Eigentlich wollte die 25-Jährige Modedesign studieren. Doch die in Rieneck und Langenprozelten aufgewachsene Abiturientin entscheidet sich anders. "Ich wollte nie eine Ausbildung machen", so Walter. Als sie jedoch im Trend-Atelier von Nicole Brandler in Untererthal ihr Vorpraktikum für das Studium absolviert, kommt für sie der Wendepunkt.
Bei der Fertigung eines Mantels für ihre Mutter merkt sie, wie viel Mühe und Arbeit hinter einem maßgeschneiderten Kleidungsstück steckt. Sie fängt Feuer für die handwerkliche Tätigkeit und entscheidet sich gegen das Studium.
"Als junger Mensch romantisiert man das Modedesign", meint sie. Und man habe außerdem wenig Ahnung davon, wie Mode eigentlich produziert wird. Schnell und billig, oft nur für eine Saison entworfen und genauso schnell wieder aus der Mode – Fast-Fashion, wie sie überall hängt.
Die Maßschneiderin arbeite hingegen mit Tradition und hochwertigen Materialien. So fertigt sie Einzelstücke, die auf den Leib der Kundin oder des Kunden geschneidert werden. Aber ist das nicht wahnsinnig teuer? Emma Walter erklärt den Prozess anhand einer klassischen Baumwollbluse. Die Arbeitsschritte: Maßnehmen, anfertigen, Anprobe, Ausarbeitung. 15 Stunden kämen da schon zusammen. "Und dann nimmt man natürlich auch nicht den billigsten Stoff." Sie hält 500 Euro für eine realistische Zahl. "Doch dann hat man ein individuelles Stück für das ganze Leben." Über die Tragedauer amortisiere sich das Geld.
Außerdem habe Fast-Fashion einen weit höheren Preis, als das, was wir ausgeben. "Ich bin sehr besorgt, dass die Auswirkungen auf Umwelt und Soziales den Menschen so wenig bewusst sind", sagt die Schneiderin. Informationen über die Verhältnisse in den Produktionsländern gebe es zwar, doch der Transport nach außen sei schwierig. So wie grundsätzlich auch Informationen dazu, was ihre Branche auszeichnet und dass es sie noch gibt.
Um herauszufinden, wie es weitergehen kann, hat sie eine Projektarbeit über die Probleme und Zukunft des Maßschneiderinnen-Handwerks geschrieben – öffentlich zugänglich unter www.zukunftdermassschneiderei.com. Dort stellt sie Fragen wie: Wer leistet sich maßgeschneiderte Kleidung? Oder: Inwieweit kann der Trend der Nachhaltigkeit unseren Konsum von Kleidung beeinflussen? Bei der Auswertung fällt auf, dass Menschen unabhängig vom Einkommen die Dienste der Maßschneiderei beanspruchen. Auch die Wohnortgröße hat gemäß ihrer Studie keine Relevanz.
Das sehe man auch daran, dass einige Ateliers bei uns überlebt haben. In Würzburg besetzen sie Nischen wie Trachtenmode oder Fair-Fashion. "Es gibt auch bei uns auf dem Land noch Menschen, die das Wissen und Können haben", so Walter, "doch sie gehen in der Werbung unter."
Sie sieht die einzige Chance im Zusammenschluss. "Wenn alle für sich alleine kämpfen gibt es für uns keine Zukunft." Man müsse lauter werden, auch durch gemeinsame Kampagnen. Soziale Netzwerke spielten außerdem eine Riesenrolle. Sie hält instagram hier für die sinnvollste App, da lokale Werbung möglich sei.
Heute arbeitet sie als Ausbilderin an einer Modeschule bei Zürich. Im Vergleich zum in Deutschland typischen schulischen Ausbildungssystem arbeiten die Auszubildenden dort in einem angeschlossenen Atelier mit eigener Kundschaft. Ein sinnvolles Modell, meint Walter, für die Branche der Maßschneiderei, um die Ausbildung neuer Fachkräfte weiterhin finanzieren zu können.