Das Wasser ist nicht blau. Nicht nur. Die Welle schimmert hellgrün und bricht in weißen Schaumkronen, dahinter ist das Meer dunkel, davor türkis. Sebastian Emmert steht mitten drin auf dem Longboard, von Gischt umrahmt. Sein Surfbrett zieht eine helle Schneise in das Wasser vor dem Praia dos Supertubos. Der Neoprenanzug glänzt, alle Muskeln des 33-Jährigen sind angespannt. Leicht verlagert er das Gewicht, das Board folgt seiner Bewegung, gleitet sanft nach links. „Portugal hat die besten Wellen Europas“, sagt Emmert. Und die liegen heute direkt vor der Haustüre des gebürtigen Unterfranken.
Einen Ort, an dem man ganzjährig surfen könne, den habe er immer gesucht, sagt der Würzburger. Eher zufällig landete er vor elf Jahren mit einer Mitfahrgelegenheit in Portugal. Dort, rund um die Stadt Peniche, ziehen sich feine Sandstrände die Küste des Atlantiks entlang. Stetig rollen Wellen an, sie haben das Gebiet um die Halbinsel bei Surfern berühmt gemacht. Für Sebastian Emmert war es der richtige Platz. 2009 gründete er mit einem Kollegen Surfguiding Peniche, seine Surfschule. „Die meisten Menschen sind damit glücklich, 45 Jahre lang im selben Büro zu sitzen“, sagt Emmert. „Ich nicht.“
500 Surfer buchen pro Jahr Kurse bei Sebastian Emmert
Stattdessen lebt er mit seiner Freundin und dem sechs Monate alten Sohn in einem Haus in Peniche. Das Meer ist keine zwei Minuten entfernt. Im Alltag pendelt er zwischen Strand – wo er Surfschüler filmt, fotografiert oder unterrichtet – und der „Base“, dem Zentrum der Surfschule. Feste Arbeitszeiten gibt es nicht, wenn Gäste nachts um 2 Uhr ankommen, ist Emmert da. Die Organisation muss stimmen, die Buchhaltung auch. Bis zu acht Leute arbeiten in seinem Team, er ist der Chef. „Selbstständig zu sein, kostet viele schlaflose Nächte“, sagt der 33-Jährige. „Aber ich bin am Meer und nach einem guten Surf weiß man wieder, warum man alles macht.“ Meist ist es jedoch Abend, bis er es selbst aufs Brett und in die Wellen schafft. Ab und an grillt er danach noch mit den Gästen oder feiert in der Bar. Um die 500 Surfer buchen nach Emmerts Angaben pro Jahr Kurse in seiner Schule, Tendenz steigend. Warum? Was suchen sie?
„Ich glaube, der Grund ist nicht nur das Wellenreiten selbst“, sagt Emmert. Es gehe um das Ganze, den Lifestyle, das Leben am Strand, ohne gesellschaftliche Zwänge. Vielleicht für manchen auch um Freiheit. Werbung und Industrie nutzen das Bild von sonnengebräunten Sportlern, von guter Laune und spaßigem Sport, zur Vermarktung. Und Sebastian Emmert mit den blonden kurzen Haaren passt irgendwie dazu. Auch wenn sich hinter seinem Grinsen Hartnäckigkeit verbirgt.
Beim Surfen muss man Dranbleiben
Surfen sei kein leichter Sport, sagt er. „Man braucht Durchhaltevermögen, um gut zu werden.“ Gerade am Anfang heißt es immer und immer wieder neu aufs Brett zu klettern, wenn man das Gleichgewicht verliert und von den Wellen überrollt wird. Surfer nennen das Waschgang und das Herumwirbeln mit Salzwasser in Mund, Nase und Ohren fühlt sich wirklich an wie ein Abstecher in die Waschmaschine. Irgendwann aber gelingt das Aufstehen auf dem Board, man hält die Körperspannung und gleitet durch das Wasser. Von diesem Moment schwärmen Anfänger wie Profis. „Das Gefühl, auf einer fünf Meter hohen Welle zu surfen, ist unbeschreiblich“, sagt Sebastian Emmert.
Zum ersten Mal gespürt hat der gebürtige Hammelburger (Lkr. Bad Kissingen) das in Zentralamerika. Nach der Fachoberschule in Würzburg war er dort ein Jahr lang „fast jeden Tag im Wasser“, es folgte der Zivildienst und eine Surf-Reise nach Südostasien, dann arbeitete er in verschiedenen Camps für Wellenreiter in Spanien und Frankreich. 2012 wurde Emmert Deutscher Meister auf dem Longboard (länger als acht Fuß), mit kürzeren Boards erreichte er einige fünfte Plätze. Bis heute ist er Wellen von Wales bis Peru, von Costa Rica bis Indonesien gesurft, nur über die „beste Welle redet man nicht, sonst ist es dort bald zu voll“. Und am liebsten surfe er sowieso vor seiner Haustüre, sagt Emmert. „Profi werde ich mit 33 Jahren aber nicht mehr.“
Zu Beginn hatten sie nur zwei Surfbretter
„Am Anfang hatten wir nur zwei Bretter und eigentlich nichts zu verlieren“, sagt Emmert. Die Bürokratie in den Griff zu bekommen, war für den Würzburger zunächst nicht einfach, Freunde und Familie dachten nicht, „dass ich wirklich so lange bleiben würde“.Mittlerweile sind es sieben Jahre in Peniche, Emmert spricht längst fließend Portugiesisch, seine Freundin, eine Schweizerin, arbeitet als Managerin mit im Team. Eine Lebensgeschichte, die fast klingt wie das Drehbuch für einen Hollywoodfilm.
Tatsächlich ist es anders, der Schritt nach Portugal war nicht einfach. Zweifel gehörten und gehören dazu. Selbstständig zu sein, birgt Unsicherheiten. „Ich hatte aber den Vorteil, dass ich nichts zu verlieren hatte“, sagt Emmert. Einen guten Job in Deutschland aufzugeben und einfach auszuwandern, das müsse man sich gut überlegen. Der 33-Jährige hat sich für das Leben in Peniche entschieden, auch wenn er Risiken nicht liebt. Aber die Wellen.
In die Heimat kommt er oft nur an Weihnachten
Die brechen unermüdlich und weiß schäumend vor der Küste um Peniche. Sebastian Emmert paddelt auf dem Kamm, erwischt den Moment, steht auf dem Board und reitet durch die Brandung. Im Slalom gleitet er zwischen den Anfängern hindurch, geht in die Knie, passt sich dem Meer an. Was so fließend aussieht, braucht jahrelange Übung. Wenn Freunde oder Verwandte aus Deutschland vorbeikommen, nehmen sie häufig Muskelkater mit nach Hause. In die Heimat schafft es der Würzburger meist nur zu Weihnachten.
Wenn sein Sohn in einigen Jahren in die Schule kommt, könnte sich das ändern. Vielleicht, so sagt er, wollen er und seine Freundin dann mehr Zeit in der Schweiz verbringen. Aufgeben will Sebastian Emmert seine Surfschule jedoch nicht. Und das Surfen sowieso nicht.