
Die Fakten auf den Tisch legen, Ängste und Sorgen offen mitteilen und mit Gerüchten aufräumen: Das waren die Ziele des Bürgerdialogs in der Arnsteiner Stadthalle am Donnerstagabend, bei dem es um die Umwandlung des Heugrumbacher Gewerbegebiets "Am Steinbrünnlein" in ein Teil-Industriegebiet ging.
Es gehe darum, das 1972 eingerichtete Gewerbegebiet mit den rechtlichen Vorgaben von heute unter einen Hut zu bringen, fasste Bürgermeister Franz-Josef Sauer zusammen. Dagegen wehren sich Anwohnerinnen und Anwohner der nahen Wohngebiete. Sie fürchten deutlich mehr Lärm und Verkehr und eine starke finanzielle Belastung der Anrainer durch die Erschließung. Knapp 200 Menschen waren zu dem Austausch gekommen. Mit dabei waren auch die betroffenen Unternehmer.
Ein Aktionsbündnis hatte vor Weihnachten das Bürgerbegehren "Kein Industriegebiet 'Am Steinbrünnlein'" initiiert. Der Antrag auf einen Bürgerentscheid benötigte mindestens 630 gültige Unterschriften. Das entspricht zehn Prozent der Wahlberechtigten. Die engagierten Bürgerinnen und Bürger überreichten Sauer am Ende der Veranstaltung über 900 Unterschriften.
Darum geht es bei der Diskussion
Bereits seit 2018 will Arnstein das Gewerbegebiet entwickeln. Hier haben kleine Gewerbebetriebe, ein Forstunternehmen, ein Schrotthandel sowie ein auf Lebensmitteltransporte spezialisiertes Unternehmen ihren Sitz. Zudem wohnen einige wenige Menschen hier. Es geht um die bisher versäumte Erschließung mit neuen Straßen und Versorgungsleitungen sowie eine Erweiterung nach Westen. Außerdem sollen Bereiche beiderseits der Straße "Am Steinbrünnlein" und nördlich der Straße "Am Wehr" zum Industriegebiet umgewandelt werden.

Diese Teil-Umwandlung sei nötig, weil einige der seit Jahrzehnten ansässigen Betriebe nach heutigen Vorgaben eigentlich nur in einem Industriegebiet angesiedelt sein dürfen, erläuterte Stadtplaner Martin Beil. Eine Schrott- und Holzverwertung würde heutzutage nicht in einem Gewerbegebiet genehmigt werden. Mit der Umwandlung passt man also eigentlich nur die Formalien an die Realität an. Manche Betriebe hätten sich seit ihrer Ansiedlung vergrößert und entwickelt, das sei ganz normal, ergänzte Sauer.
Der Rathauschef macht deutlich, der entsprechende Entwurf des neuen Bebauungsplans werde seit vier Jahren öffentlich diskutiert und sei auch in Bürgerversammlungen vorgestellt worden. Gerüchte, dass der Sportplatz nun zum Industriegebiet werde, entkräftete er. "Wer erzählt so einen Quatsch?" Es gehe vielmehr um eine vernünftige Feuerwehrzufahrt, deswegen werde die Straße "Am Wehr" ausgebaut. Ebenso gebe es aktuell keine Pläne für ein Heizkraftwerk.

Für das Aktionsbündnis sprach Thomas Heinl, der 2022 am Kammerberg ein Haus gebaut hat. Er kritisierte in seiner emotionalen Rede, dass mit den Heugrumbachern bislang keine offene Kommunikation stattgefunden habe. Auf eine im Oktober überreichte Unterschriftenliste habe die Stadt nicht reagiert. Deshalb sei das Bürgerbegehren initiiert worden. Auch den rechtlichen Weg lässt sich das Bündnis offen. Heinl kündigte zudem die Gründung eines Vereins an.
"Der Bebauungsplan hat aus unserer Sicht keine adäquate Lärmkontingentierung und basiert nur auf Errechnungen." Niemand sei am Kammerberg gewesen, um sich die Lage vor Ort anzuschauen. Ein Industriegebiet sei mit der nahen Wohnbebauung nicht zu vereinbaren. Heinl sprach zudem die hohen Kosten für die Erschließung an, die alle Bürger zu tragen hätten. "Die Schmerzgrenze ist erreicht, jetzt folgen Konsequenzen." Die Initiative wolle den Status quo am Steinbrünnlein erhalten.
Diese Fragen wollten die Arnsteiner beantwortet haben:
Welche Behörde fordert die Ausweisung eines Industriegebiets?
Laut Sauer habe dies das Landratsamt Main-Spessart im Rahmen einer Bewertung gefordert. Stadtplaner Beil sagte, zunächst sei es um die Erweiterung nach Westen gegangen. Daraus habe sich jedoch die Notwendigkeit verschiedenster Anpassungen ergeben, etwa die bisher nicht erfolgte Erschließung sowie geänderte Baugrenzen. Zudem soll die Verfügbarkeit von Löschwasser sichergestellt werden und ein Rückhaltebecken entstehen. "Die Entwässerung muss gemacht werden", so Beil.

Eine Heugrumbacherin klagt über die bereits jetzt hohe Lärmbelastung und will wissen: Warum wurde bei uns nicht gemessen?
Christina Gebert, Expertin für Schallimmissionsschutz, erläuterte, dass entsprechenden Gutachten nicht gemessen, sondern prognostiziert werde. Dies sei genauer und weniger störanfällig. Jedoch könne sich jeder Bürger beim Landratsamt beschweren, wenn er das Gefühl habe, dass es zu laut sei.
Bürgermeister Sauer betonte, dass die Schutzbedürfnisse der Anwohner in allen Belangen erhalten bleiben. Die Betriebe hätten nachweisen müssen, dass sie nicht mehr Lärm verursachen, als erlaubt. "Für den Kammerberg und die angrenzenden Wohngebiete werden die Werte eingehalten." Dies habe das Landratsamt bestätigt.
Ist in den Bereichen, die als Teil-Industriegebiet ausgewiesen werden sollen, Lärm rund um die Uhr möglich?
Stadtplaner Beil sagte, dass bereits jetzt Richtwerte für den Tag und die Nacht eingehalten werden müssten. Durch die industrielle Nutzung ändere sich das nicht. Sauer: "Nicht jeder kann im Industriegebiet machen, was er will."

Warum wird jetzt viel Geld in das Steinbrünnlein investiert, wo der Platz schon begrenzt ist, und nicht in das neue Gewerbegebiet?
Es sei die Aufgabe der Stadt, Wohnen und Wirtschaft in einem "ordentlichen Verhältnis zueinander" zu entwickeln sowie die Gewerbegebiete in die Zukunft zu führen, so Sauer. "Wir sind gerade dran, den Innovationspark 50|10 an der B26a nach vorne zu bringen." Wann dieser fertig zum Bezug ist, sei derzeit aber noch unklar. Das Projekt stehe am Anfang. "Wir dürfen den Betrieben das Wirtschaften nicht untersagen. Es ist auch unsere Verantwortung, den Bestand zu schützen."
Im Hinblick auf den schon jetzt massiven Lkw-Verkehr will ein Bürger wissen, welche Betriebe sich im Steinbrünnlein erweitern wollen.
Bürgermeister Sauer wies darauf hin, dass der Verkehr auf der Bundesstraße nicht allein durch am Steinbrünnlein ansässige Unternehmen zustande komme. "Das Thema Verkehr ist seit 30 Jahren liegengeblieben in unserer Stadt, da müssen wir jetzt ran."
Direkt auf die Frage antwortete auch Julian Reith, Chef des Forstunternehmens in der Straße "Am Wehr": Er plane lediglich ein neues Bürogebäude, um seinen Angestellten moderne Arbeitsplätze stellen zu können. Auf die Lärmbelastung der Anwohner habe das keine Auswirkungen. Auch bot er den Anwohnern an, sich sofort direkt bei ihm zu melden, sollte es doch einmal Betriebslärm außerhalb der erlaubten Zeiten geben. Mit dem neuen Bebauungsplan habe er außerdem die Möglichkeit, etwas Neues zu bauen und so lärmintensive Tätigkeiten besser abzuschirmen.

Wie viel müssen die Anlieger für die Erschließung zahlen?
Kämmerer Maximilian Nun erklärte, dass die Kosten für die Erschließung nach aktueller Schätzung bei 4,7 Millionen Euro lägen. "Genaue Zahlen können wir aber erst nennen, wenn alles ausgeführt ist", sagte Sauer. Zuletzt standen noch 5,3 Millionen Euro im Raum. 1,7 Millionen könnten auf die Anlieger umgelegt werden. Für den Straßenbau müssen diese nach aktueller Prognose 15 Euro pro Quadratmeter zahlen. Die Kosten für Wasser und Kanal werden über die in ganz Arnstein geltende Satzung abgerechnet. Bereits bezahlte Beträge würden angerechnet.
Was passiert, wenn wegen des Teil-Industriegebiets irgendwann niemand mehr am Kammerberg wohnen will?
Für diese Frage erntete eine Anwohnerin spontanen Applaus im Saal. Bürgermeister Sauer hatte zuvor immer wieder betont, wie wichtig Gewerbebetriebe für die Stadtkasse und als Arbeitgeber seien. Zu der Anwohnerin sagte er, ein ähnliches Thema habe jeder Stadtteil. Deutschland sei eben ein Industrieland, und es gebe Aufsichtsbehörden und Bebauungspläne, um sicherzustellen, dass die Belastung für den Menschen erträglich bleibt.