdrängt. Remelka rief die Jugendlichen auf, selbst aktiv zu werden. "Wir müssen frühzeitig von den Störenfrieden erfahren, damit wir die rausnehmen können." Aktuell sei die rote Telefonzelle in der Anlage ein Bereich, um den man sich Gedanken machen müsse.
Wenig Angebote für junge Erwachsene
Marc Nötscher, Vorsitzender des Jugendbeirats, berichtete von der Schwierigkeit, einen Feierplatz für junge Menschen zu finden. Gebe es einen Ort, wo sich Jugendliche sammeln, störten sie schnell und sollten weiterziehen. Der Jugendbeirat habe schließlich den Platz im Sandfeld gefunden, der durchaus genutzt werde. Darüber hinaus gebe es aber wenige Möglichkeiten. "Jugendliche fühlen sich vertrieben."
Eine 24-Jährige brachte die Sicht junger Erwachsener auf das Leben in Lohr ein. Räume sind für diese Gruppe nicht mehr das große Thema. "Wir haben Wohnungen, in denen wir uns treffen können." Abends könne man aber nicht viel mehr machen, als essen zu gehen. Ein Angebot für junge Erwachsene fehle, stimmte Mario Paul ihr zu.