Man sagt, eine Person "steht vor Gericht". Von der Urteilsverkündung abgesehen sitzen die Betroffenen aber. Die Ausnahme bildete in dieser Woche ein 51-jähriger Mann aus dem Raum Lohr beim Amtsgericht Würzburg, der unbedingt stehen bleiben wollte. Verantworten musste er sich, weil er im November 2020 trotz Kontaktbeschränkung mit Menschen aus insgesamt 13 Haushalten im Keller eines Mehrfamilienhauses im Landkreis Würzburg beisammensaß, als wegen Corona höchstens zwei Haushalte erlaubt waren.
Den Bußgeldbescheid über 150 Euro wollte der Mann nicht zahlen, deshalb kam es zur Verhandlung. Und in der lehnte es der Angeklagte trotz mehrmaliger Aufforderung ab, im Sitzungssaal Platz zu nehmen. Er blieb stehen. Richter Christian Eisert dachte schon laut über eine Ordnungsstrafe nach, entschied sich dann aber für eine Deeskalation. Er ließ den Angeklagten für die Dauer der Verhandlung stehen, ohne dass die Gründe dafür klar wurden. Allerdings hatte der Betroffene den Richter vorsichtshalber gefragt, was es kostet, wenn er sich nicht hinsetzt.
Treffen von 13 Personen
Das Zusammensein von 13 Leuten, überwiegend aus dem Landkreis Main-Spessart, hat der vom Bußgeld-Bescheid "Betroffene" als Veranstaltung einer "Glaubensgemeinschaft" bezeichnet, die unter gewissen Voraussetzungen von der Kontaktbeschränkung ausgenommen waren. Die Polizei hatte aus dem Haus oder der Nachbarschaft einen Hinweis auf das Treffen im Keller erhalten mit der Bitte, da mal nachzuschauen – es sei nicht das erste Mal. Die meisten Teilnehmer, so ein Polizeibeamter vor Gericht, trugen keine Maske. Die Frage, um welche Glaubensgemeinschaft es sich handle, wurde nicht beantwortet, religiöses "Zubehör" war nicht zu sehen. Ein Fernsehapparat war eingeschaltet, bei reduzierter Lautstärke soll es unter anderem um Donald Trump gegangen sein.
Beim Aufnehmen der Personalien habe es die üblichen Spielchen gegeben, so der Zeuge: Vorwurf der Willkür, die Polizisten sollten ihren Job machen und nicht andere Leute nerven. Eine Anwesenheitsliste oder ein Hygienekonzept gab es nicht, nur Desinfektionsmittel am Eingang. In dem Raum sei es nicht möglich gewesen, den Abstand von 1,5 Meter einzuhalten. Dazu der Teilnehmer der Veranstaltung, stehend: Für ihn sei es ein Gottesdienst gewesen und die Polizei müsse nachweisen, dass es keiner war. Er habe – und er breitete dazu die Arme aus – immer wieder mal den Abstand im Kellerabteil überprüft.
Polizeibeamte in Uniform gefragt, ob sie echt sind
Der zweite Polizist fasste seine Eindrücke von damals zusammen: "Es war, als gäbe es kein Corona." Man habe die Veranstaltung nicht aufgelöst, für den Fall, dass es doch eine religiöse Veranstaltung war. Teilnehmer hätten die Polizeibeamten, die Uniform trugen, gefragt, ob sie überhaupt echte Polizisten seien und sich ausweisen könnten. Unter den Teilnehmern seien auch Leute gewesen, die früher schon mal als "reichsbürgernah" galten. Einzige Parallele zu einer Kirche: Es gab ein Rednerpult.
Manches glaube er dem Betroffenen durchaus, sagte Richter Eisert, das mit der Glaubensgemeinschaft allerdings nicht. Dafür gebe nicht den geringsten Beweis und es sei generell nicht auszuschließen, dass sich während der Pandemie Leute auf ein Bier oder zum Kartenspielen trafen und das dann als Veranstaltung einer Glaubensgemeinschaft "tarnten". Es blieb bei den 150 Euro Geldbuße für eine Ordnungswidrigkeit nach dem Infektionsschutzgesetz.
Übrigens: Wenn es bei Gericht um eine Ordnungswidrigkeit geht, hat der Richter keinen Angeklagten vor sich, sondern einen "Betroffenen". Von den 13 Teilnehmern der Sitzung im Keller haben etwa die Hälfte ihren Bußgeldbescheid über 150 Euro bezahlt, die anderen legten bisher ohne Erfolg Rechtsmittel ein. Am Mittwoch wird in selber Sache gegen eine Frau aus dem Raum Marktheidenfeld verhandelt.