
Es war eine der großen Überraschungen der Wahl: Unter den Erstwählern haben neben den Grünen ausgerechnet die Freien Demokraten besonders viele Stimmen bekommen. 23 Prozent der jungen Leute wählten die FDP, ebenso 23 Prozent die Grünen. Das geht aus Umfragen von Infratest Dimap hervor, die die ARD veröffentlichte. Die Grünen – das überrascht wenig, schließlich sind die 18- bis Anfang-20-Jährigen die Generation von Fridays for Future. Doch warum entschieden sich so viele junge Menschen für die FDP, die sonst – so das Klischee – eher von Selbstständigen und Besser-Verdienern gewählt wird?
Im Gespräch mit der Redaktion erklären je fünf Schüler und Schülerinnen der FOS/BOS Marktheidenfeld und der Mittelschule Lohr, wie sie die Wahlergebnisse interpretieren. Viele von ihnen durften selbst noch nicht wählen, haben sich aber an der Juniorwahl beteiligt. Dies ist ein bundesweites Projekt, in dem junge Menschen ab der siebten Klasse die Wahl nachspielen und dadurch die Teilhabe an der Demokratie erlernen und erleben sollen.
1. Genug von der Groko
Die Schülerinnen und Schüler der FOS/BOS in Marktheidenfeld haben bei der Juniorwahl ähnlich abgestimmt wie ihre Altersgenossen bundesweit: 22 Prozent der Schüler gaben ihre Zweitstimme der FDP, 21,5 Prozent gingen an die Grünen. Nach acht Jahren Großer Koalition hätten wohl viele Wähler genug von SPD und Union, so die Vermutung von Tobias (13. Klasse), selbst Mitglied der Jungen Union. "Wenn man eine Partei aus der Mitte wählen will, dann bleiben nur noch FDP und Grüne", sagt er. Das sieht auch Mittelschüler Sebastian (zehnte Klasse) so: "Die FDP kann mal wählen, ohne der linken oder der rechten Ecke zugeschlagen zu werden", findet er.
2. Corona-Politik und Digitalisierungspläne der FPD ziehen
Tobias vermutet außerdem: Von der strengen Corona-Politik mit vielen Verboten und Einschränkungen falle viel auf die Groko-Parteien zurück – während die FDP die Maßnahmen, unter denen die jungen Leute litten, häufig scharf kritisiert habe.
Mittelschüler Danil (neunte Klasse) hätte, wenn er wählen dürfte, seine Stimme wohl der FDP gegeben, weil sie sich in seinen Augen für die Schüler und die bessere Ausstattung von Schulen mit iPads, Laptops und gutem Internet einsetzen würde.
3. Armin Laschet enttäuschte
Linda (zwölfte Klasse) sagt: "Die Union hätte ich vielleicht gewählt, aber dann habe ich das YouTube-Video von Rezo gesehen." Der YouTuber hatte 2019 vor der Europawahl ein Video mit dem Titel "Die Zerstörung der CDU" veröffentlicht, in dem er die Fehltritte der Partei und ihrer Mitglieder aufzählte. Zur Bundestagswahl 2021 produzierte er drei ähnliche Videos, in denen er mit allen Parteien abrechnete, dabei aber wieder besonders viele Fehler der Union aufgriff. Das Video von 2019 hat mittlerweile 19 Millionen Zugriffe, die Videos von 2021 jeweils zwischen drei und fünf Millionen.
Für Tamara (zwölfte Klasse) hat das Wahlergebnis viel mit Armin Laschet zu tun, der auch im Rezo-Video nicht gut wegkam. Dass die Union mit Söder ein besseres Ergebnis geholt hätte, darin sind sich die FOS/BOS-Schüler einig, und so sieht es zum Beispiel auch Mittelschüler Sebastian. Zwölftklässler Lars gibt jedoch zu bedenken: "Wäre Söder Kanzlerkandidat gewesen und hätte so in der Öffentlichkeit gestanden, wie Laschet, hätte er sich sicher auch einige Fehler geleistet."
4. Christian Lindner überzeugte
Dass die Wahl an der FOS/BOS auch eine Personenwahl war, zeigt das Ergebnis der Erststimmen: Bernd Rützel (SPD) und Alexander Hoffmann (CSU) schnitten hier wesentlich besser ab, als ihre Parteien bei den Zweitstimmen. Die Person Christian Lindner habe der FDP sicher auch Stimmen beschert, sind sich die Schüler einig. Der habe Ausstrahlung und stehe voll hinter seiner Partei, meint Tamara. Da stimmt ihr sogar das JU-Mitglied Tobias zu. Linda sagt: "Bei den anderen Parteien stehen so viele in der ersten Reihe, dass man manchmal nicht durchblickt. Bei der FDP ist einfach konstant Christian Lindner da."
Die Mittelschüler hatten bei einer Podiumsdiskussion an ihrer Schule die Chance, sich alle Direktkandidaten genau anzuschauen. Dabei haben sie ganz unterschiedliche Kriterien angelegt. Felix (achte Klasse) fand Hoffmann überzeugend. "Der ist am besten auf unsere Fragen eingegangen." Das fand auch Sebastian. Am schlechtesten präsentiert hat sich seiner Meinung nach Linken-Kandidat Andreas Adrian, der zu spät kam und für Sebastians Geschmack zu viel gestikulierte.

5. Die Grünen wirken wie eine Verbotspartei
Lars sympathisiert auch mit der FDP: Nach der Corona-Krise müsse die Wirtschaft in Deutschland Zeit bekommen, um sich zu erholen – die Grünen wollten die Wirtschaft zu sehr einschränken, meint er. Auch Magnus (zwölfte Klasse) hätte möglicherweise die FDP gewählt, "weil sie Innovation und Digitalisierung fördern und keine Verbote aussprechen will."
Die Grünen sehen die FOS/BOS-Schüler eher als eine Partei für Städter. Mehr ÖPNV, höhere Preise für Sprit, das schreckt sie ab. "Benzin ist jetzt schon so teuer", sagt Tamara. Und Lars beschwert sich über das schlechte Busnetz rund um Marktheidenfeld. Die Grünen seien zu fixiert auf E-Mobilität, kritisiert Magnus, statt auch andere Technologien auszuprobieren.
Auch die fünf Mittelschüler sind skeptisch, ob das E-Auto langfristig gut für die Umwelt ist. Die Grünen haben bei der Juniorwahl an der Mittelschule wesentlich schlechter abgeschnitten, als in früheren Jahren. Felix kommt von einem landwirtschaftlichen Betrieb: Klar, beim Klimaschutz müsse etwas passieren, aber das gehe nicht von heute auf morgen, findet er. Danil sagt: "Wenn ich 18 bin, will ich auch ein Auto mit gutem Sound fahren." Jonas (achte Klasse) ist sich nicht sicher, ob die Grünen ihre Wahlversprechen halten können. Einzig Lina (neunte Klasse) hätte wohl die Grünen gewählt: "Mir sind Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit am wichtigsten, und ich glaube, das können die Grünen am besten."
Fazit
Dass die Liberalen viele junge Leute überzeugt haben, überrascht die zehn Schülerinnen und Schüler nicht – auch wenn sie selbst vielleicht anders entschieden hätten. Lars, mit 17 Jahren noch knapp zu jung zum Wählen, sagt aber auch: "Ich bin froh, dass ich nicht wählen musste." Die SPD und Grünen könnten ihn einfach nicht überzeugen, und die Union komme wegen Laschet nicht infrage. Linda und Magnus, beide ebenfalls 17, stimmen ihm da zu. Trotzdem steht für sie fest: Wer wählen darf, sollte seine Stimme auf keinen Fall verschenken.
Es ist halt auch einfach die Partei, die sich am meißten zu schulden kommen hat lassen.
Eine gleichmäßige Verteilung der Beispiele wäre 1. gar nicht möglich gewesen und hätte 2. eine völlig falsche Ausgewogenheit ("false balancing") zur Folge gehabt.
und sollte den Grünen zu denken geben.
Kann schon sein, dass der eine oder andere Klartext (vulgo "Verbot") nicht zu vermeiden sein wird, um einen klaren Kurs gegen die Erderwärmung zustande zu bekommen.
Warum aber nicht ein Ziel vorgeben, wo man hinwill, ohne den Leuten vorzuschreiben, auf welche eine einzige Weise das gehen soll? OK, kann sein, dass wir in Deutschland uns das nicht so wirklich zutrauen, aber dann wird es mMn verd... Zeit, damit anzufangen statt Denkverbote zu verhängen!
Und 12 mal "gefällt mir"
Deutschland hat eine kleine Landesfläche, aber historisch dennoch zu viel CO2 ausgestoßen und somit eine sehr große Verantwortung, wenn es um Anerkennung und Anpassung an die Klimakatastrophe geht.
Ich sage mal so: Sie können die Zähne schlecht putzen, oder regelmäßig vergessen die Zähne zu putzen und werden schnell vergessen dass das zum Problem werden könnte. Wenn Sie allerdings zur Routine-Kontrolle beim Zahnarzt gehen werden alle die Schäden sichtbar. Sie wussten die ganze Zeit, dass es Ihre Verantwortung war, aber es war so leicht sich wegzuducken.
So ist das beim Klimawandel auch - aus den Augen aus dem Sinn, aber wenn die Abrechnung kommt wird es uns sehr teuer zu stehen kommen. Darum müssen wir politische Veranwortung für die Klimakatastrophe von unseren Politikern einfordern!!!!
Bei genauer Betrachtung versteht die FDP jedoch unter Freiheit, z.B. den Abbau der Sozialsysteme, Privatisierung in allen Bereichen, Abbau der Solidarsysteme, etc. Wozu so etwas führen kann, erleben wir zurzeit im Gesundheits- und Pflegesystem. Dort wird nicht mehr kostendeckend, sondern gewinnorientiert gewirtschaftet. d.h. Einsparungen an allen Enden, Kostendruck, Bevorzugung lukrativer Behandlungen.
Wichtig ist der FDP, dass Unternehmen von Nebenkosten und Arbeitgeberanteilen befreit werden.
Das ist die Art "Freiheit" nach FDP Gusto: kümmert euch gefälligst selbst um alles und schaut wie ihr zurecht kommt, wenn das Schicksal zuschlägt.
Der Posterboy der Magentagelbblauen streut den Bürgern Sand in die Augen.
Ähnlich ist es heute auch bei "Fridays for Future": Die gucken auch nicht nach links, oder rechts: Die haben auch nur ein einziges Thema auf dem Plan, ohne eine wirkliche Lösung für die gesamte Gesellschaft. Aber so radikal waren die Grünen ja auch mal. Und auch ein Joschka Fischer musste erst mal in der Realpolitik ankommen und erkennen, dass alles irgendwie mit allem zusammenhängt.
Trotzdem finde ich es wirklich Super, dass sich unsere Jugend langsam wieder mit der Politik beschäftigt!
Und auch was bewegen möchte und nicht nur an die Privilegierten denkt. Wohlstand
muß man sich erarbeiten und leider bekommt auch nicht die Möglichkeit dazu.
Geben wir ihm die Chance , alleine schon aus dem Grund, weil wir wenig junge Politiker
mit Charisma . Wenn er diese verspielt hat er für immer ausgespielt !
Und schon zweifle ich wieder an unserem Bildungssystem …