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Karlstadt
Schulwesen: Als Lohn erhielt der Lehrer Speck und Wurst
Aus der Geschichte Main-Spessarts (63): Das Schulwesen am Beispiel von Karlstadt: Es zeigt den Wandel von der Latein- und Deutschen Schule zur Volkschule. Der Lehrer wurde noch mit Naturalien bezahlt.
Die Dorfschule von 1848, Gemälde von Albert Anker. Das Original ist im Kunstmuseum Basel ausgestellt.
Foto: Kunstmuseum Basel | Die Dorfschule von 1848, Gemälde von Albert Anker. Das Original ist im Kunstmuseum Basel ausgestellt.
Wolfgang Merklein
 |  aktualisiert: 10.05.2023 10:09 Uhr

Schulen folgen der Tradition der Klosterschulen und unterstehen organisatorisch und personell der Kirche, in Karlstadt dem Bischof von Würzburg. Der Lehrer bekommt eine Wohnung in einem der um den Friedhof stehenden Häuser zugeteilt. Dafür hat er auch Kirchendienste zu übernehmen, er kümmert sich um den Gesang im Gottesdienst und um die Ausschmückung der Kirche. Neben der geringen Entlohnung erhält er Zugaben zum Lebensunterhalt in Form von Naturalien.

Die Schultradition in Karlstadt ist urkundlich für das Jahr 1331 nachweisbar, denn in einem Ratsprotokoll vom 26. Juni dieses Jahres wird ein „scholmeister“ zu Karlstadt erwähnt. Es ist davon auszugehen, dass er seinen Dienst in der damals einzigen Schule am Kirchhof absolvierte, der „Gemeinen Deutschen Schule“.

Die Lateinschule

Die Lateinschule in Karlstadt ist urkundlich namentlich erstmals 1452 belegt. Sie bereitet anders als die Deutsche Schule ihre Schüler – Mädchen sind in den Archivalien nicht genannt – auf einen geistlichen Beruf oder ein späteres Studium an einer Universität vor. Die Kirche akzeptiert die Übernahme der Schule durch die Stadt, denn zum einen haben die Pfarrherren dadurch mehr Zeit für die Aufgaben der Seelsorge und zum anderen muss die Stadt auch die finanziellen Baulasten für die Schule weitgehend übernehmen. Die Geistlichkeit behält jedoch weiterhin das Mitspracherecht bei der Besetzung der Stelle. Dem Pfarrer obliegt die Prüfung des Lehrerkandidaten auf seine Befähigung.

Die Lateinschule setzt gemäß den allgemein überlieferten Lehrplänen Lesen und Schreiben und somit den frühzeitigen Besuch einer deutschen Schule oder des Privatunterrichts voraus. Das umgangssprachliche Deutsch wird im Unterricht durch das Lateinische ersetzt, wobei auch je nach Fähigkeit des Lehrers Griechisch-Kenntnisse vermittelt werden. Jene sind oft sogenannte „Meister der sieben freien Künste“ Grammatik, Rhetorik, Dialektik, Arithmetik, Geometrie, Musik, Astronomie. Die Lateinschule existiert in Karlstadt leider nicht mehr als eigenes Gebäude, die ehemalige Lage im nordöstlichen Bereich der ehemaligen Friedhofsmauer ist jedoch bekannt. 

Meist im Alter von 13 Jahren verlassen die Schüler die Lateinschule, um sich an einer Universität einzuschreiben. Dies ist in der Zeit der Reformation vor allem Erfurt oder Wittenberg, da die 1402 gegründete Universität Würzburg zu diesem Zeitpunkt nicht mehr existiert. Auch für den Besuch der Lateinschule ist ein Schulgeld zu entrichten. 1552 sind bereits mehrere Stiftungen von Karlstadter Bürgern bekannt mit dem Zweck, die Schulgeld- und Lehrmittelfreiheit für die Schüler der Deutschen und Lateinischen Schule zu ermöglichen. Dafür haben die Schüler die Aufgabe, in der Kirche zu singen oder auch Texte und Gedichte auf Latein vorzutragen. 

Die Lehrer, es gibt im 17. Jahrhundert einen „Schulrektor“ und einen „Adjutanten“, haben den schriftlichen Unterlagen zufolge nach Vorgaben des Stadtrates die Aufgaben des Organisten und des Kantors, gelegentlich auch des Kirchners zu verrichten. Das erklärt auch die verschiedenen Häuser, wie das Mesner-, Kirchnerhaus und die Sattelstiftung, die nachweisbar im Kirchhof standen. Es handelt sich dabei um Gebäude, in denen Dienstwohnungen zur Verfügung gestellt wurden.

Die Deutsche Schule

Neben der Lateinschule gab es die Deutsche Schule. Diese ist bis heute erhalten. Sie wurde  1560 umgebaut und wird im Volksmund später wegen ihrer isolierten Lage „Arche“ genannt. Hier unterrichtet der städtische Schulmeister, der kein Kleriker sein musste. Die Deutsche Schule wird von Jungen und Mädchen der Familien besucht, die das Schulgeld bezahlen. Die Kinder können ab dem sechsten Lebensjahr in die Deutsche Schule gehen. Eine Verpflichtung zum Schulbesuch gibt es nicht, oft müssen die Kinder in Haus und Hof mitarbeiten.

Die Deutsche Schule war in der Arche untergebracht.
Foto: Björn Kohlhepp | Die Deutsche Schule war in der Arche untergebracht.

Der Schulunterricht dauert täglich bis zu zwölf Stunden. Er beginnt früh um 7 Uhr und am Nachmittag ab 12 Uhr. Mittwochs gibt es nur einen halben Tag Unterricht. Es ist nicht ausdrücklich geschrieben, doch kann man annehmen, dass dies für beide Schulen gilt. Lesen, Schreiben und Rechnen erfolgt in deutscher und teilweise in lateinischer Sprache. Hinzu kommen Fächer wie Musik und Singen, um die Gottesdienstgestaltung am Sonn- und Festtagen zu sichern. Unpünktlichkeit und Schwätzen im Unterricht werden bestraft, sogar bei mehrfachem Verstoß durch den Stadtschultheiß mit Gefängnis.

Gegenreformation durch Julius Echter

Mit der Gegenreformation im Bistum Würzburg unter Fürstbischof Julius Echter gibt es eine grundlegende Erneuerung des Schulsystems. Es werden hohe und strenge Anforderungen an das Wissen, den Charakter und an das religiöse Bekenntnis des Schullehrers gestellt. Ab 1582 können sich die Schüler der Lateinschule in die vom Fürstbischof Julius Echter von Mespelbrunn wiedergegründete Universität am Löwentor, heute Dominikanergasse, in Würzburg immatrikulieren.

1687 erfolgt auf Anordnung des Bischofs Johann Gottfried von Guttenberg die „Schulgeldfreiheit für alle Kinder ohne Unterschied“. Damit ist die Maßgabe verbunden, dass die Deutsche Schule, auch „Freischule“ genannt, die Hälfte der Zinsen aus den bestehenden städtischen Stiftungen erhält, die andere Hälfte ist einem Stipendiaten aus der Lateinschule zu geben. 

In den Ratsprotokollen ist in unregelmäßigen Abständen von Verfehlungen der Lehrer zu lesen. So wird 1702 dem Cantor und Magister wegen seiner „vielfältigen Exzesse“ ein scharfer Verweis erteilt. Das Verhalten des Cantors gegenüber dem Pfarrer, seinem Vorgesetzten, sei respektlos, er sei oft dem Trinken zugetan und könne die Kinder nicht unterrichten.

1771 gründet Fürstbischof Adam von Seinsheim das Würzburger Schulseminar, Vorläufer der späteren Lehrerbildungsanstalt. In zwei, später vier Halbjahreskursen werden Methoden des Elementarunterrichts eingeübt. Für 1786 sind Religion und Katechismus, Naturlehre, Sittenlehre, Landwirtschaft, Latein und Musik, Singen und Orgelspiel nachgewiesen. Damit ist das Ende der Lateinschule eingeläutet. Lateinschule und die Deutsche Schule werden abgelöst durch die sogenannte Elementarschule 6.

Die Elementarschule im Zeitalter der Aufklärung

Weitere Reformschritte im Hochstift, in Regierung und Verwaltung unter Bischof Franz Ludwig von Erthal (1779 bis 1795) führen auch zu Veränderungen im Schulwesen. Bereits unter Bischof Franz Ludwig wird die Errichtung einer eigenen Mädchenschule in Karlstadt angewiesen, ganz im Sinne der Aufklärung, Bildung allen Bevölkerungsgruppen zuteil werden zu lassen.

Der Schulraum in der ehemaligen Lateinschule ist beengt, sodass der damalige Pfarrer, Dr. Philipp Anton Buchmann, 1789 den Rat anmahnt, eine neue Schule zu bauen. Noch im gleichen Jahr fällt mit Genehmigung des Fürstbischofs der Beschluss für diesen Schulhausneubau. Es dauert aber noch einige Jahre bis zur Umsetzung durch den Stadtrat von Karlstadt.

1789 fordert die Schulkommission auch die Einstellung einer Lehrerin für die Mädchen. Diese solle sie in der „Industrie- und Handarbeit“ unterrichten, wozu 1790 zwei umzäunte Gartenstücke als „Cultur- und Baumschul“ links und rechts vom Schnellertor bereitgestellt werden. Bildungsziel ist, die Mädchen im Nähen, Stricken und Flicken und die Knaben im Veredeln der Obstbäume, im Pflanzen von Gewächsen und in der Bienenzucht zu unterrichten. 

1798 wird der Lehrer Andreas Riel, ein Schützling des letzten Fürstbischofs von Würzburg, Georg Karl von Fechenbach, Rektor an der Karlstadter Schule. Er ist ein Vertreter der neuen selbstbewussten, aufgeklärten Pädagogenschaft. Riel ordnet an, den Religionsunterricht durch einen Ethikunterricht zu ersetzen, und  befreit die Schüler vom Predigthören in der Kirche. Stadtpfarrer Dechant Buchmann und die Kapuziner vom Kloster widersetzen sich. Es kommt zum Protest und Riel wird entlassen.

1818 wird von 7 bis 8 Uhr früh der Sonntagsunterricht eingeführt. Er hat die Aufgabe, den während der Woche versäumten Unterricht zu kompensieren. Nach dem Gottesdienst gibt es dann noch in der Kirche eine Stunde Christenlehre.

Das jetzige Gebäude der „Arche“ dient bis zum Ende des 18. Jahrhunderts als Schule, dann als Wohnung für den Benefiziaten. Nach 1945 zieht hier der Kaplan der Pfarrei St. Andreas ein. Der Tempelherrenhospizverein Karlstadt e.V. erwirbt im Jahr 2006 die „Arche“ von der Bischöflichen Finanzkammer Würzburg zum Betreiben eines Hospizes für durchreisende Obdachlose, Jugendliche, Pilger, als Gästehaus für Gruppen und als Ordenshaus für den OMTH (Neue Ritterschaft vom heiligen Tempel in Jerusalem).

Franken wird bayerisch, das Ende der Lateinschule

Das Unterrichtssystem des Hochstifts am Ende des 18. und Beginn des 19. Jahrhunderts ist im Vergleich zu anderen Ländern sehr gut. Durch die Auflösung der süddeutschen geistlichen Territorien unter Napoleon geht das Würzburger Bistum an Bayern. Im Zuge dieser Säkularisation wird am 23. Dezember 1802 der Besuch der Elementarschule für alle Kinder zur Pflicht. Schüler, die einen höheren Bildungsabschluss erhalten wollen, müssen dann nach dem Besuch der Elementarschule nach Würzburg in die neu gegründeten königlichen Gymnasien gehen.

Nach der Säkularisation und dem Übergang des Fürstbistums Würzburg an Bayern wird der Neubaubeschluss von 1789 vollzogen und das Gebäude der ehemaligen Lateinschule zwischen 1825 und 1829 abgetragen. Das Erdgeschoss mit dem Keller bleibt erhalten und wird in den 1835 vollendeten Neubau der Elementarschule (jetziges Anwesen Kirchplatz 2) integriert. 1877 ist die Schule nochmals erweitert worden. Mit der wachsenden Zahl der Schüler wird jedoch auch dieses Schulhaus zu klein.

Von der Elementarschule zur Volksschule

1903 erwirbt die Stadt auf der anderen Straßenseite im Osten den „Hof Rumrode“, bricht ihn ab und errichtet ein neues Schulhaus, das 1906 als Knabenschule in der Langgasse 17 bezogen wird, die Mädchen bleiben im Gebäude am Kirchplatz.

Klassenzimmer um 1910 während der Kaiserzeit, zu sehen im Lohrer Schulmuseum.
Foto: Eduard Stenger | Klassenzimmer um 1910 während der Kaiserzeit, zu sehen im Lohrer Schulmuseum.

Nach dem Zweiten Weltkrieg nimmt die Zahl der Schüler erneut stark zu, sodass 1953 hinter der Knabenschule die sogenannte „Georgsschule“ gebaut wird, die bis 1991 als Volksschule beziehungsweise als Grundschule dient. Heute hat hier die Volkshochschule ihre Räumlichkeiten.

Zum Autor: Wolfgang Merklein ist Kunsthistoriker, Germanist und langjähriger Kunsterzieher am Johann-Schöner-Gymnasium Karlstadt. Zudem ist er Vorsitzender des Historischen Vereins Karlstadt.

Literatur: Ratsprotokolle der Stadt Karlstadt, Aufzeichnungen der Sattelstiftung, Stadtarchiv Karlstadt, Aufzeichnungen des Archivpflegers Franz Schwarz von 1969 und  Aufzeichnungen von Werner Zapotetzy: „Ein Streifzug durch die Karlstadter Schulgeschichte in Hochstiftischer Zeit“.

Tipp: Das Lohrer Schulmuseum in Sendelbach bietet viele Ausstellungsstücke aus 200 Jahre Schulgeschichte. Das Museum setzt zwei Schwerpunkte: Schule im Kaiserreich (1871 – 1918) und im Dritten Reich. In beiden Epochen wurde Schule missbraucht, um Gesellschaftsordnung und Ideologie der Regimes zu verbreiten.

 
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