
Neben Tintenfässern, einer Lampe und einer Matratze verfügte Kaiser Napoleons Reisewagen unter anderem über eine Waschschüssel, Spiegel und einen Nachttopf – die Zeit des vielbeschäftigten und rastlosen Potentaten sollte effizient genutzt werden. Insgesamt dreimal durchquerte Napoleon Bonaparte den Spessart auf der seit dem Mittelalter bekannten "Via Publica" und setzte jeweils unterhalb des Klosters Triefenstein über den Main auf seinem Weg von Aschaffenburg nach Würzburg. Ob er jedes Mal auch in diesem für seine Bedürfnisse umgebauten Wagen reiste, ist nicht bekannt.
1806 zog Napoleon gegen Preußen in den Krieg, das nach der Schlacht bei Jena und Auerstedt am 14. Oktober kapitulieren musste. 1812 marschierte Napoleon mit seiner Grande Armée gegen Russland. Im Jahr darauf endete mit der Vielvölkerschlacht bei Leipzig (16. bis 19. Oktober) zunächst die napoleonische Eroberungspolitik in Europa. Für die Bevölkerung der damaligen Zeit brachten diese kurzen Durchreisen langanhaltende Folgen, unendlich viel Leid, Trübsal und Tod.

Im kollektiven Gedächtnis sind die Durchfahrten von 1806 und 1813 augenscheinlich kaum erhalten geblieben, anders die vom Mai 1812. Möglicherweise lag dies daran, dass er 1812 mit seiner habsburgischen Gemahlin Marie-Louise unterwegs war. Vielleicht war es die opulente Entourage, die bleibende Eindrücke hinterließ. Diese bestand normalerweise aus rund 400 Pferden und 40 Mauleseln. Sie trugen jede Menge Gepäck beziehungsweise zogen die Wägen, in denen beispielsweise Feldbetten, Apotheke, Tafelsilber, Weinkeller oder Schmieden verstaut waren. Dazu wurde Napoleon von Sekretären, Köchen oder Pferdeknechten begleitet, die sich auch um die 130 Reitpferde für Kaiser und Adjutanten kümmerten. Zeitgenössische Überlieferungen sprechen davon, dass der Zug 1812 bei Napoleons Abreise aus Paris am 9. Mai eher den Eindruck einer Vergnügungsreise vermittelte.
Teure Straßenreparaturen
Schon im Februar 1812 hatte es sich abgezeichnet, dass Napoleon seinen Weg über Aschaffenburg nach Würzburg nehmen wollte. Seit gut zwei Jahren hatte sich eine Konfrontation mit dem Zarenreich angebahnt. Zar Alexander hatte an der Grenze zum Großherzogtum Warschau Truppen aufmarschieren lassen, eine Provokation für Napoleon. Er ließ seinerseits die Kriegsvorbereitungen auf Hochtouren laufen.
Ende Februar 1812 ordnete der in Aschaffenburg residierende Fürstprimas und Großherzog Carl Theodor von Dalberg Wegereparaturen von Hanau über Aschaffenburg und den Spessart bis nach Triefenstein an. Der Auftrag erging sofort an die großherzogliche Baudirektion. Die Arbeiten auf der "Chaußée von Aschaffenburg bis Trieffenstein" zogen sich bis in den Mai, da hatte auch die Inspektion durch den Baudirektor Gergens Mitte April nichts genutzt. Die Kosten der umfangreichen Ausbesserungen lagen bei fast 16 000 Gulden.
Immenser Pferdebedarf der Poststationen
Am 9. Mai wurde der Befehl im Departement Aschaffenburg ausgegeben, dass "auf der Strecke nach Würzburg für die Durchreise des Kaisers und seines ihm am Tag früher vorausfahrenden sowie einen Tag nach ihm kommenden Gefolges an jeder der fünf Poststationen 150 Pferde, nämlich 18 Reit- und 132 Zugpferde bereitstehen" sollen – bei den fünf Stationen dürfte es sich um Aschaffenburg, Rohrbrunn, Esselbach, Roßbrunn und Würzburg gehandelt haben. Dazu mussten entsprechendes Geschirr sowie Futtervorräte (Fourage) verfügbar sein.
Napoleons Ankunft in Aschaffenburg, für den 12. Mai aus Mainz kommend angekündigt, verzögerte sich um einen Tag. Als er am 13. Mai gegen 9 Uhr mit Marie-Louise unter Glockengeläut in Aschaffenburg eintraf, soll er zunächst ein Bad genommen und einige Kirchen besichtigt haben. Nach Frühstück und Unterredung mit dem Fürstprimas setzte das Kaiserpaar gegen 11.30 Uhr seine Reise nach Würzburg fort.
Angeordnete "Vivat"-Rufe
An der Etappenstation Esselbach wurden die Pferde gewechselt. Hier war der Distriktmaire Eulenhaupt als Etappenkommandant verantwortlich unter anderem für die Einquartierungen von Soldaten, das Anlegen und Verwalten eines Fourage-Magazins oder die Vorspanndienste. Im Laufe des Nachmittags am 13. Mai kamen Napoleon und seine Entourage an der Furt bei Triefenstein an. Die genaue Uhrzeit, wann er über die eigens errichtete Schiffsbrücke nach Lengfurt übersetzte, ist nicht überliefert.
Die Schiffsbrücke dürfte sich auf der Höhe der alten Furt direkt unterhalb des 1803 aufgelösten Augustiner-Chorherrenstifts befunden haben. Angeblich soll Napoleons Kutsche von acht Pferden gezogen worden sein. In den Orten, durch die der Tross zog, mussten die Glocken läuten, Salutschüsse waren verboten.
Vom Lengfurter Georg Joseph Oberdörfer ist ein Augenzeugenbericht zur Passage Napoleons überliefert: "Unser Ort musste hier auf dem Markt stehen. Die Heidenfelder und andere Dörfer bis nach Würzburg mussten ‚vivat" schreien. Die Pfarrherrn und Schullehrer mit samt ihren Ministranten und Schulkindern mit Standarten mussten alle ‚vivat‘ schreien. Alle Musikanten von allen Ortschaften machten Musik. Auch Lohr und seine ganze Gegend mussten hierher und über die Brücken mit ihren Gewehren paradieren und musizieren. Dies war bei hoher Straf befohlen."

Etwas weiter flussabwärts Richtung Trennfeld war eine zusätzliche, sogenannte Bockbrücke sowie eine Schanze zur Deckung des wichtigen Flussübergangs errichtet worden. Wie aus den Quellen berichtet wird, waren beim Bau der Schanze in der Trennfelder Flurabteilung "Im Geitzer" auch 600 spanische Kriegsgefangene im Einsatz. Die Schanze, die auf der Uraufnahme von 1832 als ein "W" noch gut zu erkennen ist, befand sich auf der Höhe des heutigen Klostersees.
Möglicherweise stand die Bockbrücke in unmittelbarer Nähe der damals noch im Main befindlichen beiden kleinen Inseln "der grosse wer" und "das klaine werlein". Einwohner der umliegenden Ortschaften mussten Frondienste leisten. Rettersheimer Bauern erhielten beispielsweise für 52 Fuhren Steine für den Rampenbau insgesamt 17 Gulden und 10 Kreuzer aus der Gemeindekasse.
In Würzburg kam Napoleon gegen 17 Uhr an und übernachtete in der Residenz. Über Bamberg und Bayreuth fand sich der Zug am 16. Mai abends in Dresden ein. Der dortige Fürstentag war den Kriegsvorbereitungen gegen Russland vorbehalten.

Wie viele Soldaten im Vorfeld des Feldzuges oder mit Napoleon 1812 hier den Main überquerten, ist bisher nicht erforscht. Die fast 600 000 Mann starke Armee, mit der Napoleon im Juni 1812 die Grenze nach Russland überschritt, bestand aus insgesamt zwölf Armeekorps und vier Reitergeschwadern. Diese waren aus verschiedenen Ländern Europas über diverse Marschrichtungen an der russischen Westgrenze zusammengezogen worden. Die Frontlinie reichte in etwa von Tilsit im Norden bis fast nach Lemberg in Galizien (heute Lwiw in der Ukraine).
Die wenigsten Soldaten stammten aus Frankreich. Polen stellte beispielsweise rund 95 000 Mann. Etwa 120 000 Soldaten kamen aus den Mitgliedsstaaten des Rheinbundes, darunter gut 24 000 aus dem damaligen Königreich Bayern. Die Großherzogtümer Würzburg und Aschaffenburg dürften ebenfalls Kontingente gestellt haben. Schätzungen zufolge überlebten nur rund 80 000 Soldaten den Feldzug.
Erste und dritte Durchreise
Napoleons erste Reise durch den Spessart war am 2. Oktober 1806 auf seinem Feldzug gegen Preußen erfolgt. Vermutlich am frühen Nachmittag überquerte er demnach den Main bei Triefenstein. Am wenigsten dürften die Bewohner des Spessarts von der dritten Durchreise mitbekommen haben. Kurz vor Mitternacht des 1. August 1813 war Napoleon in Aschaffenburg eingetroffen. Nach einer kurzen Unterredung mit Carl Theodor von Dalberg war er Richtung Würzburg weitergereist, könnte also in den frühen Morgenstunden die Furt bei Triefenstein benutzt haben.
Die Folgen der kurzen Fahrten durch den Spessart spürten die Menschen umso mehr. Nach der Niederlage Napoleons in der Vielvölkerschlacht 1813 sollen bei Triefenstein zirka 50 000 russische Soldaten den Main überquert haben, sie verfolgten das sich zurückziehende französische Heer. Sie brachten das sogenannte Russenfieber (Fleckfieber) mit. So starben beispielsweise in Lengfurt innerhalb weniger Wochen 24, in Rettersheim 31 und in Oberwittbach gar 34 Einwohner an der Seuche. Zudem hatten die Menschen unter Einquartierungen und Plünderungen zu leiden. Die Gemeindekasse Trennfeld wurde zwischen 1807 und 1815 mit über 47 151 Gulden an Kriegskontributionen belastet, die Kriegskosten für die Gemeinde Esselbach summierten sich von 1812 bis 1815 auf über 32 000 Gulden.

Napoleon bleibt eine Gestalt voller Widersprüche – so der französische Präsident Emmanuel Macron in seiner Rede zum 200. Todestag des Kaisers am 5. Mai 2021 in Paris. Dem "Code Civil", mit dem er unter anderem bürgerliches Recht einführte oder den jüdischen Glauben anderen Religionen gleichstellte, stehen Leichenberge und unermessliches menschliches Leid gegenüber. Die Bevölkerung des Spessart zu Beginn des 19. Jahrhunderts hatte vor allem mit letzterem zu kämpfen.
Literatur: Hans-Bernd Spies, Die ersten Begegnungen Kurerzkanzler Carls mit dem französischen Kaiser Napoleon I. in Mainz (1804) und dessen Besuche in Aschaffenburg (1806, 1812 und 1813) sowie deren jeweiliger politischer Hintergrund. In: Mitteilungen aus dem Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg 8 (2005-2007), S. 225-290; Adam ZAMOYSKI, 1812. Napoleons Feldzug in Russland. München 2012.
Zur Autorin: Gertrud Nöth hat Mittlere und Neuere Geschichte studiert. Sie forscht und publiziert seit mehreren Jahren zu Themen im Südost-Spessart, insbesondere zu Triefenstein und Esselbach.