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Gössenheim
Ehemaliger Südtiroler Freiheitskämpfer Heinrich Oberleiter ist gestorben
Der Gössenheimer war einer der vier vielgesuchten "Pusterer Buben". Erst vor einem Jahr war er begnadigt worden und durfte wieder offiziell in seine Heimat reisen. Er wurde 81 Jahre alt.
Heinrich Oberleiter war als junger Mann Südtiroler Freiheitskämpfer.
Foto: Klaus Gimmler | Heinrich Oberleiter war als junger Mann Südtiroler Freiheitskämpfer.
Björn Kohlhepp
 |  aktualisiert: 09.02.2024 03:42 Uhr

Der in Gössenheim (Lkr. Main-Spessart) lebende ehemalige Südtiroler Freiheitskämpfer Heinrich Oberleiter ist Anfang Januar im Alter von 81 Jahren an den Folgen eines Autounfalls gestorben. Der aus St. Johann im Ahrntal stammende Oberleiter war in den 1960er Jahren an Bombenanschlägen in Südtirol beteiligt gewesen. Er kämpfte im Untergrund gegen die Italiener, die für ihn Besatzungsmacht waren.

Als einer von vier "Pusterer Buben" hatte er Strommasten gesprengt – und war dafür 1967 in Abwesenheit zu zweimal lebenslänglich verurteilt worden. Er saß 1963 schon festgenommen im Jeep von Grenzbeamten, als ihm auf spektakuläre Weise noch die Flucht gelang, als der Wagen in den Graben geschleudert wurde. Zunächst kam er nach Österreich, nach einem Auslieferungsgesuch der Italiener 1967 flüchtete er weiter nach Deutschland. Über Jahrzehnte konnte er seine Heimat nur inkognito besuchen, erst vor gut einem Jahr war Oberleiter vom italienischen Staatspräsidenten Sergio Mattarella begnadigt worden.

Der Südtiroler Schützenbund hat 2011 die Autobiografie von Heinrich Oberleiter herausgebracht: "Es gibt immer einen Weg – Heinrich Oberleiter, einer der Puschtra Buibm". Heinrich Oberleiter wuchs  als viertes von 13 Kindern einer Bauernfamilie auf. Die deutschsprachigen Südtiroler seien damals schikaniert worden, sagte er einmal. Ein Schlüsserlebnis, so erzählte er der Redaktion, war für ihn der "Pfunderer Prozess" 1957/58 gewesen. Ein italienischer Grenzbeamter war nach einer durchzechten Nacht tot in einem Bachbett gefunden worden, wahrscheinlich betrunken hineingestürzt. Doch acht Pfunderer Buben wurden zu insgesamt 116 Jahren Gefängnis verurteilt.

Im Juni 1961 wurden 37 Hochspannungsmasten der Bozener Industriezone gesprengt. Zahlreiche Verdächtige wurden verhaftet. Der Knecht Heinrich Oberleiter und drei andere Burschen, die konspirativ agierenden "Pusterer Buben", aber nicht. Sie bauten Felsverstecke, verübten Anschläge, waren schließlich die am meisten gesuchten Aktivisten. Im Dezember 1963 gelang ihm die Flucht, nachdem er zuvor mit seinem Motorrad in eine Straßensperre gefahren und festgenommen worden war. Den Prozess 1967 nannte er einen "Schauprozess".

Die vier Pusterer Buibm: Im sogenannten 'Pusterer Sprengstoffprozess' wurden sie in Abwesenheit zu zweimal lebenslänglich verurteilt. In der Bildmitte Heinrich Oberleiter.
Foto: Archiv Günther Obwegs | Die vier Pusterer Buibm: Im sogenannten "Pusterer Sprengstoffprozess" wurden sie in Abwesenheit zu zweimal lebenslänglich verurteilt. In der Bildmitte Heinrich Oberleiter.

In Österreich hatte er sich dem Widerstand von Nordtirol aus angeschlossen, sei aber nicht mehr überzeugt gewesen, dass Gewalt etwas bringe. Bereut hat er seinen Widerstand aber nie. Mit seiner Flucht nach Deutschland war das Leben als Rebell endgültig vorbei gewesen. Anfang der 1980er kamen Oberleiter und seine Frau, die er am Tegernsee kennengelernt hatte, mit der siebenköpfigen Familie als Hauseltern in die SOS-Dorfgemeinschaft Hohenroth bei Gemünden. Seit 1984 war er deutscher Staatsbürger. Zu den anderen Pusterer Buben hatte Oberleiter zuletzt keinen Kontakt mehr. Vor einem Jahr war einer bereits gestorben, die beiden anderen hätten kein Gnadengesuch gestellt.

Die Trauerfeier für Heinrich Oberleiter findet am Donnerstag, 12. Januar, um 14.30 Uhr in der Kirche in Sachsenheim statt, die Beisetzung ist im Anschluss.

 
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  • W. M.
    Andreas Hofer kämpfte für die Freiheit seines Volkes gegen die Franzosen und Bayern, höre "Zu Mantua in Banden". Heinrich Oberleiter kämpfte zwei Jahrhunderte später für sein Volk, inzwischen durch die Verträge von St. Germain italienisches Staatsgebiet mit der Unterjochung der deutschen Sprache und allem Deutschen.1919 hatten noch Südtiroler Abgeordnete in Berlin bei der Findung der Weimarer Republik, Deutsch-Österreich, die 1. österreichische Republik sollte ein Teil der Weimarer Republik werden, für die Farben "schwarz-rot-gold", unserer heutigen Bundesflagge, dem Inbegriff für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung, gestimmt. Auch Oberleiters Kampf war 1963 nicht vergebens. Die Südtiroler bekamen die Autonomie, das Recht auf ihre deutsche Sprache und Tradition, die heute leider wieder beschnitten wird. Ich bewundere Oberleiters Mut und seine Tapferkeit, damit verbunden natürlich auch die körperlichen Fähigkeiten. Leider habe ich ihn nie persönlich kennen gelernt! RIP!!
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