Krampfanfall lautet der Einsatz, der auf der Feuerwache in Oconomowoc im US-Bundesstaat Wisconsin eingeht. Es muss schnell gehen, das kann lebensgefährlich sein. Eine fordernde Situation für die Einsatzkräfte. Und für jemandem aus einem anderen Land, mit einer anderen Muttersprache, noch einmal viel fordernder. Doch die 16-jährige Theresa Harzer aus Stetten erzählt voller Freude von ihren Erlebnissen mit der Feuerwehr in den USA, will mithelfen und lernen. Eigentlich ist Theresa für ein Schuljahr zum Austausch bei einer Gastfamilie. Ihr Hobby, die Feuerwehr, hat sie von Zuhause mitgenommen.
Vor drei Jahren ist sie in die Stettener Jugendfeuerwehr eingetreten, eine Freundin hatte sie angeworben. "Es hat mir super viel Spaß gemacht. Nach den ersten zwei Übungen war ich voll dabei", sagt Theresa. Ihre Begeisterung ist sogar so groß, dass sie zusammen mit zwei anderen Feuerwehrlerinnen auf dem Instagram-Account @feuerwehr_maedels_stetten ihre Erlebnisse und Informationen rund um die Freiwillige Feuerwehr teilt und neue Mitglieder anwirbt. Dadurch habe sich die Jugendgruppe bereits vergrößert und mittlerweile gebe es sogar mehr Mädels als Jungs in der Jugendfeuerwehr. "Das zeigt eben auch, dass wir es genauso gut können", sagt Theresa.
Die Feuerwehr-Gruppe vermisst sie sehr, ansonsten hat sie sich gut eingelebt bei ihrer Gastfamilie in Dousman im US-Bundesstaat Wisconsin. Der Ort ist mit 1000 Einwohnern eher ländlich, liegt aber in der Nähe der Hauptstadt Milwaukee. Über ein Stipendium, das Parlamentarische Patenschafts-Programm des Bundestags, kam Theresa im Sommer 2023 dorthin. Heimweh hatte sie noch nicht groß; vielleicht liegt das auch an ihrem Hobby Feuerwehr, dem sie in den USA fast noch mehr als in der Heimat nachgehen kann.
Ein Ersthelferkurs war die Grundlage für die Einblicke in die amerikanische Feuerwehr
Los ging es in der Schule: Zufällig bot ein Sportlehrer einen Kurs zum Thema "first responder", also Ersthelfer, an. Theresa war sofort dabei. Was sie noch nicht wusste: Unter anderem dieser Kurs würde die Grundlage für spannende Erfahrungen bilden, die sie nun bei der Feuerwehr vor Ort sammeln darf. Denn sie begleitete mittlerweile bereits drei volle 12-Stunden-Schichten lang die Berufsfeuerwehr und durfte den "echten" Feuerwehralltag auf der Wache erleben.
"Tatsächlich habe ich nie damit gerechnet", sagt sie. In einem nahegelegenen Ort habe es eine Art Baseball-Turnier zwischen der Polizei und der Feuerwehr inklusive einer kleinen Fahrzeugshow gegeben. Natürlich wollte Theresa dort hin – und ihre Gastfamilie machte das möglich. "Zum Glück unterstützen sie total, dass die Feuerwehr mein Hobby ist", sagt die Schülerin. Als Hobbyfotografin war sie zwischen den Fahrzeugen unterwegs und machte Fotos. "Ein Feuerwehrmann hat mich dann gefragt, wer ich bin und was ich hier mache." So lernte sie den Berufsfeuerwehrler Jack Zwisler kennen, der ihr sogar Mitfahrten – Ride Alongs – im Feuerwehrauto und Krankenwagen bei Einsätzen organisierte.
"Ich war quasi Mitglied der Feuerwache für den jeweiligen Tag", erzählt Theresa. Voll mitmachen durfte sie zwar noch nicht, sondern musste sich an Zwisler halten, aber kleine Tätigkeiten konnte sie dank ihres Ersthelfer-Kurses an der amerikanischen Schule schon übernehmen. Nach einer morgendlichen Besprechung mit anderen Wachen machte sie beim Fahrzeugcheck mit: Zwei Krankenwagen, ein Werkzeug-Auto mit Pumpe, ein Fahrzeug mit Leiter und ein Wassertank-Wagen.
Für ihren ersten Einsatz fuhr sie im Krankenwagen mit. Viele Berufsfeuerwehrleute seien zusätzlich auch im Rettungsdienst ausgebildet oder hätten zumindest Erste-Hilfe-Kurse, ähnlich wie in Deutschland. So sollte es bei den nächsten Schichten weitergehen: Zu mehreren gestürzten Seniorinnen oder zu starkem Nasenbluten etwa wurden sie gerufen. Für einen Feuerwehreinsatz rückte Theresa zumindest mit aus: "Alle haben sich ausgerüstet und ich durfte hinten sitzen und zusehen. Das war total interessant, weil die auch ein bisschen anderes Equipment haben", sagt sie. Kurz darauf stellte es sich allerdings als Fehlalarm heraus, ein Sensor im Humushaufen einer Fabrik hatte wohl falsch ausgelöst.
Ähnliche Nachwuchsprobleme wie in Deutschland
Aktives Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr könne Theresa zwar nicht werden, aber an den monatlichen Übungen der Jugendfeuerwehr darf sie trotzdem teilnehmen. "Meine Dorffeuerwehr ist grundsätzlich eine freiwillige Feuerwehr, aber trotzdem sind immer drei Leute auf der Wache, die dort arbeiten", sagt Theresa über die Organisation der Wehren in ihrer Region in den USA.
Das Nachwuchs-Problem hat die Jugendfeuerwehr in ihrem Dorf ähnlich wie in Deutschland: Es seien außer ihr sogar nur zwei junge Leute regelmäßig dabei, zwei bis drei weitere ab und an. Ansonsten seien in der örtlichen Freiwilligen Feuerwehr eher ältere Leute aktiv, darunter teils ehemalige Berufsfeuerwehrler.
Unterschiede zwischen der Feuerwehr in Deutschland und in den USA
Eine Besonderheit, die Theresa zumindest der Gegend beobachten konnte, in der sie wohnt: "In meiner Nachbarschaft gibt es keine Hydranten", sagt sie. Vor allem in ländlichen Gegenden sei das so. Deshalb sei bei Einsätzen immer ein riesiger Wasser-Truck dabei. "Das fand ich total spannend. Bei uns in Deutschland, in Stetten, sind überall Hydranten."
Ein paar Hydranten gibt es allerdings doch: Bei einer ihrer Mitfahrten öffnete die Berufsfeuerwehr einen Hydranten für Theresa und sie schauten nach, was im Vergleich zu Deutschland anders ist. Das bemerkte die Stettenerin gleich: Anderes Werkzeug und ein anderes System an Schläuchen und Anschlüssen mache die Sache komplizierter und es dauere länger. "Da finde ich das deutsche System tatsächlich besser", sagt sie.
Es gibt aber auch Techniken, die sie in den USA besser findet und die sie als Vorschläge mit nach Deutschland bringen will. In Deutschland erlebte sie, dass zunächst von außen die Lage analysiert wird, in den USA seien die Feuerwehrleute beispielsweise schneller ins Feuer gegangen. "Beide Systeme sind gut und erfüllen ihren Zweck", findet Theresa. Doch die Art und Weise, in ein Fenster einzusteigen, sei ihr besonders aufgefallen: "Kopf voran, quasi einen Köpfer durch das Fenster von der Leiter aus. Geht schneller und macht irgendwie Spaß", sagt Theresa jetzt – zunächst habe ihr das aber Überwindung gekostet. "Am Anfang dachte ich: Oh, ich weiß nicht, ob ich das machen will."
Weitere Feuerwachen konnte sich Theresa außerdem anschauen; in Chicago war sie sogar am Drehort der Serie "Chicago Fire". "Das Gute hier ist: Die Feuerwehrleute an jeder Feuerwache lassen Leute rein und zeigen die Wache", ist ihre Erfahrung. T-Shirts würden ebenfalls an vielen Wachen verkauft als kleine zusätzliche Einkommensquelle – da hat sich Theresa schon von verschiedenen Orten eines gesichert.
Sie hofft, noch weitere Fahrten der Berufsfeuerwehr begleiten zu dürfen. "Man bekommt ein Gespür dafür, wie alles funktioniert und ob man sich das als Job vorstellen könnte", sagt die 16-Jährige. Ihr primärer Berufswunsch ist derzeit zwar Pilotin – aber direkt danach Feuerwehrfrau. "Sicher ist: Ich werde auf jeden Fall in der Freiwilligen Feuerwehr bleiben, weil es einfach mega Spaß macht. Und es ist gut zu wissen, dass man Leuten in Notfällen helfen könnte."