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Erlenbach
Surfen & arbeiten: Der gebürtige Erlenbacher Philipp Jochimczyk und seine Freundin Katrin Marx wandern nach Portugal aus
Bis Jahresende wollen die beiden mitsamt ihrem Unternehmen an das südwestliche Ende Europas umziehen. Wie sie im Surfer-Paradies selbstbestimmt leben und arbeiten wollen.
Philipp Jochimczyk (rechts) stammt aus Erlenbach. Noch lebt er mit seiner Freundin und Geschäftspartnerin Katrin Marx in Berlin, bis Jahresende wollen die beiden nach Portugal auswandern.
Foto: Dorothea Fischer | Philipp Jochimczyk (rechts) stammt aus Erlenbach. Noch lebt er mit seiner Freundin und Geschäftspartnerin Katrin Marx in Berlin, bis Jahresende wollen die beiden nach Portugal auswandern.
Dorothea Fischer
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:54 Uhr

Am liebsten ist der gebürtige Erlenbacher Philipp Jochimczyk (35 Jahre) mit seiner Freundin und Geschäftspartnerin Katrin Marx (36) in Sagres im äußersten Süden Portugals. An der Landzunge treffen die relativ ruhigen Gewässer der Algarve auf beeindruckende Steilklippen und spektakuläre Ausblicke auf den tosenden Atlantik. Unter Surfern ist bekannt, dass es am Meer nahe dem idyllischen Küstenstädtchen keinen Tag ohne Wellen gibt.

Ganz in der Nähe verkauft ein Deutscher "Die letzte Bratwurst vor Amerika". Katrin Marx hat sogar eine Urkunde zu Hause, die ihr bescheinigt, dass sie dort vor einigen Jahren eine solche verzehrt hat. Seitdem kam Marx immer wieder nach Sagres. Bis zum Jahresende wird das Paar, das derzeit in Berlin lebt, mitsamt ihrem Unternehmen, das Schuhe produzieren lässt und vertreibt, dauerhaft dorthin ziehen. "Wir wollen dort eines Tages ein Grundstück kaufen und ein Häuschen bauen", sagt Jochimczyk.

Beim Paddeln auf dem Berliner Plätzensee kennengelernt

Während des Marketing-Studiums war Marx für ein Semester in Lissabon und hat sich in Portugal verliebt, sagt sie. "Das Leben dort ist gemäßigter und das Wetter ist fast immer angenehm." Beide sind begeisterte Wellenreiter. Den Sport kann man dort zu jeder Jahreszeit ausüben. Kennengelernt haben sie sich 2020 im Surfverein in Berlin. Auf dem Plötzensee gibt es zwar kaum Wellen, aber Paddeln auf dem Board als Fitnesstraining ist möglich. 

Jetzt sind die beiden wieder in Sagres, wo sie für einige Monate eine Wohnung gemietet haben – mit der Option, dauerhaft zu bleiben. Ihren Erstwohnsitz haben sie noch in Berlin. In Deutschland ist auch ihr Unternehmen gemeldet. Der komplizierte Umzug der Firma ist der Grund, warum sie nicht schon längst dauerhaft in Portugal leben. "Es gibt viele steuerliche Fallstricke. Wir wollen alles richtig machen", erklärt Jochimczky.

Arbeiten im Mobile Office von Fuerteventura aus

Für beide ist seit längerem klar, dass sie auswandern werden. Jochimczyk erzählt, dass er in der Vergangenheit immer wieder im Ausland war – mal in Argentinien, mal in Brasilien. Sei 2014 wohnt und arbeitet er in Berlin – zumindest auf dem Papier. Dem Arbeitgeber von Jochimczyk, der Wirtschaftsingenieurwesen studiert hatte, war es während der Corona-Pandemie egal, wo er an seinem Computer saß. Hauptsache, er erledigte seine Arbeit.

Philipp Jochimczyk steht am liebsten auf dem Surfbrett und reitet die Wellen an der Südspitze von Portugal. Um sein Hobby mit dem Arbeitsleben zu verbinden, wandern er und seine Freundin Katrin Marx dorthin aus.
Foto: Katrin Marx | Philipp Jochimczyk steht am liebsten auf dem Surfbrett und reitet die Wellen an der Südspitze von Portugal. Um sein Hobby mit dem Arbeitsleben zu verbinden, wandern er und seine Freundin Katrin Marx dorthin aus.

Solange man in einem deutschen Unternehmen angestellt ist und sich weniger als 183 Tage im Ausland aufhält, werden die Einkünfte weiter in Deutschland besteuert. Eine Ummeldung ist nicht nötig. Diese Regelung reizte er aus und verbrachte viel Zeit auf Fuerteventura. Seinen festen Job hat er erst kürzlich aufgegeben, um seine Freundin in ihrem Unternehmen zu unterstützen. Das hat ihn Überwindung gekostet: "Ich bin sehr auf Sicherheit aus", sagt er; ist aber zuversichtlich, dass er als Unternehmensberater eine neue Beschäftigung finden würde.

Lieber wohlfühlen als einen sicheren Job haben

Katrin Marx hat in Berlin für einen Energiekonzern gearbeitet. Mit Beginn der Corona-Pandemie habe sie von ihrem Sehnsuchtsland Portugal aus arbeiten wollen, doch das gestattete ihr Arbeitgeber nicht. Kurzerhand kündigte sie. "Es war mir wichtiger, mich wohlzufühlen, statt einen sicheren Job zu haben." Mit ihren Ersparnissen und einem kleinen Einkommen als freie Texterin habe sie einige Monate überbrücken können.

Sie wollte herausfinden, ob sie sich ein dauerhaftes Leben in Südeuropa wünscht und wie sie sich ihre Arbeit in Zukunft vorstellen kann. "Ich habe schon immer davon geträumt, später mal am Meer zu wohnen." Doch immer öfter habe sie der Gedanke beschlichen, warum sie es nicht jetzt wagen solle.

Ursprünglich stammt Marx aus einem 600-Einwohner-Dorf im Hunsrück (Rheinland-Pfalz). Nach dem Abitur wollte sie in die Großstadt ziehen. Das Leben in Berlin gefällt den beiden. Aber sie glauben, dass es für sie noch einen besseren Ort gebe, an dem sie sich niederlassen wollen. "Man findet in Berlin schnell Gleichgesinnte, etwa für ein Hobby oder eine Geschäftsidee. Aber die Beziehungen zu anderen sind sehr unverbindlich", sagt Marx. Ihr Freund ergänzt: "Ich habe drei Jahre lang in Berlin gewohnt, bis ich dort echte Freunde gefunden habe."

Vegane Schlappen aus Portugal

Vor zwei Jahren entwickelte Marx ihre Idee für die Selbstständigkeit. Sie und ihr Freund entwerfen Schlappen, die ein portugiesisches Unternehmen herstellt. Marx und Jochimczky vertreiben sie unter der Marke "Fünve" bisher vor allem in Berliner Surf- und Skateshops sowie über das Internet. Die Schuhe sind aus veganen Materialien und unter fairen Bedingungen hergestellt.

Warum ausgerechnet Schlappen? Sie sind für die beiden Symbol für den Wandel in ihrem eigenen Leben und in der Gesellschaft. Status und starre Strukturen verlieren an Bedeutung, stattdessen wird es wichtiger, Arbeit und Leben nach eigenen Bedürfnissen vereinen zu können. "Statt 'nine-to-five', Großraumbüro und Dresscode lieber Vier-Tage-Woche, Remote-Office und bequeme Latschen", fasst Jochimczyk zusammen.

Das bedeute nicht, dass sie in Zukunft den ganzen Tag am Strand verbringen werden. Im Gegenteil: Seit sie selbstständig sind, würden sie mehr als zuvor arbeiten, sagt er. "Aber wir arbeiten jetzt selbstbestimmt. Und das fühlt sich oft nicht wie Arbeit an."

 
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  • Helga Scherendorn
    Viel Spaß im Bürokratie Dschungel Portugal. Wer gerne Fahrrad fährt, wird dort keine Freude haben. Es gibt keine Radwege und die Autofahrer fahren nicht ganz so defensiv wie bei uns.
    Du brauchst Handwerker? Viel Spaß bei der Suche. Es wird nur Pfuscher geben. ansonsten viel Spaß und bis bald in Deutschland.
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  • Alexander Götz
    Man kann den beiden alles schlecht reden, man kann Ihnen aber auch Glück und Erfolg wünschen, was ich hiermit gerne tue.

    @ Frau Scherendorn: ich glaube nicht, dass in Portugal der Bürokratie Dschungel größer ist als in Deutschland für mich kaum vorstellbar, und ich lebe auch schon über ein halbes Jahrhundert hier🤣
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