Warum nicht den eigenen Balkon nutzen, um Strom zu produzieren, anstatt lediglich eine Bambusmatte als Verkleidung aufzuhängen? Das dachte sich Markus Hemrich oft, wenn er die Balkone in seiner Umgebung sah. Der 29-Jährige hat selbst schon seit einigen Jahren ein kleines "Kraftwerk" auf seinem Balkon stehen. Auch wenn er sich damals die einzelnen Bestandteile noch selbst zusammensuchen musste, merkte er bei der Installation, wie einfach das eigentlich ist. Mit der Zeit entwickelte sich daraus eine Geschäftsidee – heute verkauft Hemrich mit seinem Start-up "Balkonstrom" Solarmodule, die sich jeder in den Garten oder auf den Balkon stellen kann.
Eigentlich ist Hemrich Kriminalpolizist. Er wohnt im Rhein-Main-Gebiet, ist aber in Uettingen aufgewachsen. Da er zusätzlich zu seinem Job als Polizist bereits eine Nebentätigkeit hatte, konnte er das Unternehmen nicht selbst gründen und hat sich deshalb mit seinem Bruder zusammengetan. Der befindet sich noch in der Ausbildung und hat das Start-up 2021 angemeldet.
Seit Anfang dieses Jahres ist Hemrich als Geschäftsführer eingestiegen, seinen Job als Polizist hat er aufgegeben. "Da musste ich lang drüber nachdenken, da mir meine Arbeit viel Spaß gemacht hat", sagt er. Gemeinsam mit seinem Bruder hat er das Unternehmen zunächst aus der Garage seiner Eltern heraus aufgebaut, dort haben sie die ersten Solarmodule gelagert. Inzwischen haben sie ihre Lagerräume in einer Halle in Uettingen, ihre Kunden kommen aus ganz Deutschland.
Handwerker-Mangel kommt Hemrich zugute
Mit seiner Idee setzt Hemrich auf eine Nische: Mit wenig Aufwand, einem kleinen Investment und vor allem ohne Handwerker können die Module installiert werden. Das sei besonders in Zeiten des Handwerker-Mangels für viele ein wichtiges Argument. Das Anbringen ist laut Hemrich auch für Leute mit "zwei linken Händen" gut machbar. Das Solarmodul muss lediglich mit dem Wechselrichter verbunden werden. Dieser wandelt den Gleichstrom, der erzeugt wird, in Wechselstrom um. Der Stecker des Wechselrichters muss dann nur noch in die Steckdose gesteckt werden. Den eingespeisten Strom "bevorzugen" die Geräte im Haushalt automatisch, er wird also direkt genutzt. "Man muss nur vier, fünf Stecker zusammenstecken und dann läuft's", fasst Hemrich zusammen.
Anbringen kann man die Solarmodule entweder am Balkon, wie es der Name des Unternehmens auch suggeriert. Das nötige Zubehör gibt es direkt dazu. Die meisten Kunden, vor allem auf dem Land, montieren die Anlage laut Hemrich jedoch auf ihrem Ziegeldach, dem Gartenhäuschen oder der Terrasse. Das komme vor allem in Frage, wenn man Solarstrom nutzen will, aber den Aufwand einer großen PV-Anlage scheut. "Denn Anlagen mit einer Ausgangsleistung des Wechselrichters bis 600 Watt sind genehmigungsfrei", erklärt Hemrich. Nach aktuellen Plänen der Bundesregierung soll dieser Wert auf 800 Watt erhöht werden. Rund 300 Euro kostet ein Set mit einem günstigen Modul, das in Asien gefertigt wird. Für ein Set mit zwei in Deutschland produzierten Modulen muss man mit rund 800 Euro rechnen.
Und wie viel lässt sich durch das Balkonkraftwerk nun konkret sparen? Wenn man es schafft, den produzierten Strom komplett zu verbrauchen, könne man um die 300 Euro im Jahr sparen, erklärt Hemrich. Das entspreche rund 600 bis 650 Kilowattstunden. Bei dieser Rechnung legt er einen Strompreis von 40 Cent und eine Ausrichtung der Module nach Süden zugrunde. Aber auch nach Osten oder Westen ausgerichtete Module liefern gute Erträge. Sinnvoll ist auch eine Kombination, ein Modul nach Osten und eines nach Westen. "So hat man den ganzen Tag über Strom zur Verfügung", sagt Hemrich.
Balkonkraftwerk muss beim Netzbetreiber angemeldet werden
Wenn man es nicht schafft, den Strom komplett selbst zu verbrauchen, wird dieser ins allgemeine Stromnetz eingespeist. Um dafür eine Vergütung zu erhalten, wäre eine Extra-Anmeldung nötig. Doch da fließe in der Regel so wenig ab, dass sich der bürokratische Aufwand nicht lohnen würde, so Hemrich. Zwar muss man auch das Balkonkraftwerk selbst beim Netzbetreiber anmelden. Doch das lasse sich meist mit einer einfachen Online-Meldung erledigen. Zudem gibt es auch hier bereits einen Gesetzesentwurf der Bundesregierung für weitere Erleichterungen.
Angesichts der hohen Strompreise kommen zurzeit immer mehr Firmen auf den Markt. Doch gerade bei den Materialien gebe es große Qualitätsunterschiede. "Da muss man als Verbraucher aufpassen", warnt er. Zwar sei es sehr unwahrscheinlich, dass es wirklich gefährlich werde und eine Anlage zum Beispiel in Brand gerate. "Es kann aber sein, dass gar kein Strom mehr produziert wird und ich das gar nicht merke, besonders wenn ich die Produktion nicht überwache, zum Beispiel über eine App", so Hemrich.
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