
Horst Seehofer hat sich nicht überall nur Freunde gemacht, in der Rhön aber schon. Das von ihm vor rund zehn Jahren als bayerischer Ministerpräsident angestoßene Technologietransferzentrum (TTZ) in Bad Neustadt ist zu einem großen Erfolg geworden. Auch Main-Spessart möchte nun ein solches TTZ, das Teil der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt (FHWS) sein soll, aufbauen. Dr. Jörg Geier, Leiter der Stabsstelle Landkreisentwicklung in Rhön-Grabfeld, erklärt, worauf zu achten ist, damit ein solches TTZ gedeiht.
"Das Ziel, die Forschungs-Landschaft in Rhön-Grabfeld zu verbessern, bestand schon länger", berichtet Geier, der seit 2008 im dortigen Landratsamt arbeitet. Dann kamen zwei Dinge zusammen: Zum einen hatte Ministerpräsident Seehofer erkannt, dass "Bayern beim Thema Elektro-Mobilität nicht abgehängt werden" dürfe, zum anderen war im Jahr 2010 ein Siemens-Werk in Bad Neustadt mit über 800 Arbeitsplätzen von der Schließung bedroht. "Seehofer wollte helfen", so Geier. So entstand die Idee eines Technologietransferzentrums.
Schwerpunkt Automotive war klar
Die Fachhochschule Deggendorf hatte zu der Zeit bereits gute Erfahrungen mit derartigen Zentren gemacht, die FH Würzburg-Schweinfurt hatte noch keine. "Der Landkreis Rhön-Grabfeld war stark daran interessiert, mit der FHWS zu arbeiten", erinnert sich Geier. "Es gab und gibt hier mehrere Unternehmen im Bereich Automotive, also Zulieferer zur Automobilindustrie." Dazu passte Seehofers Thema E-Mobilität ideal.

Bei einem TTZ stellt der Standort-Landkreis die nötigen Räumlichkeiten für Forschung und Verwaltung, der Freistaat finanziert die Ausstattung. Aber auch die Unternehmen der Region werden eingebunden: Sie sollen die Stiftungsprofessur finanzieren. "Die Bereitschaft aus der Wirtschaft war bei uns da", so Geier. Der Landkreis hatte ja gemeinsam mit den Betrieben schon Pläne zur Forschung entwickelt.
Eine derartige Stiftungsprofessur folgt den Regeln der Beamtenbesoldung. Für Main-Spessart stellte Sebastian Kühl, Leiter der Wirtschaftsförderung, eine Gehaltsentwicklung von rund 140 000 auf etwa 150 000 Euro in den ersten fünf Jahren vor. Geier spricht für Rhön-Grabfeld von einer Firmenbeteiligung ab 15 000 Euro pro Jahr an der Professur. "Auch kleinere Unternehmen beteiligen sich und finanzieren beispielsweise wissenschaftliche Mitarbeiter."
Hervorragende Entwicklung
Das TTZ-EMO in Bad Neustadt nahm im Frühjahr 2012 mit zwei Wissenschaftlern und einer Sekretärin seinen Betrieb auf. Im akademischen Verfahren wurde Professor Ansgar Ackva zum Institutsleiter erkoren – offenbar ein Glücksgriff. Mittlerweile sind dort über 35 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen tätig, es wurden weitere vier Professorenstellen geschaffen. "Diesen akademischen Mittelbau gibt es an Fachhochschulen in der Regel nicht", sagt Geier. Die Forschungsprofessuren seien sehr gefragt.

An diesem Teil-Institut der FHWS seien schon sechs Dissertationen entstanden. "Wir haben hier nur Studierende mit abgeschlossenem Grundstudium", so Geier. Sie besuchen Vorlesungen in Schweinfurt und forschen in den Labors in Bad Neustadt. Auch die Professoren pendeln zwischen FH-Standort und TTZ.
Als Beleg für den guten Ruf des TTZ führt Jörg Geier auch an, dass Professor Ackva und er 2017 vom Freistaat Bayern zur HighTech-Messe nach China entsandt wurden. "Wir aus der Rhön", sagt Geier lachend. "Das war vorher nur Münchnern vorbehalten." Auch die gefährdeten Siemens-Arbeitsplätze seien gerettet worden. Mittlerweile sei das Werk in kleinere Unternehmen aufgeteilt, "mindestens 500 Arbeitsplätze sind in den vergangenen zehn Jahren hinzugekommen."
Der Knackpunkt für Main-Spessart
Da ist es kein Wunder, dass andere unterfränkische Landkreise ähnliche Technologietransferzentren aufbauen wollen. Geier dient ihnen allen als Ansprechpartner. "In Bad Kissingen soll es um Medizintechnik gehen. Das liegt wegen des Rhön-Klinikums nahe. In den Haßbergen gibt es viele Betriebe mit dem geplanten TTZ-Schwerpunkt Rohrkunststofftechnik." Geier betont: "Das Thema muss in die Region passen."
Da liegt der Knackpunkt für Main-Spessart: Auf welchen Schwerpunkt können sich Hersteller von Sonnenschutz, Backöfen, elektrischen Zahnbürsten, Zementwerke, ein Unternehmen der Industrieautomation und einige andere einigen? Von welcher Forschungsrichtung könnten möglichst viele der Großunternehmen im Landkreis profitieren – und zwar so stark, dass sie sich finanziell an der Stiftungsprofessur beteiligen? Als der Aufbau eines TTZ MSP im Ausschuss für Landkreisentwicklung, Mobilität und Digitalisierung zum ersten Mal angesprochen wurde, waren sich die Kommunalpolitiker einig, das Thema mit Nachdruck zu verfolgen. Die große Frage ist, ob es gelingt, die Wirtschaft im Landkreis mit ins Boot zu holen.
Im Ausschuss wurden "Automation" oder, etwas spezififischer, "additive Fertigung (3-D-Druck)" als mögliche Forschungsschwerpunkte eines Technologiezentrums Main-Spessart genannt. Sebastian Kühl, Leiter der Landkreisentwicklung in Main-Spessart, sagt: "Die Heterogenität des Landkreises kann auch zum Vorteil werden. Wenn wir ein gemeinsames Thema finden, gibt es weniger direkte Konkurrenz um die Forschungsergebnisse." Bis Ende des Jahres hofft Kühl den Schwerpunkt und die Unterstützung der Wirtschaft zu finden. Dann ginge es darum, die Unterstützung aus der Landeshauptstadt zu sichern. Eine Erfolgsgeschichte wie die Rhön möchte auch Main-Spessart gern schreiben.