Ein Holzhäuschen, viel Werkzeug, vollgestopfte Schubladen und Regale bis an die Decke. So etwas könnte in fast jedem Main-Spessarter Garten stehen. Doch der Zweck macht dieses Häuschen ziemlich einzigartig: Hier repariert Hans Geulen Grammofone. "Ich bin der einzige in Unterfranken", glaubt der Rentner aus Lengfurt zu wissen. Für so etwas sei so eine Hütte prima: "Da brauche ich nicht aufräumen. Wenn ich keine Lust mehr habe, lasse ich alles stehen und liegen und gehe."
Von Wohnungsauflösung zu Grammofonen
In seiner Werkstatt ist er eingerichtet wie ein Handwerker. Für die Reparatur der Grammofone muss er mit Holz umgehen, die Mechanik in Stand setzen können und auch mal lackieren. Das hat er sich alles selbst beigebracht, denn von Beruf war er Fahrlehrer. "Ein schwieriger Fall dauert zwei Tage", erklärt der gebürtige Ostfriese, der über den Wehrdienst nach Unterfranken kam - und blieb.
Über 1000 Grammofone habe Geulen bis dato in den Händen gehabt, die meisten davon auch selbst repariert. "Ich bin kein Sammler", erklärt er dennoch. "Ich selbst besitze nur ein einziges - und das hat sich meine Frau gewünscht." Trotzdem begann alles mit einer Sammlerleidenschaft: Eigentlich habe er 50er Jahre Möbel gesucht – die sammelten er und seine Frau tatsächlich, allerdings im kleinen Rahmen. Dadurch landete er bei einem Wohnungsauflöser in Wernfeld. "Der hatte einen kleinen, viereckigen, verschlossenen Kasten da stehen. Und als ich den aufgemacht habe, kam ein kleines Grammofon zum Vorschein. Das hat mich fasziniert." Der Entrümpler hatte auch noch ein paar Schallplatten da und da habe Geulen ihm das einfach für günstiges Geld abgekauft.
Damit war der Grundstein gelegt für sein Hobby, das ihn mittlerweile seit über 40 Jahren begleitet: "Was machen Männer? Die müssen das immer erst einmal zerlegen", sagt Geulen. Er sei begeistert gewesen von der Technik: "Hier wurde Musik gemacht, ohne dass irgendwo Elektrizität gebraucht wurde, rein mechanisch".
In Deutschland schwierig zu kriegen
Nun stand Geulen in den 70er Jahren aber vor einem Problem: In Deutschland habe es kaum alte Grammofone zu kaufen gegeben und das Internet gab es auch noch nicht. Da kam wieder einmal der Zufall ins Spiel: Geulen ist schon seit seiner Jugend gerne nach England gefahren. "Da habe ich gemerkt: In England gibt es viele Grammofone". Er habe einfach einmal angefangen, zwei oder drei Stück zu kaufen, sie mit nach Hause genommen, sie wieder schön hergerichtet und verkauft. "So hat sich irgendwie ein kleiner Handel ergeben." Ein berufliches Standbein sei aber nie daraus geworden. "Nun bin ich seit 12 Jahren im Ruhestand und da muss man ja auch irgendetwas zu tun haben."
Ersatzteile vom Zahnarzt
Manchmal muss er bei den Reparaturen auch ganz schön erfinderisch werden. Ersatzteile gibt es nämlich nicht immer zu kaufen. Für den Drehzahlregler beispielsweise greift Geulen kurzerhand auf Pendelfedern von Standuhren zurück – und für die Membran der Schalldose borgte er sich Bohrerschläuche seines Zahnarztes. Die Idee hatte er bei einem Zahnarztbesuch: Er habe nur den dünnen Schlauch gesehen und gedacht "Mensch, der wäre doch perfekt."
In seiner Werkstatt stapeln sich die Koffer und Kästen. Wer ein klassisches Trichtergrammofon wie aus Filmen sehen will, ist bei Geulen falsch. Die Originale seien meist in festen Händen - wer ein Trichtergrammofon kaufe, erhalte meist einen Nachbau. Für Geulen kommt das nicht infrage. Er beschäftigt sich deshalb hauptsächlich mit Tisch- und Koffergrammofonen. "Ich habe mir die kaputten Grammofone gekauft nach dem Motto: Das kriegste repariert." Sein ältestes Stück ist etwa 110 Jahre alt, sagt Geulen. Es funktioniert nach der Technologie von Thomas Edison und speichert Töne nicht auf Platten, sondern auf kleinen Walzen. Die reparierten Grammofone verkauft Geulen dann wieder - zum Behalten habe er keinen Platz. Kundschaft gäbe es dafür auch; denn die Grammofone können nach der Reparatur auch genutzt werden. Alte Schellackplatten lassen sich auf den Geräten abspielen. "Die gibt es in rauen Mengen im Internet", weiß Geulen.
"Symbiose" mit Museum
Auch im Museum findet Geulen Abnehmer: Auf einem Flohmarkt habe er Jürgen Sommer vom Film-Photo-Ton Museumsverein e.V. in Gemünden kennengelernt und sich daraufhin die Grammofonsammlung dort einmal angeguckt. Mittlerweile sei fast die Hälfte der Grammofone des Museums von ihm. "Die Jungs vom Museum sind da auch recht dankbar", sagt Geulen.