Wie fühlt sich einer, der die Liebe zum Krabbenfischen in sich trägt, aber in Oberammergau aufwächst? Nun ja, ihm ergeht es wohl so ähnlich wie Matthias Walz. Das ist der Mann mit der schwarzen Nerd-Brille und der aufgetürmten Rockabilly-Frisur aus Karlstadt im Landkreis Main-Spesssart, der sich erst auf einer großen Bühne so richtig wohl fühlt. Das Objekt seiner Begierde schien jahrelang in weiter Ferne.
Doch zum Glück für Matthias Walz liegt nur wenige Kilometer von Karlstadt entfernt der Ausstrahlungsort der "Fastnacht in Franken". Das ist die Live-Prunksitzung, die dem Bayerischen Rundfunk jedes Jahr die höchsten Einschaltquoten beschert. Und zum Glück für ein Millionenpublikum hat sich Matthias Walz nie fürs Krabbenfischen interessiert. So ist er in wenigen Jahren zu einem der Stars bei der Kultsendung aus Veitshöchheim (Lkr. Würzburg) aufgestiegen.
Selbst Ministerpräsident Markus Söder, der sonst alle kabarettistischen Pfeile auf ihn eher stoisch-professionell weglächelt, musste sichtlich lachen. Es war der Moment 2019, als Matthias Walz den nach der Wahl zerknirschten CSU-Chef imitierte und dabei trällerte: "Ich regiere, regiere, regiere im Sauseschritt und bring´ die Demut mit, von meinem Himmelsritt." Vermutlich hatte der Ministerpräsident bei dem Karlstadter mit allem gerechnet. Außer mit dieser Pointe: "Denn die Demut, Demut, Demut, Demut, die kommt gut an. Jedermann ... mag mich dann." Vielleicht hatte Markus Söder noch den Reim aus dem Jahr 2016 im Kopf, als Walz dichtete: "Einmal möchte ich der Söder sein, ein fränkischer Darth Vader. Skrupellos und hundsgemein, ein echter Übeltäter."
Beim Publikum kommt Walz´schwarzer, hintergründiger Humor an. Denn wenn der 43-Jährige muntere Ohrwürmer in die Klaviertasten haut und in rasendem Tempo mit irrem Blick fröhlich-harmlose Schlager trällert, ist das dicke Ende nicht weit: Die Pointe. Sie kommt. Wenn man nicht damit rechnet. Meist entlarvend. Oft verstörend. Immer überraschend. Doch wirklich böse sein kann dem Mann am Klavier keiner. Denn er hat ein Gespür für Dramaturgie. Und kaum hat man als Zuhörer den Witz verstanden und sich am Lachen beinahe verschluckt, fühlt man sich schon in der nächsten Sekunde dazu animiert, den mitreißenden Schlager fröhlich mitzuklatschen.
So etwa bei dem umgedichteten Song auf den ehemaligen Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt im Jahr 2018. Kurz nachdem dieser im Alleingang einer Verlängerung der EU-weiten Zulassung des Unkrautvernichters Glyphosat zugestimmt hatte, sang Matthias Walz: "Die paar Insekten, soll´n sich nicht so ham´, sagt der Schmidt. Sind doch genug da, kommt´s auf ein paar nicht an, sagt der Schmidt. Und jede tote Biene sticht ihn schon mal nicht. Das wär doch auch was... sagt der Schmidt". Walz´ Fazit: Schmidt habe gemerkt, dass sein Verhalten in der Öffentlichkeit nicht gut ankam. Deshalb wolle er künftig vor laufender Kamera lieber in Küken beißen und Äpfel schreddern – statt umgekehrt.
Im Jahr 2020 scheint der Karlstadter bei der Kultsendung fest gesetzt. Die prägnante Frisur trägt er übrigens auch privat. Kein Haarlack darf da ran. Nur Pomade. Einmal kurz durchkneten, fertig. Dabei hätte nicht viel gefehlt und kaum jemand würde Matthias Walz´aufgetürmte Frisur außerhalb von Karlstadt kennen. Denn das alles wäre beinahe nie passiert. Hätte man ihm nicht bei seinem ersten Fernsehauftritt die Pointe gründlich versaut.
So geschehen bei der Castingsendung des BR "Franken sucht den Supernarr". TV-Moderator und Komiker Volker Heißmann, mit dem Walz mittlerweile befreundet ist, nahm versehentlich den Witz seiner Nummer vorweg. Es kam, wie es kommen musste: Kein Mensch lachte. Walz wurde aus der Sendung geschnitten. Und tröstete sich an der Bar der Comödie Fürth mit einem Bier. In dem Moment trat Bernhard Schlereth, der künstlerische Leiter der "Fastnacht in Franken" auf den Plan. Ob er nicht stattdessen bei der "Närrischen Weinprobe" dabei sein wolle, fragte er unvermittelt. Die Sendung gilt als Feuertaufe für Kabarettisten, bevor sie den Sprung auf die Bühne in Veitshöchheim schaffen. Walz schaffte es. Trotz des Umstandes, dass er das eigentlich gar nicht beabsichtigt hatte. "Irgendwann in Veitshöchheim aufzutreten, stand nie auf meinem Plan."
In vielerlei Hinsicht ist Matthias Walz, Vater von zwei Kindern, irgendwie hin und hergerissen. Als studierter Informatiker arbeitet er in Teilzeit bei einer Nürnberger Software-Firma. Als Künstler in Teilzeit zeigt er sein humoristisches Talent nicht nur an Fasching, sondern das ganze Jahr über auf diversen Kleinkunstbühnen, etwa beim Straubinger Bluval-Musikfestival, bei Stadtfesten, auf Firmenjubiläen oder als TV-Moderator beim BR. Als Familienmensch vergisst er auch schon mal das dreckige Geschirr, wenn er mit seinen Kindern Musik macht oder gerade herumblödelt. "Sie können meine Texte früher auswendig als ich."
Als Müßiggänger, der Geselligkeit liebt, verbringt er viel Zeit mit Freunden oder dem Nichtstun. Als Perfektionist feilt er so lange an jedem Wort seiner Texte, die "nicht einfach so aus mir heraussprudeln, sondern harte Arbeit sind", bis seiner strengsten Rezensentin, seiner Lebensgefährtin, auch schon mal der Geduldsfaden reißt. Ein bisschen unstrukturiert und chaotisch sei er, aber irgendwie auch perfektionistisch, was das Ergebnis betreffe. "Eigentlich eine doofe Mischung, denn so kommt man ja nie zu was", findet er selbst.
Das war schon in der Schule so. Im Physik-Leistungskurs war er gut. Aber eben auch im Basketball. Und sogar als Solist eines Schulprojekts am Karlstadter Gymnasium. Matthias Walz erinnert sich, wie er bei der Berlin-Revue auf der Schulbühne den "Kriminaltango" aus den 20er-Jahren sang. Eigentlich stand er schon immer gern auf der Bühne. Auch, wenn er sich das lange Zeit nicht eingestehen wollte und ihn der Musiklehrer am Gymnasium erst dazu überreden musste.
Im Grunde wirkt Walz auch nicht wie eine Spaßkanone, die bei Gesprächen gerne im Mittelpunkt steht. Eher wie ein stiller Beobachter, der im richtigen Moment den richtigen Witz raushaut. Seit seiner Kindheit spielt er Akkordeon. Ein Instrument, zu dem er, wie er selbst sagt, nie gezwungen worden sei. "Ein bisschen Klavier, E-Gitarre und Ukulele" habe er sich noch beigebracht. Singen sei eigentlich nicht so sein Ding. Auch wenn das die Juroren der Bayerischen Singakademie", an der er "aus Spaß" nach dem Abitur die Aufnahmeprüfung bestand, wohl anders sahen. Hundertprozentig sicher fühlt sich der 43-Jährige, der selbst hohe Maßstäbe an sich legt, nur beim Humor.
Er polarisiert gerne. Provoziert gerne. Am liebsten knöpft er sich populistische Aussagen von Politikern vor. Das kommt nicht bei jedem gut an. Doch eine "klare Haltung mit Ecken und Kanten" könne schließlich nicht jedem gefallen. Den Machern der Sendung scheint es zu gefallen. Nach seinem Eröffnungssong 2013 und seinem ersten Fünf-Minuten-Auftritt 2014, rockte er 2017 fast eine Viertelstunde lang den Saal der Veitshöchheimer Mainfrankensäle. Und erntete stehenden Applaus. Er rief sich zum "König von Franken" aus und outete in seiner Rolle als singender Verrrückter den heutigen Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) als Mitinsasse einer Irrenanstalt, der sich von "fußballspielenden, ministrierenden Senegalesen" bedroht fühle, weil man derart gut integrierte Geflüchtete nicht mehr so einfach abschieben könne.
Bissig, aber nicht plump. Fetzig, aber nicht oberflächlich. So wirken seine Auftritte. Dabei ist Matthias Walz von Haus aus kein Fasenachter. Er war nie Elferrat. Aber auch nie Faschingshasser. Sondern wie immer irgendwo in der Mitte. Seine Leidenschaft für Schlager der 50er und 60er Jahre lebte er mehr als zehn Jahre lang bei der Band "Fräulein Wunder und ihre Liebhaber aus". Dort sorgte er mit roter Fliege und "Eierlikör-Quiz" von der Bühne aus für die Lacher bei den Zuschauern. Fast zehn Jahre lang gärte in ihm die Idee eines Solo-Projekts. 2011 hat er es umgesetzt. Ob er sich wohl bald hauptberuflich als Künstler etabliert? Im Jahr 2021 wären die nächsten zehn Jahre rum...
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