
Wenn die renommierte Firma Brenner-Plan aus Stuttgart zum ersten Mal ihr Konzept für den Radverkehr in Karlstadt vorstellt, sind die Erwartungen hoch. Schließlich kostet dieses Konzept 35.000 Euro, schließlich hat die Initiative "Karlstadt macht mobil" viele Unterstützer, schließlich hat der Stadtrat sogar eine AG "Fahrradfreundlichkeit" gegründet, um die Planer zu unterstützen. Demenentsprechend gespannt waren die Stadträtinnen und Stadträte im Digitalisierungs-, Wirtschafts-, Verkehrs-, Stadtentwicklungs- und Tourismusausschuss am Dienstag.
Planer Marcel Schlameus tat sein Bestes, die Erwartungen herunterzuschrauben. "Es handelt sich nur um einen Vorentwurf, nicht um ein fertiges Konzept." Er betonte, dass die Antworten aus der Bürgerumfrage (online und im Mitteilungsblatt), das Feedback aus dem Stadtrat und die Ergebnisse des Bürgerworkshops am 2. Juli in das endgültige Konzept einfließen werden. "Das Konzept wird Schritt für Schritt entwickelt", so Schlameus. "Wir werden einen Maßnahmenkatalog vorlegen, der zur Stadt passt."
Die neuralgischen Punkte der Kernstadt
Das Büro habe bisher eine Bestandsaufnahme gemacht, die Stadt "mit Kameras befahren" und von den Stadtratsfraktionen Informationen zu deren Wünschen und Zielen erhalten. Zunächst sei es darum gegangen, wichtige Achsen des Radverkehrs zu identifizieren, beispielsweise die Schulwege sowie die Wege von und zu Stadtteilen. Schlameus sagte, diverse neuralgische Punkte und kritische Stellen habe er schon identifiziert. Er habe schon über 40 mögliche Maßnahmen erarbeitet.
Von den Bürgerinnen und Bürgern sei die erwähnte Umfrage innerhalb von acht Tagen bereits über 480-mal beantwortet worden. Zwar seien noch nicht alle Textfelder ausgewertet, aber die angesprochenen Stellen sind bereits in einer Heatmap erfasst, die im Wesentlichen mit den von Schlameus erkannten Punkten übereinstimmt.
Problem Unterführung – Lösung Eußenheimer Straße
In Karlstadt gebe es eine "schwierige Infrastruktur", so Schlameus. "Die B27 ist eine große Barriere." Und die Bahnunterführung ist das Nadelöhr zwischen Siedlung und Altstadt, das auch auf der Heatmap leuchtend rot strahlt. Die Barrieren an der Unterführung schützen die Fußgänger, sind aber für Lastenräder oder Räder mit Anhänger kaum zu passieren. Nur: Dafür hat Brenner-Plan keine Patentlösung. Schließlich kann die Stadt das Problem Unterführung nicht allein, sondern nur mit Einverständnis der Bahn lösen. Und günstig wäre weder eine Erweiterung der Unterführung noch der Bau einer Brücke.
Also schlägt Schlameus vor, die Nordbrücke und die Kreisverkehre an der Eußenheimer Straße für den Radverkehr attraktiver zu gestalten. "Auch weil eine Kita an der Eußenheimer Straße entsteht, ist dies sinnvoll", erklärte der Planer. Die wenig genutzten Gehwege an der Nordbrücke könnten für Radler freigegeben werden und an der jeweiligen Bergauf-Seite zusätzlich ein 1,5 Meter breiter Schutzstreifen für Radfahrende eingerichtet werden. "Das ist vielleicht nicht vollständig zufriedenstellend, aber die Brücke ist nun mal Bestand", so Schlameus.
Die Verkehrskreisel in der Eußenheimer Straße seien "so groß, dass jeder Sattelschlepper bequem durchkommt", aber an Radfahrer sei beim Bau nicht gedacht worden. Der Planer schlägt vor, den Radverkehr dort "in Nebenanlagen zu führen". Sinnvoll sei auch eine Fußgängerampel in Höhe des neuen Kindergartens.
Was tun in der Bodelschwinghstraße?
Die Bodelschwinghstraße sei ebenfalls "eines unserer Kernthemen", so Schlameus. Aufgrund der großen Straßenbreite gebe es dort "Möglichkeiten zur Gestaltung". Allerdings werde der Parkraum in der Straße gebraucht, zudem gebe es viele Grundstücksein- und -ausfahrten sowie Einmündungen. Deshalb plädiert der Planer dafür, dort Tempo 30 einzuführen und durch gestalterische Maßnahmen die Straßenbreite von zehn auf sechs Metern zu verringern und die Aufmerksamkeit zu erhöhen. Durch Bäume am Straßenrand, markierte Parkplätze, Verkehrsinseln und Fußgängerübergänge sei dies zu erreichen. Dann bliebe es beim Mischverkehr mit Autos und Fahrrädern.

Stadtrat Gunter Müller wandte ein: "In dieser breiten Straße sollte ein eigener Radweg möglich sein. Wenn nicht dort, wo dann?" Schlameus erklärte noch einmal, dass die privaten Ausfahrten dort Gefahrenstellen darstellen. "Wenn Sie aus Ihrer Hofeinfahrt rausfahren, schauen Sie nach links. Wenn aber Radler von rechts kommen, wird's gefährlich."
Bürgermeister Michael Hombach informierte darüber, dass der für Herbst geplante Kanalbau in der Bodelschwinghstraße verschoben werde. Die Gestaltung und die Kanalverlegung sollen zeitlich koordiniert werden.
Kritik und Anregungen der Stadträte
Die Alte Mainbrücke bezeichnete Schlameus als "interessant", auch für den Mainparkplatz erwarte er "einige Ideen und Vorschläge". Bei den Rückmeldungen der Bürgerinnen und Bürger sei auch die Südbrücke mehrfach thematisiert worden. Darum wolle er sich kümmern. In der Alten Bahnhofstraße müsse "baulich etwas geschehen". Vielleicht könne sie zu einer Spielstraße werden, in der Parken nicht erlaubt ist. Ihm sei auch klar, dass die Wege zwischen Stadtteilen und Innenstadt noch zu erarbeiten seien. Weil Waldwege nicht mit Kameras befahrbar seien, habe er denkbare Verbindungen nur mithilfe von Online-Karten am Computer erstellt.
Gunter Müller (Freie Wähler) polterte: "Ich dachte, Sie liefern uns eine Grundlage, auf der wir aufbauen können. Wenn ich das schon höre, ohne Ortskenntnis am Computer erstellt. Sie werden gut bezahlt. Das ist mir alles zu schwammig." Martha Bolkart-Mühlrath (SPD) betonte: "Die Hälfte unserer Einwohner wohnt in den Stadtteilen. Die Gambacher wünschen dringend eine Anbindung an den Maintal-Radweg." Auch Stefan Rümmer (SPD) wünschte eine stärkere Beachtung der Stadtteile: "Da geht's nicht nur um die Verbindung zur Stadt, sondern auch der Stadtteile untereinander." Armin Beck (Grüne) wünschte sich "eine Prioritätenliste der Maßnahmen".
Marcel Schlameus versprach: "Ich nehme das mit." Bürgermeister Hombach sagte, wenn der Stadtrat in Sommerpause gehe, werde Brenner-Plan nach der Online-Umfrage, den Diskussionen im Stadtrat und dem Bürgerworkshop jede Menge Rückmeldungen erhalten haben. Auf dieser Grundlage werde das Konzept dann weiterentwickelt. Schlameus erklärte: "Es werden nicht alle Maßnahmen sofort umsetzbar sein. Unser Konzept wird der Stadt für die nächsten Jahrzehnte Futter bieten."
Daß die riesigen Gehwege der Nordbrücke für Radfahrer freigegeben werden sollten, sagt jeder zweite Karschter seit 20 Jahren. Zumal da sowieso kaum Fußgänger gehen. Nix neues.
Und die Alte Bahnhofstraße "...könne zu einer Spielstraße werden, in der Parken nicht erlaubt ist..."? In einer Spielstraße dürfen gar keine Fahrzeuge fahren, also meint der Autor wohl "verkehrsberuhigter Bereich" und kennt nichtmal die korrekten Begrifflichkeiten? Zudem: die Alte Bahnhofstraße IST BEREITS verkehrsberuhiger Bereich, in dem sowieso nur in markierten Flächen geparkt werden darf. Oder geht es um die 2 Parkplätze vor der Raiffeisenbank? Die stören keinen Radler.
In der Bodelschwinghstraße: " gebe es Möglichkeiten zur Gestaltung" Bitte nicht! Eine breite, übersichtliche Straße ist das beste für gemeinsamen Auto- und Radverkehr. Jedes Herumgebastel mit Hindernissen, Bäumen und Bodenmalereien macht alles nur gefährlicher.
Das liegt auch an der Gestaltung. Eigentlich sollte es in einem verkehrsberuhigten Bereich keine Trennung zwischen Gehsteig und Straße geben wie es in der Alten Bahnhofstraße der Fall ist. Deshalb sprach der Planer von einer Umgestaltung und verwendete den Begriff "Spielstraße".
Markus Rill,
Redakteur