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Hafenlohr
Tablets gehören in der Hafenlohrer Kita zum Alltag: Zwei Erzieherinnen erzählen, warum sie erst kritisch waren und jetzt überzeugt sind
Bilder bearbeiten, zum Sprechen bringen oder ein Stop-Motion-Video machen: In Hafenlohr lernen die Kinder schon früh, mit digitalen Geräten umzugehen. Welche Vorteile hat das und was machen die Kinder da genau?
In der Kita Hafenlohr üben schon die Kindergarten-Kinder, mit dem Tablet umzugehen. Mit einer App können sie zum Beispiel Bilder 'zum Sprechen' bringen – so wie das Bild der Eiskönigin Elsa, das Lucy gemalt hat.
Foto: Katrin Amling | In der Kita Hafenlohr üben schon die Kindergarten-Kinder, mit dem Tablet umzugehen. Mit einer App können sie zum Beispiel Bilder "zum Sprechen" bringen – so wie das Bild der Eiskönigin Elsa, das Lucy gemalt hat.
Katrin Amling
 |  aktualisiert: 06.09.2024 02:33 Uhr

"Darf ich ein Foto von dir machen?", fragt die sechsjährige Nele, bevor sie mit dem Tablet ein Foto von zwei anderen Kindern in der Kita in Hafenlohr schießt. Sie weiß genau, dass sie immer fragen muss, ob der oder die andere damit einverstanden ist und nicht einfach so jemanden fotografieren darf. Das Bild, das sie geschossen hat, kann sie dann in einer App bearbeiten und zum Beispiel mit einem Sticker verschönern. Im Anschluss schickt sie das Bild zum Drucker – das alles macht Nele ganz allein, ohne Hilfe der Erzieherinnen.

"Früher haben die Kinder ein Bild gemalt und dann war Schluss, heute können sie es noch digital erweitern."
Jana Weiß, Erzieherin

Die Hafenlohrer Kita ist eine von neun Kitas im Landkreis Main-Spessart, die bei dem Projekt "Startchance Kita.digital" mitmacht. Seit einem Jahr üben die Erzieherinnen schon mit den Kleinsten den Umgang mit dem Tablet und nutzen das Gerät im Alltag zu verschiedenen Anlässen. Sie wurden zuvor in Workshops extra dafür geschult. Bezahlt hat die Geräte der Träger der Kita, die Gemeinde Hafenlohr.

Kita-Leiterin Tanja Baumann (links) und Erzieherin Jana Weiß mit den Tablets, die sie im Kindergarten nutzen.
Foto: Katrin Amling | Kita-Leiterin Tanja Baumann (links) und Erzieherin Jana Weiß mit den Tablets, die sie im Kindergarten nutzen.

Reine Spielereien mit dem Tablet, wie andere einfach nur zu fotografieren, sind im Kita-Alltag aber die Ausnahme, erzählt Tanja Baumann. "Wir versuchen immer, Digitales und Analoges zu verknüpfen", sagt die Kita-Leiterin. Zum Beispiel malen die Kinder mit Stift und Papier ein Bild oder bauen eine Burg mit Holzklötzen.

Im zweiten Schritt fotografieren sie das Entstandene und fügen zum Beispiel mit dem Tablet eine Tonspur hinzu. Die von der dreijährigen Lucy gemalte Eiskönigin Elsa kann dann auf einmal den Mund bewegen und sagt "Hallo, ich bin Elsa". In der Kita sehen sie das vor allem als Ergänzung: "Früher haben die Kinder ein Bild gemalt und dann war Schluss, heute können sie es noch digital erweitern", sagt Erzieherin Jana Weiß. 

"Wir nutzen das Tablet als Werkzeug, nicht als Konsumgegenstand."
Tanja Baumann, Kita-Leiterin

Kinder, die heute auf die Welt kommen, haben meist schon sehr früh Kontakt mit digitalen Medien. Ist es da wirklich nötig, dass die Kleinen auch noch in der Kita Tablets in der Hand haben? Sollten sie da nicht lieber herumtollen und so wenig wie möglich auf Bildschirme starren? Tanja Baumann versteht die Bedenken und sagt: "Wir waren im Team zu Beginn alle selbst extrem kritisch gegenüber dem Projekt." Deshalb sei es auch gar nicht so einfach gewesen, jemanden zu finden, der die Schulung machen möchte.

Nele macht ein 'Stop-Motion-Video': Dabei fotografiert sie die einzelnen Schritte des Bildes, das sie nach und nach zusammenlegt. Mit einer App werden die Bilder zu einem Video zusammengefügt.
Foto: Katrin Amling | Nele macht ein "Stop-Motion-Video": Dabei fotografiert sie die einzelnen Schritte des Bildes, das sie nach und nach zusammenlegt. Mit einer App werden die Bilder zu einem Video zusammengefügt.

Inzwischen sind Baumann und Weiß allerdings überzeugt davon, dass sich der Einsatz von Tablets lohnt. Wichtig ist ihnen dabei: "Wir nutzen das Tablet als Werkzeug, nicht als Konsumgegenstand." Wenn sie merken, dass die Kinder nur damit herumalbern, dann greifen die Erzieherinnen ein. Die digitale Entwicklung aber einfach zu ignorieren, halten sie nicht für sinnvoll. "In unserem Beruf dürfen wir nicht stehen bleiben", findet Baumann.

Regeln für den Umgang mit digitalen Medien mitgeben

Denn in Kontakt mit digitalen Medien kommen die Kinder sowieso. "Wir mussten zum Beispiel niemanden zeigen, wie man ein Element auf ein Bild zieht oder wie man zoomt und wischt – das wussten die Kinder schon", sagt Baumann. Besser sei, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und den Kindern von Anfang Regeln für den Umgang mitzugeben – zum Beispiel, dass sie nicht einfach so jeden fotografieren dürfen. Auch Basiswissen, was zum Beispiel eigentlich das Internet ist, haben die Erzieherinnen mit den Kindern besprochen.

"Lernen funktioniert durch Greifen und Begreifen, das werden wir niemals digital ersetzen können."
Tanja Baumann, Kita-Leiterin

Dass die Kinder besonders aufgedreht sind, nachdem sie etwas mit dem Tablet gemacht haben, kann Baumann nicht bestätigen. Denn die Kinder würden nie über eine längere Zeit auf den Bildschirm schauen, sondern immer etwas Analoges damit verbinden. "Das Tablet ist auch immer verfügbar, es wird in den normalen Alltag integriert", sagt Baumann. Dadurch sei auch der anfängliche Reiz schnell verflogen und wenn die Kinder genug vom Tablet haben, würden sie es einfach weglegen, erzählt die Kita-Leiterin.

Mit dem 'Bee-Bot' üben die Kinder in Hafenlohr erste Schritte im Programmieren. Die Bilder, auf die die Lernroboter fahren, malen sie vor jedem Spiel selbst neu.
Foto: Katrin Amling | Mit dem "Bee-Bot" üben die Kinder in Hafenlohr erste Schritte im Programmieren. Die Bilder, auf die die Lernroboter fahren, malen sie vor jedem Spiel selbst neu.

Ein Projekt, auf das die Kinder besonders stolz sind, ist ein etwa siebenminütiger Film, in dem sie erklären, wie digitale Bildung in der Kita funktioniert. "Die Kinder haben den Film selbst geplant und ganz viel auch selbst umgesetzt", sagt Baumann.

Schon die Krippenkinder haben ersten Kontakt mit den Tablets

Auch die ganz Kleinen kommen in Hafenlohr schon in Kontakt mit dem Tablet. Jana Weiß betreut die Krippengruppe und übt mit ihnen ganz grundsätzliche Dinge, wie das Gerät erst einmal zu halten. "Vieles kann das Gehirn in dem Alter noch gar nicht verarbeiten, deshalb geht es bei den Kleinen natürlich langsam los", sagt Weiß. Zum Beispiel müssen die Kinder erst einmal verstehen, dass ein Foto aus dem Drucker kommt, wenn sie am Tablet auf einen Knopf drücken. So richtig wird das Gerät deshalb erst bei den Kindern ab zweieinhalb Jahren benutzt.

Auch viele Eltern seien am Anfang skeptisch gewesen und hätten gefragt, ob die Kinder jetzt nur noch am Tablet hängen würden. Als sie erfahren haben, was die Kinder wirklich damit machen, hätten sich die meisten aber entspannt, berichtet Baumann. "Lernen funktioniert durch Greifen und Begreifen, das werden wir niemals digital ersetzen können", ergänzt sie. "Wir versuchen den Kindern einen Grundstock beizubringen. Was sie dann im Elternhaus oder später in der Pubertät daraus machen, müssen wir sehen."

 
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  • Frank Findeiß
    Den Eltern/Betroffenen/Fachkräften und "Expert*innen" in Sachen Medienbildung bzw. digitale Bildung in der Frühpädagogik empfehle ich ganz dringend einen Blick ins BayKiBiG §9 (Informationstechnische Bildung, Medienbildung und -erziehung) ausdrücklich als Bildungsauftrag steht (seit 2005!) bzw. die Kinderrechtscharta (Recht auf digitale Bildung). Niemand wird den Kindern die Welt von morgen erklären und ihnen richtige Wege darin aufzeigen, wenn wir das das nicht tun: in sicherem Rahmen, mit Herz und Verstand und guten Motiven. Denn wenn das nicht in der Familie (durch medienkompetente und mündige Eltern) oder in Kita/Hort (durch fachkundige Erzieher*innen) oder Grundschule (durch kundige Lehrkräfte) geschieht, wird diese Arbeit von der Unterhaltungsindustrie und den sozialen Netzwerken übernommen, da dürfen Sie sicher sein.
    Und zu Herrn Spitzer ("Medien verdummen uns"): recherchieren Sie doch mal zu "Korrelation und Kausalität" bzw. , ganz reduziert: "die Dosis macht das Gift".
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  • Gerhard Duczek
    BayKiBiG §9 wurde geschaffen von Politikern, noch Fragen ?!
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  • Frank Findeiß
    Ja, eine Frage hätte ich schon: stellen Sie jegliches Gesetzeswerke in Aussage und Absicht in Frage -- oder gilt das nur für das BayKiBiG?
    Und wohin zielt Ihr Kommentar: auf die Diskreditierung von Politiker*innen? Wenn ja, dann hilft das niemandem - und trägt nur noch zur Katerstimmung gerade nach diesem Wahlwochenende bei.
    Zum Thema: wie sollen denn Ihrer Meinung nach Kinder auf die moderne Welt vorbereitet werden, wenn man moderne Technik ausklammert? Und - bevor jetzt die Keule "die Kinder sollen erstmal Malen und Basteln lernen & sich mit ihren Sinnen erproben" kommt : haben Sie den Artikel gelesen? Darin wird sehr deutlich betont, dass Kindergärten, die ihren Bildungsauftrag ernst nehmen und die Chancen digitaler Bildung nutzen, in keiner Weise auf den bisherigen pädagogischen Methodenkanon verzichten, sondern dass Tablet, digitale Mikroskope und erste/begleitete Schritte in die Robotik dazukommen KÖNNEN - wenn die Gelegenheit sich anbietet (bestimmt von der Neugier der Kinder)
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  • Gerhard Duczek
    Den Erzieherinnen, bzw. deren Vorgesetzten empfehle ich ganz dringend das Buch von Neurowissenschaftler und Hirnforscher Manfred Spitzner "Cyberkrank - wie das digitale Leben unsere Gesundheit ruiniert" zu lesen.
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