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Eußenheim/Gössenheim
Tödlicher Unfall in Eußenheim wegen Handynutzung: Angeklagter muss ins Gefängnis
An Heiligabend 2022 wurde der Gössenheimer Heinrich Oberleiter, früher Südtiroler Freiheitskämpfer, angefahren. Er starb an den Folgen. Im Verfahren waren Handydaten wichtig.
Kurz vor der Ortsausfahrt Eußenheim war an Heiligabend 2022 der tödliche Unfall passiert.
Foto: Björn Kohlhepp | Kurz vor der Ortsausfahrt Eußenheim war an Heiligabend 2022 der tödliche Unfall passiert.
Björn Kohlhepp
 |  aktualisiert: 18.03.2024 02:42 Uhr

Heinrich Oberleiter, in seiner Jugend Südtiroler Freiheitskämpfer, wurde an Heiligabend vorvergangenen Jahres in Eußenheim von einem Auto erfasst. Tage später erlag der Gössenheimer seinen schweren Kopfverletzungen. Der Fahrer des Autos, ein 52-Jähriger, muss dafür nun wohl wegen fahrlässiger Tötung ins Gefängnis. Zwar sah sich der Angeklagte als unschuldig und behauptete vor dem Amtsgericht Gemünden, am Steuer kein Handy benutzt zu haben, aber das werteten Richter und Staatsanwalt als unglaubwürdig.

Der Angeklagte war aus Richtung Karlstadt durch Eußenheim unterwegs zu seinen Eltern, um dort Heiligabend zu feiern. Gegen 17 Uhr, kurz vor dem Ortsausgang, erfasste er den dunkel gekleideten 81-jährigen Oberleiter mit der rechten Vorderseite, als dieser von links nach rechts die Straße überqueren wollte. Zu dem Zeitpunkt war es bereits dunkel, der Autofahrer mit etwa 50 unterwegs. "Ich habe ihn definitiv nicht gesehen", so der 52-Jährige. Deshalb habe er auch nicht gebremst oder eine Lenkbewegung gemacht. Ein kleiner Schlenker hätte Oberleiter, der schon fast drüben war, wohl das Leben gerettet.

Autofahrer war offenbar stark abgelenkt

Der Autofahrer hätte ihn sehen müssen, glauben Zeuginnen und Zeugen. Die Stelle sei übersichtlich, die Straße gerade. Trotz der Dunkelheit hätte der Angeklagte das Opfer 30 Meter vorher erkennen können, befand ein Gutachten. Für den Staatsanwalt und auch für Richter Sven Krischker gab es nur eine schlüssige Erklärung, warum der Angeklagte den Mann nicht sah: "Sie müssen massiv abgelenkt gewesen sein." Krischker sah das Handy als "einzige plausible Erklärung", dass er Oberleiter nicht gesehen hatte.

Der Angeklagte hingegen beharrte darauf, dass er während der Fahrt weder telefoniert noch das Handy genutzt habe. Das lege er immer auf den Beifahrersitz und verbinde es mit dem Autoradio. Für Musik habe er Youtube vor Fahrtantritt angeschaltet. Als seine Mutter ihn während der Fahrt angerufen habe, habe er extra auf dem Parkplatz kurz vor Eußenheim angehalten.

Handydaten und der zeitliche Ablauf sprachen für eine Handynutzung am Steuer

Allerdings sprachen Handydaten vom Unfalltag gegen die Behauptung des Angeklagten. Die musste die Polizei allerdings erst wiederherstellen lassen, sie waren gelöscht. So zeigte sich, dass der Angeklagte von 17 Uhr und 31 Sekunden an 13 Sekunden lang mit seiner Mutter telefonierte. Der Staatsanwalt nannte es einen Zufall, dass der Anruf genau da eingegangen sein soll, als er sich auf Höhe des Parkplatzes befand.

Zudem ging genau eine Minute und 47 Sekunden nach dem Ende des Anrufs schon der erste Notruf ein. Ein vom Angeklagten eigentlich zu seiner Entlastung genau ein Jahr später aufgenommenes Handyvideo der Fahrt zu seinen Eltern zeigte, dass er von dem Parkplatz bis zur Unfallstelle etwa zwei Minuten brauche. Die Zeugin und der Zeuge, die die 110 und die 112 anwählten, gaben außerdem an, dass sie nicht sofort nach dem Unfall den Notruf wählten. Zunächst hatten sie geschaut, dass mitlaufende Kinder nicht auf die Fahrbahn laufen und ob das Opfer noch lebe.

Zur Entlastung aufgenommenes Handyvideo hatte gegenteiligen Effekt

Der zeitliche Ablauf widerspreche den Behauptungen des Angeklagten, befand der Staatsanwalt. Zudem habe die Fahrtdauer im Video gezeigt, dass er auch Youtube während der Fahrt angeschaltet haben muss. Folglich lüge der 52-Jährige. Dass es in dem Video so aussah, als würde der Angeklagte während der Fahrt sein umgefallenes Handy wieder aufrichten, kommentierte der Staatsanwalt mit: "Das ist unglaublich."

Der Verdacht, der Anruf seiner Mutter sei womöglich durch den Zusammenprall mit dem Opfer unterbrochen worden, konnte nicht geklärt werden. Die Mutter, so ein Polizist im Zeugenstand, habe vom Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht.

Richter sah keinen Grund für eine Bewährung

Das Gericht verurteilte den Angeklagten zu einem Jahr und vier Monaten. Eine Bewährung komme laut Richter Krischker nicht in Frage, die positiven Aspekte (feste Arbeit, nicht vorbestraft) überwögen nicht. Vor allem fehlte dem Gericht ein Geständnis. Das Handyvideo zeige auch, dass der Mann "noch nicht hinreichend sensibilisiert" sei. Ihm soll für mindestens 18 Monate der Führerschein entzogen werden.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

 
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  • Werner Müller
    Herr Schebler! Das hat sehr viel miteinander zu tun. Wenn Sie meinen ersten Kommentar lesen, sich für Geschichte interessieren und auch verstehen, dann erkennen Sie die Zusammenhänge, man könnte es auch eine Kausalkette nennen.
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  • Werner Müller
    Das ist schon sehr tragisch.Jahrelang kämpfte Herr Oberleiter um seine Begnadigung, die ihm dann kurz vor seinem Tod vom italienischen Staat auch gewährt wurde.Auch ist es eine Tragik der Geschichte, mit dem Kriegseintritt Italiens als Verbündeten der Entente mit der alten Forderung der irredentistischen Politik des jungen italienischen Nationalstaates, ergänzt mit dem britischen Versprechen bei "Kriegsgewinn"durch die Entente,Welschtirol u. auch die deutschsprachigen Gebiete Südtirols bis zur Wasserscheide am Alpenhauptkamm (Brennergrenze) durch Italien annektieren zu lassen, genau wie die Adriaküste.Triest führte bis 1919 schwarz-rot-gold in den Farben seines Stadtwappens.Nur durch ein geeintes Europa, in diesem mit einem Selbstbestimmungsrecht der Völker, wird uns dauerhaft Frieden und Freiheit gesichert.Dafür hat Heinrich Oberleiter gekämpft. Die Tragik der Geschichte und das grobe Fehlverhalten eines PKW-Führers, auch eine Tragik, wurden ihm zum Verhängnis.RIP Heinrich Oberleiter.
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  • Hartmut Haas-Hyronimus
    "De Mortuis nil nisi bene" heißt es, über Tote soll man nur gutes reden. Eigentlich. Es sollte aber auch nicht verschwiegen werden, dass Heinrich Oberleiter in den 1960er an Bombenanschlägen in Südtirol beteiligt war. Nach den Anschlägen Anfang der 1960er Jahre, unter anderem auf Strommasten, waren er und die anderen "Pusterer Buben" nach Deutschland geflohen.
    Möge er in Frieden ruhen. Ihn aber zum Freiheitshelden hochzustilisieren ist m.E. unangebracht. Das ist Wasser auf die Mühlen derjenigen, die unserer Demokratie nicht guttun.
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  • Werner Müller
    Herr Hartmut-Haas-Hyronimus, jeder Ethnie und jedem Volk steht, wenn es unterdrückt wird, das Recht auf Notwehr zu - siehe zzt. Ukraine. Herr Oberleiter tötete nie Menschen. Wer ihn kannte, der wusste, was für ein geradliniger, ehrlicher, sozialer und religiöser Mensch er war. Ohne das Wirken der "Pusterer Buam" hätte es die Autonomie, die gerade jetzt wieder vermehrt von Italien beschnitten wird, nie gegeben. 2024 allerdings muss so etwas in Brüssel und in Straßburg geregelt werden.
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  • Bernhard Schebler
    @ Werner Müller, was hat das von früher was er gemacht hat, mit den Unfall zu tun. Überhaupt nichts!
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