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Eußenheim/Veitshöchheim
Oberst a.D. Peter Utsch: Der Ukraine-Krieg könnte lang und zermürbend werden
Der frühere Bataillonskommandeur hielt diese russische Aggression nicht für möglich. Im Interview sagt der Eußenheimer, was die Nato tun sollte - und was ihn zuversichtlich stimmt.
Der frühere Bundeswehr-Oberst Peter Utsch bei einem Gespräch in der Main-Post-Redaktion.
Foto: Patty Varasano | Der frühere Bundeswehr-Oberst Peter Utsch bei einem Gespräch in der Main-Post-Redaktion.
Markus Rill
Markus Rill
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:49 Uhr

Peter Utsch aus Eußenheim (Lkr.Main-Spessart) war Kommandeur verschiedener Bundeswehr-Bataillone, stellvertretender Brigadekommandeur und vor seinem Ausscheiden im März 2018 Abteilungsleiter im Stab der 10. Panzerdivision in Veitshöchheim. Der 65-jährige Oberst a.D. und heutige Kreisvorsitzende der Freien Wähler Main-Spessart ordnet den Ukraine-Krieg im Interview ein.

Frage: Herr Utsch, Sie waren mehrfach am Hindukusch. Sehen Sie Parallelen zwischen Afghanistan und dem jetzigen Krieg in der Ukraine?

Peter Utsch: Nein, das ist nicht vergleichbar. In Afghanistan gab es einen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt, jetzt geht es um die offene Aggression eines Staates gegen einen anderen souveränen Staat. Das ist ein ganz anderes Kriegsbild.

Haben Sie persönlichen Bezug zur Ukraine?

Utsch: Die Bundeswehr hat keine größeren Erfahrungen mit der Ukraine. Aber wir waren als Schutzkräfte im Baltikum. Ich habe im November 2014 an "Iron Sword" in Litauen, einer der ersten multi-nationalen Übungen, teilgenommen. Ein halbes Jahr nach Besetzung der Krim durch Russland war man im Baltikum durchaus besorgt.

Von einigen Seiten wird das als Begründung für das russische Vorgehen in der Ukraine angeführt: die Ost-Erweiterung der Nato. Was halten Sie davon?

Utsch: Ich halte das für an den Haaren herbeigezogen. Die Nato ist eindeutig ein defensives Bündnis. Das militärische Potenzial der osteuropäischen Partnerländer ist nicht so groß, dass es Russland bedroht. Ich habe den Einmarsch der Russen in die Ukraine lange nicht für möglich gehalten. Da habe ich mich getäuscht.

Wie sollte sich die Nato nun verhalten?

Utsch: Ich sehe keine Chance zum militärischen Eingreifen, die Gefahr einer Eskalation ist zu groß! Wichtig sind der Schulterschluss der Nato und der Schutz der Ostflanke. Und diplomatische Bemühungen. Ein Waffenstillstand sollte das vorrangige Ziel sein. Das Sterben von Menschen und die Zerstörung von Infrastruktur müssen unterbunden werden.

Sonst?

Utsch: Tja. Die russische Armee ist technisch und zahlenmäßig hoch überlegen. Aber der Widerstandswille des ukrainischen Volkes und von Präsident Selenskyj fasziniert mich. Ich habe bei diesen innerstädtischen Kampfhandlungen das Szenario des Jugoslawienkriegs vor Augen. Es könnte ein langer, zermürbender Krieg mit großen zivilen Opfern werden.

Peter Utsch im Frühjahr 2017 an seinem damaligen Arbeitsplatz in der Kaserne Veitshöchheim, kurz bevor er zu seinem letzten Auslandseinsatz nach Afghanistan flog.
Foto: Archivbild Lukas Will | Peter Utsch im Frühjahr 2017 an seinem damaligen Arbeitsplatz in der Kaserne Veitshöchheim, kurz bevor er zu seinem letzten Auslandseinsatz nach Afghanistan flog.
Können Sie sich vorstellen, dass Deutschland und Mitteleuropa direkt vom Krieg betroffen werden?

Utsch: Ich sehe nicht, dass Europa in Kampfhandlungen einbezogen wird. Aber wenn ein Waffenstillstand vereinbart werden sollte, wird es nicht ohne internationale Überwachung gehen. Ein Blauhelm-Einsatz ist denkbar. Grundsätzlich stimmt mich das Zusammenrücken der europäischen Nationen und das klare Bekenntnis zur Unterstützung der Ukraine zuversichtlich.

Vermutlich begrüßen Sie die beschlossenen hohen Investitionen in die Bundeswehr?

Utsch: Sie hätten viel eher kommen müssen. Es wird dauern, bis das wirkt. Die Beschaffungsverfahren sind langwierig. Ich hoffe, sie lassen sich – wie von der neuen Verteidigungsministerin angekündigt – verkürzen. Wir brauchen auch für künftige Krisen eine Position der Stärke, deshalb sind diese Investitionen das richtige Signal.

Auch über eine Wiedereinführung der Wehrpflicht oder eine allgemeine Dienstpflicht wurde zuletzt gesprochen. Wie stehen Sie dazu?

Utsch: Ich war immer Anhänger einer allgemeinen Wehrpflicht. Sie birgt in Krisen eine rasche "Aufwuchsmöglichkeit" der Bundeswehr. Aber sie in der früheren Art wieder einzuführen - schwierig. Es werden neue Modelle benötigt. Darüber müssen sich die verantwortlichen Politiker Gedanken machen.

 
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  • gzhz2007
    Bin auch stark für eine "Dienstpflicht" und diese über alle Geschlechter. Nicht nur BW würde davon profitieren, auch THW, RK, Pflege, etc. würden entlastet/gestärkt werden.
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  • Zugut
    Trotzdem: Krieg ist nicht das, was jedem gegeben ist. Unsere Kinder sind kein Kanonenfutter!!!
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  • deweka
    Das läuft darauf hinaus dass der Klügere nachgeben soll.

    Der Stärkere hat in den seltensten Fällen das Wohl der Allgemeinheit im Sinn.

    Der logische Weg wäre Demokraten zu unterstützen und Diktatoren möglichst zu umgehen.

    Nachdem Profit über Jahrzehnte wichtiger als Menschenrechte waren müssen Regierungen nun zeigen ob Menschenrechte tatsächlich wichtiger als Profit sind.

    Wenn der Klügere immer nachgibt haben Menschenrechte verloren.
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  • office@reichelt-schoelch.de
    Interessanter Artikel. Verstehe nur nicht, dass ihn der Angriff jetzt überrascht. Der Angreifer hat einen lange vorbereiteten Plan gehabt, der passt zu seinen persönlichen Vorstellungen von einem Staat und seinen Untertanen, in denen freies Denken uvm. eher unterrepräsentiert ist. Nur kommen viele andere Ideen trotzdem digital über Grenzen und gefährden seine Träume. Warum versuchen Militärs so oft vermeintlich logisch- logistisch-praktisch zu denken, statt zu schauen und einzubeziehen, was der andere wirklich will. Egal was er sagt! Geduldig herausfinden, was ihn treibt? Er ist stolz, beleidigt/ keine Wertschätzung, hat, glaubt er, wenig zu verlieren, älter, nicht gesund, vermögend, viele Fluchtoasen. Warum sollte er aufgeben?
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  • freihold
    Ich wundere mich, dass die längst bekannten Defizite seitens der Politik nicht bereits vor Jahren entschlossen angegangen wurde. Offenbar stand der bei uns seit Jahrzente herrschende Zeitgeist quer durch die Parteien dem entgegen. Ironie der Geschichte, es musste erst eine Ampel-Regierung die seit der Krim-Annexion zuständig werden, um Friedens-Demonstrationen von vornherein ad absurdum zu führen. Nicht auszudenken, wenn CDU/CSU im Herbst 2021 die Bundestagswahl gewonnen hätte. Demos und Proteste pro Russland von Roten und Grünen und gegen die NATO wären die Folge gewesen, stünden sie aktuell nicht in der Verantwortung. So ist heute unsere Zivilgesellschaft weitgehend einig. Nebenbei, das Schweigen der AfD zur Putin-Aggression beweist, dass die Rechtsnationalen für unsere freiheitliche Demokratie absolut und in jeder Hinsicht entbehrlich ist.
    Jochen Freihold
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  • mein_shane@web.de
    Ich wäre für eine Wehrpflicht, dann hätten wir auch wieder mehr freiwillige für den Ersatzdienst, also für die Pflege.....
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  • Zugut
    Bin schlicht gegen Wehrpflicht.
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  • Funkenstern
    Ich befürworte eine allgemeine Dienstpflicht. Es hat bis jetzt niemandem geschadet, etwas für die Allgemeinheit zu leisten. Das betrifft mittlerweile Männlein wie Weiblein oder auch die Diversen. Es gibt viele Bereiche, wo man sich einbringen kann.
    Ich habe gedient, zu einer Zeit mit Wehrpflicht und elnigen hat das absolut nicht geschadet. Die heutigen Weicheier der Helikopter Eltern sollten mal was leisten ohne deren Umgriff…
    Man lernt was fürs Leben!
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