
Ein Auge fürs Detail, Fingerfertigkeit, Präzision und räumliches Sehen, außerdem jede Menge Geduld und gute künstlerische Fähigkeiten: Das alles sollte man mitbringen, wenn man in der Glasveredlung tätig ist. Eine, die all das hat, ist Benita Schreiber aus Karlstadt. Sie erhielt bei den „German Craft Skills“ für ihr Gesellenstück kürzlich die Auszeichnung „Bundessiegerin für Glasveredlung in der Fachrichtung Gravur und Schliff“.
Wenn man so will, ist Schreiber sogar „Wiederholungstäterin“. Schon im Vorjahr konnte sie nach ihrer dreijährigen Ausbildung in der Glasmalerei und Kunstverglasung – einer weiteren Fachrichtung der Glasveredlung – den Titel bei Europas größtem Berufswettbewerb gewinnen. „Da war ich noch an der Glasfachschule Hadamar beim hessischen Limburg an der Lahn. Nach der Auszeichnung und meiner dreijährigen Ausbildung wollte ich noch ein viertes Jahr in Schliff und Gravur dranhängen“, erklärt Schreiber.
Praktikum in Karlstadter Glaswerkstatt weckte Interesse
Dieses zusätzliche Ausbildungsjahr in einer zweiten Fachrichtung sei gerade in der Glasveredelung typisch, um spätere Berufsaussichten zu verbessern, wie die 20-Jährige erklärt. Schreiber wechselte hierfür an die Glasfachschule in Rheinbach bei Köln. Angefixt von ihrem ersten Erfolg bei den German Craft Skills 2022, ging sie im zweiten Anlauf mit noch größerem Elan an die Arbeit – mit Erfolg. Vier Gläser, die mit verschiedenen Techniken der Gravur bearbeitet wurden, überzeugten die Jury.
Auch wenn es wie ein Klischee klingen mag: Schreibers Lieblingsfächer waren schon zur Schulzeit Kunst und Technik. Sie machte ihre mittlere Reife auf der Konrad-von-Querfurt-Mittelschule in Karlstadt und absolvierte ihr Pflichtpraktikum in der neunten Klasse auf Empfehlung ihres Vaters in der Glaswerkstatt von Wolfgang Feige. „Die Hingabe zum Handwerk kommt durch meinen Vater. Der ist Bautechniker und beschäftigt sich zum Beispiel mit Pflasterarbeiten und Natursteinmauern“, sagt Schreiber. Ursprünglich wollte sie Goldschmiedin werden, bekam in diesem Beruf aber keine Praktikumsstelle.

Keine Ausbildungsmöglichkeiten in der Region
Nach einem weiteren Ferienjob in der Glaswerkstatt, war für Schreiber klar, dass sie eine Ausbildung zur Glasveredlerin machen will. Vor allem die Vielfalt des Berufes machte den Reiz für sie aus. „Man kann mit Glas extrem viel machen. Durch unterschiedliches Licht hat man immer ein Farbenspiel und egal, was man macht – man lernt immer neue Sachen dazu“, zählt sie die Vorzüge des Berufes auf.
Wolfgang Feige, der sie im Praktikum bei ihren ersten Schritten begleitete, erkannte das handwerkliche Talent in der damals 15-Jährigen und legte ihr nahe, auf die Glasfachschule in Hadamar zu gehen. „Letztendlich musste ich also schon allein deswegen wegziehen, weil es hier in der Region keine Ausbildungsmöglichkeiten gibt“, so Schreiber, die auch heute noch regelmäßig Kontakt zu Feige hat.

Bis zu drei Wochen Arbeit an einem Kirchenfenster
Eigentlich wollte Schreiber ihre Ausbildung mit der Fachrichtung Schliff und Gravur beginnen. Damit im Berufsleben Fuß zu fassen, ist aber nicht einfach. Schreiber: „Es gibt wenige Firmen, die per Hand gravieren, dafür müsste ich nach Tschechien – die leben vom Glas – ansonsten sieht es mau aus.“ Die spätere Jobsuche gibt sie deshalb als den einzigen Grund an, zwischenzeitlich Zweifel an ihrem Berufswunsch gehabt zu haben.
Im Bereich der Glasmalerei und Kunstverglasung stehen Restaurierungen von Kirchenfenstern im Fokus. Aber auch Ausbesserungen für Privatgebäude oder öffentliche Gebäude gehören zum beruflichen Alltag. Wenn Schreiber mit der Restaurierung eines Kirchenfensters beauftragt wird, kann es vorkommen, dass sie sehr lange mit einem einzelnen Fenster beschäftigt ist. „Das kommt auf die Größe des Fensters an und darauf, wie kaputt die Verglasungen sind. Je nach Anzahl und Ausmaß der Arbeitsschritte kann es schon sein, dass ich zwei bis drei Wochen mit einem Fenster beschäftigt bin“, so Schreiber.
Glasveredlung ist den meisten Männern zu feinmotorisch
Die Ausbildung machen generell sehr wenige und aus ihrer Gruppe in Hadamar ist Schreiber die einzige, die in diesem Bereich geblieben ist. Am Ende waren sieben Leute im Kurs. Andere haben die Ausbildung auch beendet, wechselten dann aber in einen anderen Bereich. „Viele nutzen die Ausbildung für ein Kunststudium im Nachhinein, manche orientieren sich komplett um.“ Schreiber aber hatte Spaß an der Glasveredlung und wollte deshalb das vierte Jahr dranhängen.
Auch wenn viele handwerkliche Berufe schnell mit männlichen Auszubildenden assoziiert werden, scheint das nicht für die Glasveredlung zu gelten. Wie Schreiber erzählt, sind hier überwiegend junge Frauen zu finden, in ihrem Kurs gab es keinen einzigen männlichen Auszubildenden.

Wohnhaft im Saarland, angestellt in Luxemburg
Fertig mit der Ausbildung ist Schreiber seit Juni. Sie hat bereits ihren ersten richtigen Job, wohnt im Saarland und arbeitet als Glasmalerin in einem kleinen Betrieb in Luxemburg. „Das hat sich zufällig ergeben, weil eine Kollegin, die in Rheinbach als Lehrerin angefangen hat, zuvor in Luxemburg gearbeitet hat und meinte, dass dort eine Stelle frei wäre“, erklärt Schreiber. Also ging es nach Luxemburg und nach einem erfolgreichen Probearbeiten im April wurde sie direkt angestellt.
Schreiber kann jetzt auch finanziell von dem erneuten deutschen Meistertitel im Handwerk profitieren. Allen Teilnehmenden unter 25 Jahren, die es in ihrem Beruf unter die drei Bestplatzierten geschafft haben, winken Weiterbildungsstipendien. „Ich will das Geld für Fortbildungen nutzen, und mir damit einen Teil meines Meisters finanzieren. Den mache ich irgendwann in den nächsten Jahren“, erzählt sie.