zurück
Rettersheim
Schafkopfturnier in Rettersheim: Warum treffen sich Menschen in Zeiten von Online-Games noch zum Spielen vor Ort?
Seit 30 Jahren kommen am 23. Dezember passionierte Kartenspieler zum Wettkampf nach Rettersheim. In diesem Jahr waren es über 90. Warum das Preisgeld dabei Nebensache ist.
In weihnachtlicher Atmosphäre fand das Schafkopfturnier im Gasthaus 'Zum Stern' in Rettersheim statt.
Foto: Peter Schlembach | In weihnachtlicher Atmosphäre fand das Schafkopfturnier im Gasthaus "Zum Stern" in Rettersheim statt.
Autorenköpfe Volos       -  Die neuen Volos sind da: Peter Schlembach startet am 1. April 2023 in ihr zweijähriges Volontariat.
Peter Schlembach
 |  aktualisiert: 10.05.2023 09:40 Uhr

Wenn alljährlich am 23. Dezember in Triefenstein-Rettersheim zum traditionellen Preisschafkopfturnier gerufen wird, kommen die Teilnehmenden aus nah und fern – und zahlreich. Über 90 sind es in diesem Jahr. Dabei ertönen im Gasthaus "Zum Stern" wieder Rufe wie: "Schell Solo", "Ich ruf die Eichel Ass" und "Grün sticht".

Während sich an einigen Tischen die Teilnehmenden heiter unterhalten, ist es an anderen ruhig. Der Fokus liegt vollkommen auf dem Spiel. Und obwohl um 150 Euro Preisgeld für den ersten Platz gespielt wird, geht es friedlich und ohne übersteigerten Ehrgeiz zu.

Ums Geld würde hier keiner spielen, ist sich Simon Väth sicher. Der 40-jährige Oberndorfer hat sogar schon an den deutschen Schafkopf-Meisterschaften teilgenommen. Für ihn ist es eine Art Tradition, vor Weihnachten nach Rettersheim zu kommen. Seit seiner Kindheit spielt er Schafkopf, seit über 15 Jahren nimmt er an dem Turnier teil und freut sich, dass "immer die gleichen Leute hier sind". Der Reiz des Spiels liege für ihn vor allem darin, dass er einen direkten Einfluss auf den Verlauf habe, sagt Väth.

Nicht nur Teilnehmende aus Main-Spessart kommen nach Rettersheim

Seit knapp 30 Jahren richtet der Kindergartenverein St. Ulrich am Vortag von Heiligabend das Turnier aus. "Früher gab es überall Preisschafkopf", sagt der Vereinsvorsitzende Michael Schmitt. Inzwischen würden deutlich weniger Turniere in der Umgebung stattfinden. Jenes in Rettersheim kommt jedoch auch in Zeiten von Apps und Websites, auf denen man Schafkopf online spielen kann, gut an. Aus dem gesamten Landkreis Main-Spessart, aber auch aus den Landkreisen Schweinfurt, Würzburg und Miltenberg reisen die insgesamt 92 Spielerinnen und Spieler an.

Jeweils vier Personen an einem Tisch spielen eine Runde mit 30 Spielen. Danach werden die Partnerinnen und Partner neu ausgelost.
Foto: Peter Schlembach | Jeweils vier Personen an einem Tisch spielen eine Runde mit 30 Spielen. Danach werden die Partnerinnen und Partner neu ausgelost.

Eine, die bisher nur im Internet gespielt hat, ist Sandra Schwab. Sie hat sich das Schafkopf spielen online selbst beigebracht. "Für mich ist es gut gelaufen, ich habe es mir schlimmer vorgestellt", sagt die 32-Jährige nach ihrem ersten Turnier in der "echten Welt" und lacht. Der Umgang sei viel angenehmer gewesen, als sie es sich ausgemalt habe. "Ich bin gut aufgenommen worden und kann deshalb allen empfehlen, auch mal teilzunehmen." Mit Menschen gemeinsam an einem Tisch zu spielen sei schöner als am PC – außerdem "geht es online um nix". Lediglich bei einigen "Fachbegriffen" habe sie in Rettersheim ihre Probleme gehabt, gibt Schwab zu.

Immer mehr junge und weibliche Spieler nehmen teil

Das Kartenspiel, das als Kulturgut fränkischer und bayerischer Lebensart gilt, zieht vor allem die älteren Generationen an. Das merkt man auch in Rettersheim. Trotzdem wird das Turnier "weiblicher und jünger", wie ein Vorstandsmitglied bemerkt. Dieses Jahr reiche die Altersspanne von 18-Jährigen bis zu über 70-Jährigen. Und etwa zehn Prozent der Teilnehmenden seien Frauen.

Die 71-jährige Silvia ist schon das dritte Mal dabei und froh, dass "noch andere Frauen da sind". Das letzte Mal habe sie vor über drei Jahren Schafkopf gespielt, deshalb sei das Turnier für sie "wie ein kleines Christkind" gewesen.

Die gespendeten Sachpreise für alle Spielerinnen und Spieler mit einer positiven Punktebilanz.
Foto: Peter Schlembach | Die gespendeten Sachpreise für alle Spielerinnen und Spieler mit einer positiven Punktebilanz.

Alle Teilnehmenden spielen während des Turniers 60 Spiele, die auf zwei Runden aufgeteilt sind. Vor jeder Runde werden die Mitspielerinnen und Mitspieler neu ausgelost. Für jedes Spiel gibt es dann positive Punkte für den oder die Gewinner und negative Punkte für den oder die Verlierer. Diese Punkte werden dann addiert.

Der Erlös kommt dem Kindergarten zugute

Mit 460 Punkten gewinnt in diesem Jahr Ottmar Hommer aus Bischbrunn das Turnier. Der 62-Jährige relativiert jedoch sofort seinen Erfolg und meint, dass es auch immer auf die Karten ankomme. Es sei ein Glücksspiel, bei dem man selbst jedoch zumindest einen kleinen Einfluss hat. Seit über zehn Jahren kommt Hommer schon nach Rettersheim und hat bereits des Öfteren gewonnen. Auch in seiner Freizeit spielt er wöchentlich Schafkopf, ohne sich speziell auf das Turnier vorbereitet zu haben.

Für die weiteren Teilnehmenden, die nach den 60 Spielen eine positive Bilanz haben, gibt es Sachpreise, die alle gespendet wurden. Der Erlös aus der Startgebühr von zehn Euro "kommt den Kindern zugute", betont Michael Schmitt. Er ist mit der Veranstaltung zufrieden, "es hat Spaß gemacht und mehr muss es auch nicht", sagt er am Ende des Abends. Derweil sitzen viele Spieler und Spielerinnen noch an den Tischen und spielen weiter.

Wissenswertes über Schafkopf

Das Kartenspiel besteht aus 32 Spielkarten und wurde erstmals im zweiten Drittel des 18. Jahrhunderts erwähnt. Davor war es als Societäts-, Denunciations- und Konversationsspiel verbreitet.
Schafkopf wird zu viert gespielt, im Spiel gibt es vier Farben: Eichel, Gras, Herz und Schellen. Jede Farbe besteht wiederum aus acht Karten mit verschiedenen Zählwerten (Augen). Alle Augen eines Schafkopfspiels ergeben zusammen 120 Punkte (vier mal 30 Punkte). An jeden Spieler werden acht Karten ausgeteilt. Die 6er werden zuvor entfernt. Gestochen werden die ausgespielten Karten immer von der Karte mit der höchsten Wertigkeit. Hat ein Spieler die angespielte Farbe nicht, so kann er mit Trumpf stechen. 
Ziel ist es, so viele Punkte wie möglich durch geschicktes und überlegtes Partner- oder Einzelspiel zu erreichen. Bei den Regeln und zahlreichen Begriffen gibt es einige regionale Besonderheiten. Sieger ist, wer als Spieler mindestens 61 Punkte (Augen) und als Gegenspieler 60 Punkte erreicht.
Die offiziellen Turnierregeln gibt es unter anderem auf der Seite der Schafkopfschule München: www.schafkopfschule.de
Quelle: Schafkopfschule München
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Rettersheim
Peter Schlembach
Kindergartenvereine
Online Spiele
Spielkarten
Trumpf GmbH + Co KG
Turniere
Websites
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top