Da sind gewonnene Europameistermeisterschaften, Auszeichnungen mit Jahrtausendbändern, der Besuch von Tierfilmer Bernhard Grzimek in den 80er Jahren, das traditionelle Hähnewettkrähen - und natürlich täglich ein Frühstücksei. Die Geflügel- und Naturfreunde in Frammersbach (Lkr. Main-Spessart) blicken mit ihren aktuell knapp 100 Mitgliedern auf unterhaltsame 68 Jahre Vereinsgeschichte zurück.
Auf der 4500 Quadratmeter großen Geflügelanlage, im Wellerstal gelegen, geben sich Yokohama-Hühner, Altenglische Zwergkämpfer und sogar ein lachender Hahn der indonesischen Gattung der Ketawa-Hühner ein Stelldichein. Denn auch wenn in den vergangenen Jahren der Trend eher wieder in Richtung klassische Hühnerhaltung geht – also zu den sogenannten Zwiehuhnrassen für Eier und Fleisch -, gibt es laut Dieter Rüppel immer noch ein paar Halter, die die extravaganten Gattungen haben.
Klassische Zwiehühner als Eierlieferanten - und ein paar Exoten
Rüppel leitet den Frammersbacher Verein als erster Vorsitzender seit mehr als zehn Jahren. Aber irgendwie war er eigentlich schon immer mit dabei – genauso wie sein Stellvertreter Günther Krimm. Wenn die beiden auf der Bank vor dem Vereinsheim "Hühnerhaus" das Vereinsleben der vergangenen Jahrzehnte Revue passieren lassen, wird - wie beim indonesischen Langkräher - viel gelacht.
Einige Mitglieder reisten Jahr für Jahr in einem alten VW-Bus nach England und Irland, um an Hühnerschauen teilzunehmen. "Im Kofferraum haben die Hähne geschrien, und wir haben vorne Whiskey getrunken", erinnert sich Krimm schmunzelnd. Seinen Lachhahn habe er in Nordirland einem Aussteller abgeschwatzt, wirft Rüppel ein. "Der hat mir halt gefallen und den wollte ich", erwidert Krimm. "Nach ein paar Bier habe ich den Hahn dann bekommen."
Faible für selten gewordene Rassen
Viele internationale Freundschaften sind aus diesen Fahrten in das, wie Rüppel sagt, "fortschrittlichste Land der Geflügelzüchtung" entstanden. Doch was fasziniert an der Haltung von Geflügel so sehr, dass sie zur Passion vieler Vereinsmitglieder wurde?
"Meine Frau ist halt von den Eiern fasziniert", platzt es aus Rüppel heraus. Aber da ist noch mehr: "Ich sitze oft da und beobachte meine Tiere, das ist spannend", sagt Krimm. Ein Grund, warum der 66-Jährige auch Hühnerrassen, die selten geworden sind und kaum mehr gehalten werden, bewahren will.
In den vergangenen Jahren sei ein regelrechter Hühner-Boom zu erkennen, berichtet Dieter Rüppel, im gleichen Alter wie sein Vereinskamerad. Nicht nur alle Parzellen der Frammersbacher Geflügelanlage seien vermietet. Mehrmals im Monat erhalte er auch Anrufe, was zu tun sei, wenn ein Huhn kein Ei legt oder der Habicht über dem Gehege kreist. Mittlerweile hat der Vorsitzende die Homepage des Vereins um Tipps zur Geflügelhaltung ergänzt. Vor zehn Jahren noch habe niemand mehr privat Geflügelgehabt. Zur Zeit gebe es allein in Frammersbach etwa 20 Hühnerhalter.
Im Verein selbst gebe es nur wenige aktive Mitglieder, sagt Rüppel: "Die Alten übernehmen jetzt im Verein die Verantwortung, die Jungen halten die Hühner. Und das sind fast nur Frauen". Etwa 150 Hühner und Hähne werden in der Geflügelanlage in Frammersbach derzeit gehalten. In normalen Zeiten bedeutet das Vereinsleben: Instandhaltung der Anlage, Zucht und Aufklärung - und auch manches Fest.
Immer am 1. Mai: Hähnewettkrähen
Das Hähnewettkrähen, das eigentlich jedes Jahr am 1. Mai stattfindet, zählt seit 1978 zum Höhepunkt. Ein Frammersbacher Spektakel: Der Gockel, der am häufigsten kräht, gewinnt. Beim letzten Wettkampf im Jahr 2019 duellierten sich 30 Hähne. In den 1980er Jahren hätten bis zu 200 Hähne um den Titel geschrien, erzählen die Geflügelfreunde. Selbst der Zoologe und Tierfilmer Bernhard Grzimek sei 1982 samt Filmteam gekommen, um über das Ereignis zu berichten. "Das war ein riesiges Volksfest", erinnert sich Dieter Rüppel. "Grzimek wollte eigentlich eine spezielle Langkräh-Rasse sehen, die gar nicht da war. Gefallen hat es ihm aber trotzdem bei uns."
Während Günther Krimm auf das Krähen seines Ketawo-Lachhahnes aufmerksam macht, spricht Dieter Rüppel über die Ernsthaftigkeit der Hühnerhaltung: "Wir kümmern uns um die Impfungen gegen die Vogelgrippe und setzen die Auflagen aus dem Veterinäramt um." Bis April durfte auch im Landkreis Main-Spessart Geflügel wegen der Gefahrenlage nur mit Bedachung oder in Ställen gehalten werden.
Was den beiden Geflügel- und Naturfreunden wichtig ist: Sie möchten auch der jungen Generation die Bedeutung regionaler Produkte für Ökologie und Nachhaltigkeit vermitteln. Nicht nur den Hähnen und Hühnern auf dem Vereinsgelände soll es gut gehen. Daher unterstützen die Frammersbacher die Petition "Landleben muss Landleben bleiben dürfen", die von einer Hühnerhalterin aus Hofheim ins Leben gerufen wurde und auch von vielen weiteren Geflügelzucht-Vereinen unterstützt wird. "Das Krähen des Hahns und das Muhen der Kuh ist kein Lärm, sondern Kulturgut, welches wir erhalten sollten", sagt Dieter Rüppel. In Frankreich sei bereits ein Gesetz zum Schutz der Landschaft als Kulturgut erlassen worden.
Zum Beobachten des Federviehs gibt's eigens eine Hühner-Guck-Bank
Seine Begeisterung für das Federvieh scheint Rüppel auch auf seine Enkelkinder übertragen zu haben. Mit Begeisterung nehmen Hannes und Lina Küken auf die Hand und füttern die Hühner von Opa Dieter. Den Hühnerschiss auf seiner Mütze nimmt der vierjährige Hannes gelassen. Keine schlechte Voraussetzung dafür, dass japanische Langschwanzhühner und lachende Hähne auch künftig viele Besucher in die Frammersbacher Geflügelanlage locken und zur Haltung motivieren. Eine Hühner-Guck-Bank zum Beobachten des tierischen Treibens ist kürzlich erst installiert worden.
Und das Duell der Gockel? Das 42. Hähnewettkrähen im kommenden Jahr soll auf alle Fälle wieder stattfinden – da sind sich Jung und Alt in Frammersbach einig.
Viel mehr ärgern mich diejenigen, die ständig bis spät in der Nacht feiern, Sonntag früh mit ihrem Auto zum Brötchen holen 500 Meter zum Bäcker fahren, die Autotüren laut zuschlagen etc.
Wenn der Hahn stört, stört vermutlich dann auch bald der Specht der klopft und die Amsel die singt.
Wir sollten uns zurückbesinnen und uns alle etwas zurücknehmen und uns der Natur widmen.