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Karlstadt
Start mit 10 Schaufeln, Rettung aus einem Tresor und Corona: Wie sich das THW in Karlstadt in 70 Jahren verändert hat
Der Ortsverband des Technischen Hilfswerks in Karlstadt ist der älteste in Main-Spessart. Spannende Einsatz-Fotos zeigen, wie wichtig die ehrenamtliche Hilfe war und ist.
Einsätze aus 70 Jahren THW Karlstadt: (links) Bergung eines Mähdreschers, der 1980 in Laudenbach einen Hang hinabgerollt und in einem Wohnzimmer Halt gemacht hatte. (Mitte) Übung mit Einsatzkräften aus dem westlichen Unterfranken 2019 im Übungslager Bonnland. (rechts) 1978 rettete das THW Karlstadt zwei Personen aus einem verschlossenen Tresorraum.
Foto: links und rechts: Archiv THW Karlstadt, Mitte: Fabian Franz | Einsätze aus 70 Jahren THW Karlstadt: (links) Bergung eines Mähdreschers, der 1980 in Laudenbach einen Hang hinabgerollt und in einem Wohnzimmer Halt gemacht hatte.
Stefanie Koßner
 |  aktualisiert: 08.02.2024 18:07 Uhr

Aller Anfang war schwer: Als sich das Technische Hilfswerk (THW) Karlstadt am 1. Mai 1953 als erster Ortsverband im heutigen Landkreis Main-Spessart gegründet hat, standen den Helfern zunächst nur zehn Schaufeln, Pickel und Einsatzanzüge zur Verfügung. Das Material wurde verstreut in der Stadt gelagert. Auf das erste Fahrzeug musste die Helferschaft bis 1967 warten. Zuvor wurden Mannschaft, Material und Boote mit dem Traktor zum Einsatzort gebracht.

2023 – 70 Jahre später – ist das THW auch in Karlstadt eine weltweit tätige, moderne Hilfsorganisation mit spezialisierten Einheiten. Rund 60 aktive Ehrenamtliche und 25 Junghelferinnen und -helfer packen beim Transport von Material für Flüchtlingsunterkünfte in der Region mit an oder unterstützen bei Katastrophen wie 2021 im Ahrtal. Der Ortsbeauftragte Reiner Labisch, sowie Matthias Hiller, zuständig für die Pressearbeit, und Fachgruppenführer Tobias Fuchs sagen, was sich seit den Anfängen verändert hat und erinnern sich an besondere Einsätze.

Wie nach dem Krieg alles begonnen hat

"Als sich das THW hier gegründet hat, war der Krieg noch nicht lange vorbei, die Strukturen mussten erst wieder komplett aufgebaut werden", sagt Hiller. Der Auftrag zum Aufbau der neuen Behörde kam vom damaligen Bundesinnenminister Gustav Heinemann, noch heute ist das THW eine Bundesanstalt beziehungsweise die Zivil- und Katastrophenschutzorganisation des Bundes. In den Anfängen stand vor allem der Zivilschutz im Mittelpunkt – auch im Angesicht des Kalten Krieges. Geübt wurde etwa, Verletzte aus Trümmern zu bergen. In den Ortsverbänden sind seit jeher ausschließlich Ehrenamtliche tätig.

Über die Jahre hinweg haben nicht nur Helferschaft, Fahrzeuge, Material und Aufgaben zugenommen, auch die Struktur wurde an die Bedürfnisse angepasst. So ging etwa der Ortsverband Gemünden nach und nach in den Karlstadter über.

Die Flutkatastrophe im Ahrtal war für das THW herausfordernd

"Das THW hat aber recht bald auch bei größeren Einsätzen geholfen wie der großen Flutkatastrophe in Hamburg 1962, dem Erdbeben in Italien Anfang der 70er-Jahre oder dem großen Elbhochwasser 2002", sagt Labisch. Auch bei Ölunfällen auf dem Main, wie 1976 im Schwenkhafen, oder bei einer Brandserie in Retzbach 1976/77, packte das THW Karlstadt mit an. "Aus jedem dieser Einsätze haben wir gelernt", so Fuchs.

Fotoserie

Einer der größten Einsätze war die Flutkatastrophe im Ahrtal. Hier halfen die Karlstadter unter anderem mit kompletter Hauptmannschaft in Stolberg bei Aachen. "Das war das Krasseste, was ich bisher erlebt habe. Diese Masse an Zerstörung. Wir haben eine Erkundungsfahrt durch das komplette Ahrtal gemacht und mussten an einem Tunnel stoppen – weil die Straße weg war", erinnert sich Tobias Fuchs. Manche Täler hätten wochenlang keinen Kontakt nach außen gehabt, der Großeinsatz gestaltete sich teils schwierig. "Da halfen auch moderne Medien nichts, sondern nur Papierkarte und Kompass", so Hiller.

Vom verunglückten Mähdrescher bis zur Flüchtlingshilfe

Daneben gab es kuriose und spektakuläre Einsätze: 1978 mussten zwei Personen aus einem verschlossenen Tresorraum in der ehemaligen Sparkasse in Karlstadt gerettet werden. Die THW-Helfer arbeiteten sich dabei als "Safeknacker" durch die dicke Stahlbetontür. 1980 wurde ein Mähdrescher geborgen, der in Laudenbach einen Hang hinabgerollt und erst im Wohnzimmer eines Wohnhauses Halt gemacht hatte – ohne dabei jedoch Personen zu verletzen.

Fachberater Tobias Fuchs (von links), der Ortsbeauftragte des THW Karlstadt Reiner Labisch, sowie Matthias Hiller, zuständig für die Pressearbeit, auf dem Hof der Zentrale in der Julius-Echter-Straße 93.
Foto: Stefanie Koßner | Fachberater Tobias Fuchs (von links), der Ortsbeauftragte des THW Karlstadt Reiner Labisch, sowie Matthias Hiller, zuständig für die Pressearbeit, auf dem Hof der Zentrale in der Julius-Echter-Straße 93.

2015 half das Karlstadter THW beim Aufbau von Ankerzentren in Folge der großen Flüchtlingsströme, 2019 bei den verheerenden Schneefällen im Alpenraum oder während der Corona-Pandemie bei Hilfsgütertransporten. Zuletzt unterstützten die Ehrenamtlichen den Landkreis beim Transport von Geflüchteten aus der Ukraine und Mobiliar in die Unterkünfte oder beim Bahn-Chaos nach einem Notarzteinsatz, bei dem über 1000 Menschen in Gemünden und Lohr strandeten.

Im vergangenen Winter beschäftigte sich das THW zudem detailliert mit den Auswirkungen einer möglichen Gasmangellage – in Absprache mit anderen Blaulichtorganisationen und dem Landratsamt. Dabei ging es auch darum, wie die Kommunikation bei einem längeren Stromausfall aufrechterhalten werden kann. 

Das THW Karlstadt will sich am geplanten Katastrophenschutzzentrum niederlassen

Mittlerweile wird der Platz in der Zentrale in der Echterstraße 93 knapp. Hier sitzt das THW seit 1987, nach 34 Jahren Provisorium und mehrmaligen Umzügen. Fuchs: "Wir ächzen seit Jahren nach Platz – für Lehrgänge und Ausrüstung." Geplant ist, ein neues Gebäude in Karlburg zu errichten, das an das geplante Katastrophenschutzzentrum des Landkreises angrenzen soll. Einen genauen Zeitplan gebe es noch nicht, sagt Labisch, da die Finanzierung von Bundesseite noch geklärt werden müsse. Er geht aber von mindestens fünf Jahren bis zum Einzug aus.

Nachwuchsprobleme hat das THW Karlstadt derzeit nicht: "Wir sind einsatzbereit", so Labisch. Auch wenn Corona die Ausbildung erschwert habe. Natürlich könne man aber immer Freiwillige gebrauchen. "Die Helfer kommen zum Teil von weiter her, aus Würzburg oder Arnstein. Das ist anders als bei der Feuerwehr", sagt Fuchs. Da sei es schön, wenn im Einsatzfall mehrere Personen für bestimmte Positionen zur Verfügung stünden. Das THW rückt übrigens nicht automatisch aus, sondern wird von der jeweiligen Einsatzleitung nachalarmiert. "Wir sind immer bereit zu helfen – müssen allerdings auch alarmiert werden", appelliert Fuchs.

Am Samstag und Sonntag, 13. und 14. Mai, feiert das THW Karlstadt ein Fest zum 70-jährigen Bestehen in der Julius-Echter-Straße 93. Beginn am Samstag ist um 17 Uhr, am Sonntag startet der Familientag um 10 Uhr. Geplant sind Geräteausstellungen, ein Kinderprogramm und LKW-Rundfahrten.

So ist das THW Karlstadt aufgebaut

In jedem Ortsverband gibt es einen Führungsstab, den Zugtrupp. Dieser leitet den Einsatz. Dazu gibt es die "Bergungsgruppe" mit neun Helfern, außerdem seit zwei Jahren die "Fachgruppe N", die für Notversorgung und -instandsetzung verantwortlich ist. Sie bildet das Bindeglied zwischen der Bergungs- und den Fachgruppen. Hinzu kommen die "Fachgruppe Ortung", die für die Suche nach Vermissten und Verschütteten zuständig ist, und die "Fachgruppe schwere Bergung". Jeder Helfer muss zunächst eine Grundausbildung absolvieren, danach erfolgt die Spezialisierung.
Quelle: THW Karlstadt
 
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