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MARKTHEIDENFELD
Trauer und Tanz beim Lichtspiel-Aus
Trotz aller Trauer über das Ende des Lichtspiellhauses ließen es die Gäste am Freitag dort noch einmal so richtig krachen.
Foto: Ralf Thees | Trotz aller Trauer über das Ende des Lichtspiellhauses ließen es die Gäste am Freitag dort noch einmal so richtig krachen.
Ralf Thees, Redakteur, Main-Post, Redaktion Marktheidenfeld.
Ralf Thees
 |  aktualisiert: 07.04.2020 11:58 Uhr

Dass es kein normaler Abend im Lichtspielhaus in Marktheidenfeld wird, konnte man am Freitag schon um 22 Uhr merken. „So früh war ich noch nie da“, sagte da einer der jungen Besucher. Um diese Uhrzeit öffnete die Disco in der Mitteltorstraße zum letzten Mal seine Türen.

Ansturm schon vor dem Beginn

Doch bereits zu Beginn des Einlasses reichte die Schlange der Gäste dicht gedrängt bis auf die Straße. Der Wunsch, noch einmal „in ihrem Lichtspielhaus“ zu tanzen und zu feiern war bei vielen groß. Schon um 21 Uhr standen die ersten an, wie sie sagten, da sie mit großem Andrang gerechnet hatten. „Ich habe mir extra Urlaub genommen“, erzählt ein junger Marktheidenfelder, der unweit weg in der Mitteltorstraße wohnt. Er ging oft ins Lichtspielhaus, „es war ja nicht weit“.

Hier war der Treffpunkt am Wochenende für all seine Freunde. „Und das ist jetzt vorbei“, sagt er. Was sie nun ohne das Lichtspielhaus machen werden? „Wir werden wohl öfter nach Würzburg fahren“, erklärt er, „ins Odeon oder ins Studio“. Aber das wohl nicht mehr so oft wie in den Marktheidenfelder Club, der einfach um die Ecke war.

Treffpunkt, nicht nur Ort zum Feiern

Fotoserie

Neben der Lust am Feiern war in der Nacht von Freitag auf Samstag. Gerade im Hof des Lichtspielhauses, wo mehr Platz und Ruhe zum Reden war als drinnen, war Trauer zu spüren. „Das Lichtspielhaus war mein Leben“, sagt eine 19-Jährige. Seit sie alt genug war, ging sie mehrmals im Monat hierher. Dass das jetzt vorbei ist, kann sie noch gar nicht glauben. „Jetzt muss ich mit dem Auto nach Würzburg fahren, wenn ich weggehen will“, sagt sie. Das ist zu einem teuer, sagt sie, aber auch aufwändig. „Wenn es mir hier mal nicht gefallen hat, bin ich halt wieder heim, das war ja nicht weit.“ Im Lichtspielhaus hat sie immer viele Freunde und Bekannte getroffen. „Die waren einfach alle immer da, das ist jetzt auch vorbei“, sagt die junge Frau.

Attraktivität Marktheidenfelds lässt nach

Die Trauer der noch recht jungen Discogänger versteht ein 31-Jähriges Paar. „Aber unsere Generation trifft es wohl am meisten, dass das Lichtspielhaus zu macht“, sagt sie. Fast von Beginn an, seit sie 18 Jahre alt waren, verbrachten sie hier viele ihrer Wochenenden. „Da ist die Bindung zu dem Club viel stärker, als wenn man erst ein oder zwei Jahre hierher geht.“ Die Schließung des Lichtspielhauses ist ein harter Schlag für Marktheidenfeld, sagt ihr Freund. Die Stadt werde immer weniger attraktiv für junge Menschen. „Was will man abends denn hier noch machen? Es gibt ja fast nichts mehr.“

Verdrängen, trauern, verarbeiten

Zwischen Feierlaune und trauriger Nachdenklichkeit - Betreiber Sascha Beeger lud am Freitag zum letzten Mal zum Tanz ins Lichtspielhaus ein.
Foto: Ralf Thees | Zwischen Feierlaune und trauriger Nachdenklichkeit - Betreiber Sascha Beeger lud am Freitag zum letzten Mal zum Tanz ins Lichtspielhaus ein.

Gegen 1 Uhr wirkte Sascha Beeger, der Betreiber des Lichtspielhauses, noch recht gefasst. „Ich glaube nicht, dass das noch die ganze Nacht so ist. Noch kann ich das recht gut verdrängen und überspielen, aber das wird heute wohl nicht ewig funktionieren“, sagt Beeger. Doch schon als er vor einer Woche zum letzten Mal die Getränke für den Club bestellte und das Personal für den Abschlussabend einteilte, „war das ein ganz blödes Gefühl“.

Wie es für danach ihn weitergehen wird, weiß Beeger noch nicht. „Erst mal muss ich wieder runterkommen und das Ganze verarbeiten“, sagt er. Das vergangene Jahr habe ihn sehr viel Kraft gekostet, er müsse „wieder auftanken“. Dann werde man sehen, wie und ob es eine Neuauflage für das Lichtspielhaus an anderer Stelle geben wird. Pläne, eine Disco durch eine Vielzahl an Investoren am Hagebaumarkt zu eröffnen, werden gerade angedacht (wir berichteten).

Erinnerungen an das Lichtspielhaus

Kurz nach Beginn um 22 Uhr gab es schon eine lange Schlange vor dem Einlass des Lichtspielhauses.
Foto: Ralf Thees | Kurz nach Beginn um 22 Uhr gab es schon eine lange Schlange vor dem Einlass des Lichtspielhauses.

Die letzte Nacht im Lichtspielhaus war erfüllt von Freude am Feiern von Seiten der Gäste, aber auch von Trauer, dass „die Ära Lichtspielhaus“ für Marktheidenfeld nun vorüber ist. In den vielen kleinen Grüppchen im Hof wurden Erinnerungen an Erlebnisse ausgetauscht. Eine erzählt von ihrem „ersten richtigen Kuss“, den sie dort bekommen hat, ehemalige Barkeeper des Clubs trafen sich wieder und erinnerten sich an albere Spiele, die sie während der Arbeit gemacht hatten. Eine junge Frau wurde just um Mitternacht 18 Jahre alt und hatte schon lange den Wunsch, dann endlich auch mit ins Lichtspielhaus in die Mitteltorstraße zu gehen. Der Traum wurde ihr erfüllt – leider nur ein einmaliges Erlebnis. Auch Sascha Beegers Mutter war unter den Gästen des Abschiedsabends. „Ich habe vor 14 Jahren das Lichtspielhaus aufgeschlossen, ich werde es heute auch wieder abschließen“, sagt sie voll Wehmut.

 
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