
Heinrich Oberleiter, in seiner Jugend Südtiroler Freiheitskämpfer, wurde an Heiligabend vorvergangenen Jahres in Eußenheim von einem Auto erfasst. Tage später erlag der Gössenheimer seinen schweren Kopfverletzungen. Der Fahrer des Autos, ein 52-Jähriger, muss dafür nun wohl wegen fahrlässiger Tötung ins Gefängnis. Zwar sah sich der Angeklagte als unschuldig und behauptete vor dem Amtsgericht Gemünden, am Steuer kein Handy benutzt zu haben, aber das werteten Richter und Staatsanwalt als unglaubwürdig.
Der Angeklagte war aus Richtung Karlstadt durch Eußenheim unterwegs zu seinen Eltern, um dort Heiligabend zu feiern. Gegen 17 Uhr, kurz vor dem Ortsausgang, erfasste er den dunkel gekleideten 81-jährigen Oberleiter mit der rechten Vorderseite, als dieser von links nach rechts die Straße überqueren wollte. Zu dem Zeitpunkt war es bereits dunkel, der Autofahrer mit etwa 50 unterwegs. "Ich habe ihn definitiv nicht gesehen", so der 52-Jährige. Deshalb habe er auch nicht gebremst oder eine Lenkbewegung gemacht. Ein kleiner Schlenker hätte Oberleiter, der schon fast drüben war, wohl das Leben gerettet.
Autofahrer war offenbar stark abgelenkt
Der Autofahrer hätte ihn sehen müssen, glauben Zeuginnen und Zeugen. Die Stelle sei übersichtlich, die Straße gerade. Trotz der Dunkelheit hätte der Angeklagte das Opfer 30 Meter vorher erkennen können, befand ein Gutachten. Für den Staatsanwalt und auch für Richter Sven Krischker gab es nur eine schlüssige Erklärung, warum der Angeklagte den Mann nicht sah: "Sie müssen massiv abgelenkt gewesen sein." Krischker sah das Handy als "einzige plausible Erklärung", dass er Oberleiter nicht gesehen hatte.
Der Angeklagte hingegen beharrte darauf, dass er während der Fahrt weder telefoniert noch das Handy genutzt habe. Das lege er immer auf den Beifahrersitz und verbinde es mit dem Autoradio. Für Musik habe er Youtube vor Fahrtantritt angeschaltet. Als seine Mutter ihn während der Fahrt angerufen habe, habe er extra auf dem Parkplatz kurz vor Eußenheim angehalten.
Handydaten und der zeitliche Ablauf sprachen für eine Handynutzung am Steuer
Allerdings sprachen Handydaten vom Unfalltag gegen die Behauptung des Angeklagten. Die musste die Polizei allerdings erst wiederherstellen lassen, sie waren gelöscht. So zeigte sich, dass der Angeklagte von 17 Uhr und 31 Sekunden an 13 Sekunden lang mit seiner Mutter telefonierte. Der Staatsanwalt nannte es einen Zufall, dass der Anruf genau da eingegangen sein soll, als er sich auf Höhe des Parkplatzes befand.
Zudem ging genau eine Minute und 47 Sekunden nach dem Ende des Anrufs schon der erste Notruf ein. Ein vom Angeklagten eigentlich zu seiner Entlastung genau ein Jahr später aufgenommenes Handyvideo der Fahrt zu seinen Eltern zeigte, dass er von dem Parkplatz bis zur Unfallstelle etwa zwei Minuten brauche. Die Zeugin und der Zeuge, die die 110 und die 112 anwählten, gaben außerdem an, dass sie nicht sofort nach dem Unfall den Notruf wählten. Zunächst hatten sie geschaut, dass mitlaufende Kinder nicht auf die Fahrbahn laufen und ob das Opfer noch lebe.
Zur Entlastung aufgenommenes Handyvideo hatte gegenteiligen Effekt
Der zeitliche Ablauf widerspreche den Behauptungen des Angeklagten, befand der Staatsanwalt. Zudem habe die Fahrtdauer im Video gezeigt, dass er auch Youtube während der Fahrt angeschaltet haben muss. Folglich lüge der 52-Jährige. Dass es in dem Video so aussah, als würde der Angeklagte während der Fahrt sein umgefallenes Handy wieder aufrichten, kommentierte der Staatsanwalt mit: "Das ist unglaublich."
Der Verdacht, der Anruf seiner Mutter sei womöglich durch den Zusammenprall mit dem Opfer unterbrochen worden, konnte nicht geklärt werden. Die Mutter, so ein Polizist im Zeugenstand, habe vom Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht.
Richter sah keinen Grund für eine Bewährung
Das Gericht verurteilte den Angeklagten zu einem Jahr und vier Monaten. Eine Bewährung komme laut Richter Krischker nicht in Frage, die positiven Aspekte (feste Arbeit, nicht vorbestraft) überwögen nicht. Vor allem fehlte dem Gericht ein Geständnis. Das Handyvideo zeige auch, dass der Mann "noch nicht hinreichend sensibilisiert" sei. Ihm soll für mindestens 18 Monate der Führerschein entzogen werden.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Möge er in Frieden ruhen. Ihn aber zum Freiheitshelden hochzustilisieren ist m.E. unangebracht. Das ist Wasser auf die Mühlen derjenigen, die unserer Demokratie nicht guttun.