Das Schild "Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage" hängt direkt am Eingang der Johann-Rudolph-Glauber-Realschule in Karlstadt. Dieser Auszeichnung gemäß haben zwei Klassen und ihre Lehrkräfte in den vergangenen Tagen gehandelt. In der Umgebung der Schule tauchten plötzlich an Masten von Verkehrsschildern, Laternen und Bushaltestellen zahlreiche Aufkleber mit rechtsextremem Gedankengut auf.
Am vergangenen Montag bemerkte Marcus Waitz die große Anzahl an Aufklebern mit fremdenfeindlichem Inhalt im Umfeld der Schule. Der Lehrer vermutet, dass diese am Wochenende angebracht wurden. Am Dienstag machte er sich sofort mit einer zehnten Klasse daran, die Sticker zu entfernen – etwa 100 Stück. "Wir wollen keine rechte Hetze im Umfeld der Schule haben", so Waitz. Die Schülerinnen und Schüler seien sehr motiviert dabei gewesen.
"Wir finden es ziemlich erschreckend", sagt einer der Schüler, die mithalfen. In Zukunft werde er selbst mehr darauf achten. Ein anderer Schüler stört sich insgesamt an Aufklebern im öffentlichen Raum, egal welchen Inhalts, und fragt sich, wer dahinter stecken könnte. Dass seine Klasse die Sticker entfernte, könnten sich andere zum Vorbild nehmen, hofft ein weiterer Schüler.
Plastikschaber aus dem Kunstunterricht zu Hilfe genommen
Dabei war die Aktion gar nicht so leicht: Nur mit Plastikschabern aus dem Kunstunterricht gelang das Abmachen. "Wir sind bereit, wenn sie noch einmal kommen", sagt Waitz. Der Lehrer für Geschichte, Politik und Gesellschaft sowie Englisch analysierte die Aufkleber und beobachtete, dass die Inhalte sich seiner Meinung nach bewusst an den Grenzen zur Strafbarkeit bewegen. Teils sei ein QR-Code integriert gewesen, der zu einer Website führe, die Produkte mit rechtsextremem Gedankengut vertreibe.
"Das ist bewusst im Umfeld der Schulen aufgeklebt worden, um dafür Werbung zu machen", vermutet Waitz. Seine Kollegin Julia Reichenbacher war am Mittwoch mit einer kleinen Schülergruppe ebenfalls unterwegs, um im weiteren Umkreis der Schule Aufkleber zu entfernen. Ihr bereiten die Inhalte vor allem im Blick auf die anstehenden Europawahlen Sorge, bei denen 16-Jährige erstmals wählen dürfen.
"Ich habe bemerkt, dass ihnen das teilweise nicht auffällt", sagt die Lehrerin für Deutsch, Religion und Geschichte über ihre Schülerinnen und Schüler. Propaganda aus der NS-Zeit sei etwa in englischen Worten abgedruckt gewesen – die Jugendlichen hätten die Fremdenfeindlichkeit der Parole erst erkannt, als die Lehrerin den Hintergrund erläuterte.
"Herr Waitz hat in Rücksprache mit mir schnell reagiert, dafür bin ich auch dankbar", sagt Schulleiter Thorsten Stöhr. Die Schule habe sich an die Polizei gewandt, um einerseits auf die Aufkleber aufmerksam zu machen und andererseits das Vorgehen abzusprechen. Man müsse vorsichtig sein, dass beim Abkratzen keine Sachbeschädigung am Untergrund entsteht, weiß der Schulleiter nun.
Beobachtungen an Kriminalpolizei weitergeleitet
Die Realschule habe auch die anderen Schulen auf die Aufkleber hingewiesen. Schulleiter Gerald Mackenrodt bemerkte in der Umgebung des Gymnasiums nichts Vergleichbares, auch eine Kontrolle durch den Hausmeister habe nichts ergeben. Da die Straße dort belebter und einsehbarer ist, vermutet Mackenrodt, dass sich Aufkleber nicht so leicht unbemerkt anbringen lassen.
Marcus Kuntscher, stellvertretender Leiter der Polizei Karlstadt, bestätigt, dass auch die Polizei sich vor Ort umgesehen hat. "Die Inhalte richten sich gegen Asylsuchende und die Asylpolitik im Allgemeinen, aber es sind keine Straftatbestände", sagt Kuntscher. Deshalb werde kein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Die Beobachtungen seien allerdings an die Abteilung Staatsschutz der Kriminalpolizei weitergegeben worden. So könne nachgeprüft werden, ob außerhalb Karlstadts ähnlich gelagerte Aufkleber angebracht wurden und gegebenenfalls nachvollzogen werden, wer dahintersteckt.
"...Die Inhalte richten sich gegen Asylsuchende und die Asylpolitik im Allgemeinen, aber es sind keine Straftatbestände..."
Damit ist doch alles gesagt. Nichts weiter als freie Meinungsäußerung in einem freien Land.
Peter Wenger
Seminarrektor für Deutsch und Grundfragen staatsbürgerlicher Bildung
Vielen Dank!
Katrin Weber