
In der Geschichte des Verwaltungsgericht Würzburg soll es der erste Fall überhaupt gewesen sein, bei dem ein Kläger zwar vor Gericht stand und sein Recht haben, aber nicht Platz nehmen wollte. 2021 war schon einmal ein Lohrer vor dem Amtsgericht Würzburg stehen geblieben, dieses Jahr erst eine Angeklagte in Gemünden. Sein Stuhl blieb leer. Reaktion des Gerichts auf das ungewöhnliche prozessuale Vorspiel: Kein Platz hier für "Kasperltheater" .
Ein Mann aus Lohr, der zu Beginn der Verhandlung von der Vorsitzenden Richterin erst mal wissen wollte, wie sie heißt, mit Vor- und Familiennamen, blieb stehen, wo er bereits eine Viertelstunde vor Verhandlungsbeginn stand: im Sitzungssaal an der Tür, mit einer Akte in der Hand. Ab und zu notierte er sich etwas. Der Aufforderung, Platz zu nehmen, wollte der Mann erst nachkommen, wenn man ihm seine Frage nach Vor- und Zunamen der Richterin beantworte. Die wies darauf hin, dass auf dem Aushang vor dem Sitzungssaal, ihr Familienname stehe.
Man könne auch ohne ihn verhandeln
Das war für den Kläger keine Lösung. Das Gericht bot Alternativen an: Der Kläger könne auch wieder gehen, er müsse nicht bei der Verhandlung dabei sein. Man könne "auch ohne ihn verhandeln", selbst wenn er im Saal anwesend ist.
Nach weiteren Diskussionsbeiträgen kündigte der Kläger an, dass er zwar in der Verhandlung bleiben werde, aber stehend. Vergebens zeigte die Protokollführerin dem Mann den Platz an, wo bei Verhandlungen die Leute sitzen, die vom Gericht eine Entscheidung haben wollen. Das wurde dann ins Protokoll aufgenommen.
Notariell beglaubigte Unterschriften gefordert
Nach geschätzt 20 Minuten kam das Gericht dann erst dazu, auf den Fall einzugehen: Der Mann aus Lohr klagte gegen den Freistaat Bayern, genauer: gegen das Landesamt für Statistik "wegen Aufforderung zur Auskunftserteilung im Rahmen des Mikrozensus 2022", also kein alltäglicher Rechtsstreit.
Der Kläger wohnt in einem sogenannten Auswahlbezirk, in welchem alle Haushalte in die amtliche Stichprobenerhebung über die Bevölkerung und den Arbeitsmarkt sowie die Wohnsituation der Haushalte einbezogen werden. Die Haushalte, die für diese Mikrozensus-Probe der Europäischen Union ausgewählt wurden, werden innerhalb von 15 Monaten insgesamt viermal befragt.
Kläger fehlte Nachweis für "hoheitliche Maßnahme"
Was den Kläger dabei störte, stammt aus der zweiten Berichtswoche. Da hatte er auf Anfrage nicht reagiert, da er in den amtlichen Schriftsätzen eine "rechtlich korrekte Unterschrift eines persönlichen Unterzeichners aus der Behörde " vermisste. Antwort der Statistiker unter anderem: Er sei auskunftspflichtig und wenn keine wahrheitsgemäßen vollständigen Angaben innerhalb der Frist eintreffen, werde ein Zwangsgeld von zunächst einmal 250 Euro fällig.
Der Kläger blieb dabei: Es fehle in den Schriftsätzen der Nachweis, dass derjenige, der Auskunft von ihm haben wolle, diese hoheitliche Maßnahme" auch ausführen darf. Als Bürger habe er bei Kontakt mit staatlichen Stellen Vor- und Zunamen zu nennen, zu unterschreiben und sich im Zweifel per Ausweis zu legitimieren. Warum diese Grundsätze für das Statistische Landesamt nicht gelten sollen, könne er nicht nachvollziehen. Zweifel an der Echtheit des Fragestellers, so die Vorsitzende Richterin, hätte der Kläger mit einem Anruf bei der Behörde schnell ausräumen können
Dann ging es ganz schnell: Der Bescheid um den es geht, hat sich durch Zeitablauf erledigt, das Thema Zwangsgeld ist daher auch nicht mehr aktuell. Eine neue Befragungsrunde wurde bereits gestartet, demnächst habe der Kläger Post vom Landesamt für Statistik im Briefkasten, so eine Mitarbeiterin des Landesamtes. Auf Vorschlag des Gerichts erklärte der Mann den Rechtsstreit für erledigt. Dennoch bekommt er demnächst Post, wegen der Gerichtskosten. Nicht auszuschließen, dass er in der dritten Mikrozensus-Runde wieder vor Gericht "steht".